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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten.
baden sich verschärfte, da meinte der Nassauer Marschall, jetzt sei endlich
der Tag gekommen für die Vernichtung der neuen Verfassungen, die er
schon auf den Karlsbader und Wiener Conferenzen vergeblich erstrebt hatte.*)
In einer Denkschrift über landständische und Repräsentativ-Verfassungen,
welche er um Neujahr 1832 den Höfen zusendete, verlangte er kurzweg
einen Staatsstreich des Bundestages: da der Art. 13 der Bundesakte
nur landständische Verfassungen gestatte, so müsse der Bund durch ein-
fachen Mehrheitsbeschluß diese Vorschrift ausführen, die Verantwortlichkeit
der Minister, die Civillisten und was sonst noch dem monarchischen Princip
widerspreche verbieten, in beiden Hessen, Baden, Württemberg, Baiern, wo
die selbständige oberste Staatsgewalt dem Regenten bereits entrissen sei,
eine gründliche Verfassungs-Aenderung erzwingen.**)

Auch General Borstell, der Commandirende in der Rheinprovinz,
der das anarchische Treiben der Pfälzer dicht vor seiner Thür sah und
beständig auf dem Sprunge stehen mußte, gestand dem Adjutanten des
Königs, General Thile vertraulich: er sehe keine Rettung mehr, wenn
man nicht die kleinen Staaten durch Waffengewalt nöthige, berathende
Stände nach preußischem Muster einzuführen. Unter den Staatsmännern
Preußens wurde der Plan einer neuen Karlsbader Conferenz zuerst, schon
im August 1831, von dem Grafen Maltzan, dem Gesandten in Hannover
ausgesprochen. Vom Bundestage ließ sich ja doch nichts erwarten, wenn
er nicht von außen her gestachelt wurde; die alte Zank- und Ränkesucht
der Bundesgesandten war eben jetzt, in Folge der braunschweigischen und
hessischen Händel, wieder so üppig aufgewuchert, daß der ehrliche du Thil
bei einem Besuche in der Eschenheimer Gasse seinen Abscheu kaum verbergen
konnte.***) Darum hielt Maltzan für nöthig, daß die leitenden Minister
Deutschlands wieder wie einst in Karlsbad unter sich die allgemeinen
Grundsätze für die inneren Angelegenheiten, wo möglich auch ein gleich-
mäßiges Verwaltungssystem für alle Bundesstaaten verabreden sollten.

Bernstorff ließ sich durch alle diese reaktionären Bestrebungen nicht in
seinem Gleichmuth stören. In einem Ministerialschreiben vom 1. Nov. 1831
erwiderte er dem Gesandten ausführlich: an conservativen Grundsätzen
gebreche es dem Bunde wahrhaftig nicht, seit die Wiener Schlußakte das
monarchische Princip so bestimmt ausgesprochen habe; was fehle sei allein
der ernste Wille der Regierungen die vorhandenen Gesetze anzuwenden.
Diesen Willen zu kräftigen bleibe die nächste Aufgabe. Jede Veränderung
des Bundesrechts wies er ebenso weit von sich wie den Gedanken "einer
gewaltsamen Aufhebung der durch übel berathene Fürsten ertheilten Ver-

*) s. o. III. 10.
**) Marschall, Denkschrift über den Unterschied landständischer Verfassungen im
Sinne des Art. 13 und ausländischen Mustern nachgebildeter Repräsentativverfassungen.
Dem Karlsruher Hofe mitgetheilt 12. Jan. 1832.
***) Du Thil's Aufzeichnungen, 18. Oct. 1831.

IV. 5. Wiederbefeſtigung der alten Gewalten.
baden ſich verſchärfte, da meinte der Naſſauer Marſchall, jetzt ſei endlich
der Tag gekommen für die Vernichtung der neuen Verfaſſungen, die er
ſchon auf den Karlsbader und Wiener Conferenzen vergeblich erſtrebt hatte.*)
In einer Denkſchrift über landſtändiſche und Repräſentativ-Verfaſſungen,
welche er um Neujahr 1832 den Höfen zuſendete, verlangte er kurzweg
einen Staatsſtreich des Bundestages: da der Art. 13 der Bundesakte
nur landſtändiſche Verfaſſungen geſtatte, ſo müſſe der Bund durch ein-
fachen Mehrheitsbeſchluß dieſe Vorſchrift ausführen, die Verantwortlichkeit
der Miniſter, die Civilliſten und was ſonſt noch dem monarchiſchen Princip
widerſpreche verbieten, in beiden Heſſen, Baden, Württemberg, Baiern, wo
die ſelbſtändige oberſte Staatsgewalt dem Regenten bereits entriſſen ſei,
eine gründliche Verfaſſungs-Aenderung erzwingen.**)

Auch General Borſtell, der Commandirende in der Rheinprovinz,
der das anarchiſche Treiben der Pfälzer dicht vor ſeiner Thür ſah und
beſtändig auf dem Sprunge ſtehen mußte, geſtand dem Adjutanten des
Königs, General Thile vertraulich: er ſehe keine Rettung mehr, wenn
man nicht die kleinen Staaten durch Waffengewalt nöthige, berathende
Stände nach preußiſchem Muſter einzuführen. Unter den Staatsmännern
Preußens wurde der Plan einer neuen Karlsbader Conferenz zuerſt, ſchon
im Auguſt 1831, von dem Grafen Maltzan, dem Geſandten in Hannover
ausgeſprochen. Vom Bundestage ließ ſich ja doch nichts erwarten, wenn
er nicht von außen her geſtachelt wurde; die alte Zank- und Ränkeſucht
der Bundesgeſandten war eben jetzt, in Folge der braunſchweigiſchen und
heſſiſchen Händel, wieder ſo üppig aufgewuchert, daß der ehrliche du Thil
bei einem Beſuche in der Eſchenheimer Gaſſe ſeinen Abſcheu kaum verbergen
konnte.***) Darum hielt Maltzan für nöthig, daß die leitenden Miniſter
Deutſchlands wieder wie einſt in Karlsbad unter ſich die allgemeinen
Grundſätze für die inneren Angelegenheiten, wo möglich auch ein gleich-
mäßiges Verwaltungsſyſtem für alle Bundesſtaaten verabreden ſollten.

Bernſtorff ließ ſich durch alle dieſe reaktionären Beſtrebungen nicht in
ſeinem Gleichmuth ſtören. In einem Miniſterialſchreiben vom 1. Nov. 1831
erwiderte er dem Geſandten ausführlich: an conſervativen Grundſätzen
gebreche es dem Bunde wahrhaftig nicht, ſeit die Wiener Schlußakte das
monarchiſche Princip ſo beſtimmt ausgeſprochen habe; was fehle ſei allein
der ernſte Wille der Regierungen die vorhandenen Geſetze anzuwenden.
Dieſen Willen zu kräftigen bleibe die nächſte Aufgabe. Jede Veränderung
des Bundesrechts wies er ebenſo weit von ſich wie den Gedanken „einer
gewaltſamen Aufhebung der durch übel berathene Fürſten ertheilten Ver-

*) ſ. o. III. 10.
**) Marſchall, Denkſchrift über den Unterſchied landſtändiſcher Verfaſſungen im
Sinne des Art. 13 und ausländiſchen Muſtern nachgebildeter Repräſentativverfaſſungen.
Dem Karlsruher Hofe mitgetheilt 12. Jan. 1832.
***) Du Thil’s Aufzeichnungen, 18. Oct. 1831.
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[268/0282] IV. 5. Wiederbefeſtigung der alten Gewalten. baden ſich verſchärfte, da meinte der Naſſauer Marſchall, jetzt ſei endlich der Tag gekommen für die Vernichtung der neuen Verfaſſungen, die er ſchon auf den Karlsbader und Wiener Conferenzen vergeblich erſtrebt hatte. *) In einer Denkſchrift über landſtändiſche und Repräſentativ-Verfaſſungen, welche er um Neujahr 1832 den Höfen zuſendete, verlangte er kurzweg einen Staatsſtreich des Bundestages: da der Art. 13 der Bundesakte nur landſtändiſche Verfaſſungen geſtatte, ſo müſſe der Bund durch ein- fachen Mehrheitsbeſchluß dieſe Vorſchrift ausführen, die Verantwortlichkeit der Miniſter, die Civilliſten und was ſonſt noch dem monarchiſchen Princip widerſpreche verbieten, in beiden Heſſen, Baden, Württemberg, Baiern, wo die ſelbſtändige oberſte Staatsgewalt dem Regenten bereits entriſſen ſei, eine gründliche Verfaſſungs-Aenderung erzwingen. **) Auch General Borſtell, der Commandirende in der Rheinprovinz, der das anarchiſche Treiben der Pfälzer dicht vor ſeiner Thür ſah und beſtändig auf dem Sprunge ſtehen mußte, geſtand dem Adjutanten des Königs, General Thile vertraulich: er ſehe keine Rettung mehr, wenn man nicht die kleinen Staaten durch Waffengewalt nöthige, berathende Stände nach preußiſchem Muſter einzuführen. Unter den Staatsmännern Preußens wurde der Plan einer neuen Karlsbader Conferenz zuerſt, ſchon im Auguſt 1831, von dem Grafen Maltzan, dem Geſandten in Hannover ausgeſprochen. Vom Bundestage ließ ſich ja doch nichts erwarten, wenn er nicht von außen her geſtachelt wurde; die alte Zank- und Ränkeſucht der Bundesgeſandten war eben jetzt, in Folge der braunſchweigiſchen und heſſiſchen Händel, wieder ſo üppig aufgewuchert, daß der ehrliche du Thil bei einem Beſuche in der Eſchenheimer Gaſſe ſeinen Abſcheu kaum verbergen konnte. ***) Darum hielt Maltzan für nöthig, daß die leitenden Miniſter Deutſchlands wieder wie einſt in Karlsbad unter ſich die allgemeinen Grundſätze für die inneren Angelegenheiten, wo möglich auch ein gleich- mäßiges Verwaltungsſyſtem für alle Bundesſtaaten verabreden ſollten. Bernſtorff ließ ſich durch alle dieſe reaktionären Beſtrebungen nicht in ſeinem Gleichmuth ſtören. In einem Miniſterialſchreiben vom 1. Nov. 1831 erwiderte er dem Geſandten ausführlich: an conſervativen Grundſätzen gebreche es dem Bunde wahrhaftig nicht, ſeit die Wiener Schlußakte das monarchiſche Princip ſo beſtimmt ausgeſprochen habe; was fehle ſei allein der ernſte Wille der Regierungen die vorhandenen Geſetze anzuwenden. Dieſen Willen zu kräftigen bleibe die nächſte Aufgabe. Jede Veränderung des Bundesrechts wies er ebenſo weit von ſich wie den Gedanken „einer gewaltſamen Aufhebung der durch übel berathene Fürſten ertheilten Ver- *) ſ. o. III. 10. **) Marſchall, Denkſchrift über den Unterſchied landſtändiſcher Verfaſſungen im Sinne des Art. 13 und ausländiſchen Muſtern nachgebildeter Repräſentativverfaſſungen. Dem Karlsruher Hofe mitgetheilt 12. Jan. 1832. ***) Du Thil’s Aufzeichnungen, 18. Oct. 1831.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/282>, abgerufen am 24.11.2024.