durch Landgebiet erhalten müsse.*) Zweimal, in den Jahren 1834 und 1836, verlangte der Bundestag demnach feierlich vollen Ersatz für das westliche Lützelburg. König Wilhelm gab endlich nach. Am 19. April 1839 wurde der Friede zwischen Holland und Belgien, auf Grund der Vierundzwanzig Artikel, unterzeichnet. Am 5. September genehmigte der Bundestag, daß dies neugebildete holländische Herzogthum Limburg, mit Ausschluß der Festungen Mastricht und Venloo, in den Bund eintreten sollte; dafür wurde das etwa gleich große wallonische Luxemburg, das allerdings auch die deutsche Stadt Arlon und insgesammt etwa 32,000 deutsche Bewohner umfaßte, an Belgien ausgeliefert. Der gefallenen Entscheidung fügten sich selbst die Agnaten aus dem herzoglichen Hause Nassau; sie hatten während aller dieser Verhandlungen in tapferen Worten Großes geleistet, aber freilich bei der Stellung der Executionstruppen sich ganz ebenso kleinlich gezeigt wie Hannover; jetzt entsagten sie ihren Erbansprüchen auf die Westhälfte Luxemburgs und empfingen von König Wilhelm eine Geldentschädigung.
Dergestalt wurde eine Schmälerung des Bundesgebietes noch glücklich vermieden. Das neue sogenannte Herzogthum Limburg war, genau wie der abgetretene Landstrich, eine niederländische Provinz, die dem Namen nach zu Deutschland gehörte, und der Bundestag getröstete sich der Hoffnung, "daß die Weisheit Sr. Majestät Maßregeln treffen werde, welche geeignet sind, den Unzukömmlichkeiten vorzubeugen, die sonst möglicherweise aus diesen Verhältnissen entstehen könnten". Wer solchen Beschwichtigungen Glauben schenkte, der konnte sogar mit einigem Scheine behaupten, daß der Gebietstausch an der Westgrenze dem Deutschen Bunde Vortheil bringe. Da das verkleinerte Luxemburg nunmehr von dem Königreich der Nieder- lande weit entfernt lag, so sah sich der König gezwungen, alte Unter- lassungssünden endlich zu sühnen; das Großherzogthum wurde fortan als ein selbständiger, nur durch Personal-Union mit den Niederlanden ver- bundener Staat eingerichtet, erhielt sein besonderes Bundescontingent, im Jahre 1841 auch seine eigene Verfassung und trat also scheinbar dem deutschen Leben näher als bisher.
Doch was wollte dieser deutsche Trost bedeuten neben der furchtbaren moralischen Niederlage, welche der Deutsche Bund sich selbst bereitet hatte? Als der Bundestag die Widersetzlichkeit Hannovers hinnahm und die be- schlossene Bundes-Execution gemächlich einschlafen ließ, da bekundete er vor aller Welt, daß er der ersten seiner Pflichten nicht entsprechen konnte. An dieser Schande waren alle deutsche Staaten mitschuldig, auch Preußen und Baiern, denn wohlgemeinte Worte genügten in solchem Falle nicht. Das geringe Ansehen, das der Bund in Europa bisher noch behauptet hatte, schwand fortan gänzlich; das kleine Belgien, das ängstliche Juli-
*) Dönhoff's Berichte, München 19. Dec. 1833, 28. Febr. 1834.
Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 21
Theilung Luxemburgs.
durch Landgebiet erhalten müſſe.*) Zweimal, in den Jahren 1834 und 1836, verlangte der Bundestag demnach feierlich vollen Erſatz für das weſtliche Lützelburg. König Wilhelm gab endlich nach. Am 19. April 1839 wurde der Friede zwiſchen Holland und Belgien, auf Grund der Vierundzwanzig Artikel, unterzeichnet. Am 5. September genehmigte der Bundestag, daß dies neugebildete holländiſche Herzogthum Limburg, mit Ausſchluß der Feſtungen Mastricht und Venloo, in den Bund eintreten ſollte; dafür wurde das etwa gleich große walloniſche Luxemburg, das allerdings auch die deutſche Stadt Arlon und insgeſammt etwa 32,000 deutſche Bewohner umfaßte, an Belgien ausgeliefert. Der gefallenen Entſcheidung fügten ſich ſelbſt die Agnaten aus dem herzoglichen Hauſe Naſſau; ſie hatten während aller dieſer Verhandlungen in tapferen Worten Großes geleiſtet, aber freilich bei der Stellung der Executionstruppen ſich ganz ebenſo kleinlich gezeigt wie Hannover; jetzt entſagten ſie ihren Erbanſprüchen auf die Weſthälfte Luxemburgs und empfingen von König Wilhelm eine Geldentſchädigung.
Dergeſtalt wurde eine Schmälerung des Bundesgebietes noch glücklich vermieden. Das neue ſogenannte Herzogthum Limburg war, genau wie der abgetretene Landſtrich, eine niederländiſche Provinz, die dem Namen nach zu Deutſchland gehörte, und der Bundestag getröſtete ſich der Hoffnung, „daß die Weisheit Sr. Majeſtät Maßregeln treffen werde, welche geeignet ſind, den Unzukömmlichkeiten vorzubeugen, die ſonſt möglicherweiſe aus dieſen Verhältniſſen entſtehen könnten“. Wer ſolchen Beſchwichtigungen Glauben ſchenkte, der konnte ſogar mit einigem Scheine behaupten, daß der Gebietstauſch an der Weſtgrenze dem Deutſchen Bunde Vortheil bringe. Da das verkleinerte Luxemburg nunmehr von dem Königreich der Nieder- lande weit entfernt lag, ſo ſah ſich der König gezwungen, alte Unter- laſſungsſünden endlich zu ſühnen; das Großherzogthum wurde fortan als ein ſelbſtändiger, nur durch Perſonal-Union mit den Niederlanden ver- bundener Staat eingerichtet, erhielt ſein beſonderes Bundescontingent, im Jahre 1841 auch ſeine eigene Verfaſſung und trat alſo ſcheinbar dem deutſchen Leben näher als bisher.
Doch was wollte dieſer deutſche Troſt bedeuten neben der furchtbaren moraliſchen Niederlage, welche der Deutſche Bund ſich ſelbſt bereitet hatte? Als der Bundestag die Widerſetzlichkeit Hannovers hinnahm und die be- ſchloſſene Bundes-Execution gemächlich einſchlafen ließ, da bekundete er vor aller Welt, daß er der erſten ſeiner Pflichten nicht entſprechen konnte. An dieſer Schande waren alle deutſche Staaten mitſchuldig, auch Preußen und Baiern, denn wohlgemeinte Worte genügten in ſolchem Falle nicht. Das geringe Anſehen, das der Bund in Europa bisher noch behauptet hatte, ſchwand fortan gänzlich; das kleine Belgien, das ängſtliche Juli-
*) Dönhoff’s Berichte, München 19. Dec. 1833, 28. Febr. 1834.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 21
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durch Landgebiet erhalten müſſe. *) Zweimal, in den Jahren 1834 und 1836,
verlangte der Bundestag demnach feierlich vollen Erſatz für das weſtliche
Lützelburg. König Wilhelm gab endlich nach. Am 19. April 1839 wurde
der Friede zwiſchen Holland und Belgien, auf Grund der Vierundzwanzig
Artikel, unterzeichnet. Am 5. September genehmigte der Bundestag, daß
dies neugebildete holländiſche Herzogthum Limburg, mit Ausſchluß der
Feſtungen Mastricht und Venloo, in den Bund eintreten ſollte; dafür
wurde das etwa gleich große walloniſche Luxemburg, das allerdings auch die
deutſche Stadt Arlon und insgeſammt etwa 32,000 deutſche Bewohner
umfaßte, an Belgien ausgeliefert. Der gefallenen Entſcheidung fügten
ſich ſelbſt die Agnaten aus dem herzoglichen Hauſe Naſſau; ſie hatten
während aller dieſer Verhandlungen in tapferen Worten Großes geleiſtet,
aber freilich bei der Stellung der Executionstruppen ſich ganz ebenſo
kleinlich gezeigt wie Hannover; jetzt entſagten ſie ihren Erbanſprüchen
auf die Weſthälfte Luxemburgs und empfingen von König Wilhelm eine
Geldentſchädigung.
Dergeſtalt wurde eine Schmälerung des Bundesgebietes noch glücklich
vermieden. Das neue ſogenannte Herzogthum Limburg war, genau wie der
abgetretene Landſtrich, eine niederländiſche Provinz, die dem Namen nach
zu Deutſchland gehörte, und der Bundestag getröſtete ſich der Hoffnung,
„daß die Weisheit Sr. Majeſtät Maßregeln treffen werde, welche geeignet
ſind, den Unzukömmlichkeiten vorzubeugen, die ſonſt möglicherweiſe aus
dieſen Verhältniſſen entſtehen könnten“. Wer ſolchen Beſchwichtigungen
Glauben ſchenkte, der konnte ſogar mit einigem Scheine behaupten, daß
der Gebietstauſch an der Weſtgrenze dem Deutſchen Bunde Vortheil bringe.
Da das verkleinerte Luxemburg nunmehr von dem Königreich der Nieder-
lande weit entfernt lag, ſo ſah ſich der König gezwungen, alte Unter-
laſſungsſünden endlich zu ſühnen; das Großherzogthum wurde fortan als
ein ſelbſtändiger, nur durch Perſonal-Union mit den Niederlanden ver-
bundener Staat eingerichtet, erhielt ſein beſonderes Bundescontingent, im
Jahre 1841 auch ſeine eigene Verfaſſung und trat alſo ſcheinbar dem
deutſchen Leben näher als bisher.
Doch was wollte dieſer deutſche Troſt bedeuten neben der furchtbaren
moraliſchen Niederlage, welche der Deutſche Bund ſich ſelbſt bereitet hatte?
Als der Bundestag die Widerſetzlichkeit Hannovers hinnahm und die be-
ſchloſſene Bundes-Execution gemächlich einſchlafen ließ, da bekundete er
vor aller Welt, daß er der erſten ſeiner Pflichten nicht entſprechen konnte.
An dieſer Schande waren alle deutſche Staaten mitſchuldig, auch Preußen
und Baiern, denn wohlgemeinte Worte genügten in ſolchem Falle nicht.
Das geringe Anſehen, das der Bund in Europa bisher noch behauptet
hatte, ſchwand fortan gänzlich; das kleine Belgien, das ängſtliche Juli-
*) Dönhoff’s Berichte, München 19. Dec. 1833, 28. Febr. 1834.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 21
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/335>, abgerufen am 03.03.2021.
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