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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Die Quadrupel-Allianz.
einen gefährlichen Krieg, nur durch mittelbare Unterstützung der Königin
und durch ein unaufhörliches Selbstlob, das der bethörten liberalen Welt
den Hochsinn der freiheitbeschützenden Britannia anpreisen mußte.

Rasch entschlossen ging Palmerston auf sein Ziel los. Am 22. April
1834 brachte er mit Talleyrand und Christinens Gesandten Miraflores
sein Meisterwerk zu Stande, die Quadrupel-Allianz. Die Regierungen der
beiden jungen Königinnen verpflichteten sich, Don Miguel und Don Carlos
aus der Halbinsel zu vertreiben; England wollte sie mit seiner Flotte unter-
stützen, und auch Frankreich, das sich während der Verhandlungen vor-
sichtig zurückhielt, sollte nöthigenfalls, nach gemeinsamer Verabredung, mit
den Waffen eingreifen. Frecher konnte der Grundsatz der Nichteinmischung
nicht verleugnet, die Interventionspolitik des alten Vierbundes nicht über-
boten werden. Die Beschlüsse des Laibacher Congresses hatten sich doch
noch auf unzweifelhafte Vertragsrechte berufen, welche dem Hause Oester-
reich in Italien zustanden; hier aber ward die bewaffnete Unterstützung
einer legitimen und einer illegitimen Königin zugleich beschlossen, ohne den
Schatten eines Rechtsgrundes, lediglich nach der augenblicklichen Convenienz
der Westmächte, und diese völlig rechtswidrige Intervention schmückte sich
mit dem Namen der Freiheit. Palmerston verkündete sogleich, dieser neue
Vierbund solle ein mächtiges Gegengewicht gegen die heilige Allianz des
Ostens bilden, er nannte ihn sein eigenstes Werk und spöttelte vor den
Vertrauten: "ich hätte wohl Metternich's Gesicht dabei sehen mögen."
Das halbamtliche Journal des Debats erklärte: die Quadrupel-Allianz
sei die Antwort des freien Westens auf den Congreß von Münchengrätz
und die Wiener Ministerconferenzen; jetzt gebe es keine Pyrenäen mehr,
da die Gleichheit der Staatsform sowie die Schicksalsverwandtschaft der
Dynastien Spanier und Franzosen verbände; nicht lange, so würden
Belgien und die Schweiz, nachher auch das constitutionelle Süddeutschland,
Piemont, Neapel, Griechenland sich dem Bunde der vier freien Nationen
anschließen. Und solche windige Prahlereien fanden Glauben: zunächst
bei den hochmüthigen Spaniern, die ja ohnehin überzeugt waren, daß sich
seit den Zeiten Philipp's II. nichts in der Welt geändert hätte, und nun
befriedigt an der Spitze der Civilisation einherschritten; die Inschrift de las
cuatro naciones
auf den Schildern spanischer Kaufläden und Gasthöfe
erinnert noch heute an jene Zeiten des westeuropäischen Größenwahns.
Auch die deutsche liberale Presse stimmte in die Triumphrufe der West-
mächte fröhlich ein: daß der freie Portugiese hoch über dem geknechteten
Preußen stehe, schien allen Gebildeten selbstverständlich. Zu den Unge-
bildeten zählte freilich auch Prinz Wilhelm der Jüngere von Preußen; er
sagte scharf: durch "die Quadrupede" sei die europäische Politik für einige
Zeit "monströs" geworden.

Das Glück war den Verbündeten günstig. Schon wenige Tage
nach der Unterzeichnung der Quadrupel-Allianz mußte Don Miguel, in

Die Quadrupel-Allianz.
einen gefährlichen Krieg, nur durch mittelbare Unterſtützung der Königin
und durch ein unaufhörliches Selbſtlob, das der bethörten liberalen Welt
den Hochſinn der freiheitbeſchützenden Britannia anpreiſen mußte.

Raſch entſchloſſen ging Palmerſton auf ſein Ziel los. Am 22. April
1834 brachte er mit Talleyrand und Chriſtinens Geſandten Miraflores
ſein Meiſterwerk zu Stande, die Quadrupel-Allianz. Die Regierungen der
beiden jungen Königinnen verpflichteten ſich, Don Miguel und Don Carlos
aus der Halbinſel zu vertreiben; England wollte ſie mit ſeiner Flotte unter-
ſtützen, und auch Frankreich, das ſich während der Verhandlungen vor-
ſichtig zurückhielt, ſollte nöthigenfalls, nach gemeinſamer Verabredung, mit
den Waffen eingreifen. Frecher konnte der Grundſatz der Nichteinmiſchung
nicht verleugnet, die Interventionspolitik des alten Vierbundes nicht über-
boten werden. Die Beſchlüſſe des Laibacher Congreſſes hatten ſich doch
noch auf unzweifelhafte Vertragsrechte berufen, welche dem Hauſe Oeſter-
reich in Italien zuſtanden; hier aber ward die bewaffnete Unterſtützung
einer legitimen und einer illegitimen Königin zugleich beſchloſſen, ohne den
Schatten eines Rechtsgrundes, lediglich nach der augenblicklichen Convenienz
der Weſtmächte, und dieſe völlig rechtswidrige Intervention ſchmückte ſich
mit dem Namen der Freiheit. Palmerſton verkündete ſogleich, dieſer neue
Vierbund ſolle ein mächtiges Gegengewicht gegen die heilige Allianz des
Oſtens bilden, er nannte ihn ſein eigenſtes Werk und ſpöttelte vor den
Vertrauten: „ich hätte wohl Metternich’s Geſicht dabei ſehen mögen.“
Das halbamtliche Journal des Debats erklärte: die Quadrupel-Allianz
ſei die Antwort des freien Weſtens auf den Congreß von Münchengrätz
und die Wiener Miniſterconferenzen; jetzt gebe es keine Pyrenäen mehr,
da die Gleichheit der Staatsform ſowie die Schickſalsverwandtſchaft der
Dynaſtien Spanier und Franzoſen verbände; nicht lange, ſo würden
Belgien und die Schweiz, nachher auch das conſtitutionelle Süddeutſchland,
Piemont, Neapel, Griechenland ſich dem Bunde der vier freien Nationen
anſchließen. Und ſolche windige Prahlereien fanden Glauben: zunächſt
bei den hochmüthigen Spaniern, die ja ohnehin überzeugt waren, daß ſich
ſeit den Zeiten Philipp’s II. nichts in der Welt geändert hätte, und nun
befriedigt an der Spitze der Civiliſation einherſchritten; die Inſchrift de las
cuatro naciones
auf den Schildern ſpaniſcher Kaufläden und Gaſthöfe
erinnert noch heute an jene Zeiten des weſteuropäiſchen Größenwahns.
Auch die deutſche liberale Preſſe ſtimmte in die Triumphrufe der Weſt-
mächte fröhlich ein: daß der freie Portugieſe hoch über dem geknechteten
Preußen ſtehe, ſchien allen Gebildeten ſelbſtverſtändlich. Zu den Unge-
bildeten zählte freilich auch Prinz Wilhelm der Jüngere von Preußen; er
ſagte ſcharf: durch „die Quadrupede“ ſei die europäiſche Politik für einige
Zeit „monſtrös“ geworden.

Das Glück war den Verbündeten günſtig. Schon wenige Tage
nach der Unterzeichnung der Quadrupel-Allianz mußte Don Miguel, in

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[501/0515] Die Quadrupel-Allianz. einen gefährlichen Krieg, nur durch mittelbare Unterſtützung der Königin und durch ein unaufhörliches Selbſtlob, das der bethörten liberalen Welt den Hochſinn der freiheitbeſchützenden Britannia anpreiſen mußte. Raſch entſchloſſen ging Palmerſton auf ſein Ziel los. Am 22. April 1834 brachte er mit Talleyrand und Chriſtinens Geſandten Miraflores ſein Meiſterwerk zu Stande, die Quadrupel-Allianz. Die Regierungen der beiden jungen Königinnen verpflichteten ſich, Don Miguel und Don Carlos aus der Halbinſel zu vertreiben; England wollte ſie mit ſeiner Flotte unter- ſtützen, und auch Frankreich, das ſich während der Verhandlungen vor- ſichtig zurückhielt, ſollte nöthigenfalls, nach gemeinſamer Verabredung, mit den Waffen eingreifen. Frecher konnte der Grundſatz der Nichteinmiſchung nicht verleugnet, die Interventionspolitik des alten Vierbundes nicht über- boten werden. Die Beſchlüſſe des Laibacher Congreſſes hatten ſich doch noch auf unzweifelhafte Vertragsrechte berufen, welche dem Hauſe Oeſter- reich in Italien zuſtanden; hier aber ward die bewaffnete Unterſtützung einer legitimen und einer illegitimen Königin zugleich beſchloſſen, ohne den Schatten eines Rechtsgrundes, lediglich nach der augenblicklichen Convenienz der Weſtmächte, und dieſe völlig rechtswidrige Intervention ſchmückte ſich mit dem Namen der Freiheit. Palmerſton verkündete ſogleich, dieſer neue Vierbund ſolle ein mächtiges Gegengewicht gegen die heilige Allianz des Oſtens bilden, er nannte ihn ſein eigenſtes Werk und ſpöttelte vor den Vertrauten: „ich hätte wohl Metternich’s Geſicht dabei ſehen mögen.“ Das halbamtliche Journal des Debats erklärte: die Quadrupel-Allianz ſei die Antwort des freien Weſtens auf den Congreß von Münchengrätz und die Wiener Miniſterconferenzen; jetzt gebe es keine Pyrenäen mehr, da die Gleichheit der Staatsform ſowie die Schickſalsverwandtſchaft der Dynaſtien Spanier und Franzoſen verbände; nicht lange, ſo würden Belgien und die Schweiz, nachher auch das conſtitutionelle Süddeutſchland, Piemont, Neapel, Griechenland ſich dem Bunde der vier freien Nationen anſchließen. Und ſolche windige Prahlereien fanden Glauben: zunächſt bei den hochmüthigen Spaniern, die ja ohnehin überzeugt waren, daß ſich ſeit den Zeiten Philipp’s II. nichts in der Welt geändert hätte, und nun befriedigt an der Spitze der Civiliſation einherſchritten; die Inſchrift de las cuatro naciones auf den Schildern ſpaniſcher Kaufläden und Gaſthöfe erinnert noch heute an jene Zeiten des weſteuropäiſchen Größenwahns. Auch die deutſche liberale Preſſe ſtimmte in die Triumphrufe der Weſt- mächte fröhlich ein: daß der freie Portugieſe hoch über dem geknechteten Preußen ſtehe, ſchien allen Gebildeten ſelbſtverſtändlich. Zu den Unge- bildeten zählte freilich auch Prinz Wilhelm der Jüngere von Preußen; er ſagte ſcharf: durch „die Quadrupede“ ſei die europäiſche Politik für einige Zeit „monſtrös“ geworden. Das Glück war den Verbündeten günſtig. Schon wenige Tage nach der Unterzeichnung der Quadrupel-Allianz mußte Don Miguel, in

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/515>, abgerufen am 24.11.2024.