Deutschland eingeschleppt werde. Der Vorwand erschien durchsichtig ge- nug; denn der Einmarsch deutscher Bundestruppen in "das Land der Knute und der Cholera" war sicherlich das beste Mittel um die Seuche weithin über Deutschland zu verbreiten. Blittersdorff wurde zum Bericht- erstatter gewählt und fragte diesmal bei seinem Minister an. Mit Türck- heim's Genehmigung beantragte er sodann und setzte durch, daß der Bundestag nicht nur die Eingaben der Polenfreunde zurückwies, sondern auch für die Zukunft die Einsendung politischer Adressen untersagte (27. Oct.).*) Am 10. Novbr. wurden die Vorschriften des Bundes-Preß- gesetzes den Höfen nochmals nachdrücklich eingeschärft, am 19. das Straß- burger "Constitutionelle Deutschland" verboten. Der letztere Beschluß war eine wohlberechtigte Abwehr; ein Blatt, das so offen den Rheinbund und den Aufruhr verfocht, konnte dort an der Grenze nur Unheil stiften. Bei dem Allen wirkte der badische Gesandte insgeheim eifrig mit, und Türckheim bedauerte nur, daß Blittersdorff nicht reinen Mund gehalten habe, da man in München schon die Meinung des Karlsruher Hofes über das Straßburger Blatt kenne.**)
In diesen nämlichen Tagen, da Baden am Bunde die alte Karls- bader Politik unterstützte, versprach Winter dem Landtage das verlangte Preßgesetz sogleich vorzulegen. Anders wußte er sich Angesichts der Drohungen des Landtags nicht mehr zu helfen; auf die Verweigerung des Budgets, auf die Auflösung der Kammern durfte er's nicht ankommen lassen. Vorsorglich hatte Türckheim schon früher nach Wien geschrieben, das badische Preßgesetz werde jedenfalls die Rechte des Bundes und der Mitverbündeten gewissenhaft wahren.***) In der That bestimmte der den Kammern vorgelegte Gesetzentwurf, daß die Censur zwar der Regel nach hinwegfallen, doch für die Besprechung der Angelegenheiten des Deutschen Bundes oder der anderen Bundesstaaten noch fortbestehen sollte. Die Kammer aber fand in ihrem Siegesübermuthe selbst dies Zugeständniß an das Bundesrecht noch zu stark; sie fügte einen Paragraphen hinzu, kraft dessen der Herausgeber einer Zeitung, der die obige Vorschrift um- ginge und dann auf die Beschwerde des Bundes oder einer Bundesre- gierung wegen Beleidigung gerichtlich verurtheilt würde, zu der verwirkten Strafe noch eine Zusatzstrafe von 5 bis 50 Gulden tragen solle. In solcher Fassung erschien das Preßgesetz wie ein Hohn auf das Ansehen des Deutschen Bundes. Die badischen liberalen Blätter riefen schon trium- phirend: es giebt in Baden keine Censur mehr; wir unterwerfen uns keinem Censor, sondern tragen willig die kleine Zusatzstrafe falls ein Ge- richt uns wegen Schmähung des Bundestags verurtheilen sollte. Wie
**) Türckheim, Weisung an Blittersdorff, 24. Nov. 1831.
***) Türckheim, Weisung an Tettenborn, 26. Sept. 1831.
Das badiſche Preßgeſetz.
Deutſchland eingeſchleppt werde. Der Vorwand erſchien durchſichtig ge- nug; denn der Einmarſch deutſcher Bundestruppen in „das Land der Knute und der Cholera“ war ſicherlich das beſte Mittel um die Seuche weithin über Deutſchland zu verbreiten. Blittersdorff wurde zum Bericht- erſtatter gewählt und fragte diesmal bei ſeinem Miniſter an. Mit Türck- heim’s Genehmigung beantragte er ſodann und ſetzte durch, daß der Bundestag nicht nur die Eingaben der Polenfreunde zurückwies, ſondern auch für die Zukunft die Einſendung politiſcher Adreſſen unterſagte (27. Oct.).*) Am 10. Novbr. wurden die Vorſchriften des Bundes-Preß- geſetzes den Höfen nochmals nachdrücklich eingeſchärft, am 19. das Straß- burger „Conſtitutionelle Deutſchland“ verboten. Der letztere Beſchluß war eine wohlberechtigte Abwehr; ein Blatt, das ſo offen den Rheinbund und den Aufruhr verfocht, konnte dort an der Grenze nur Unheil ſtiften. Bei dem Allen wirkte der badiſche Geſandte insgeheim eifrig mit, und Türckheim bedauerte nur, daß Blittersdorff nicht reinen Mund gehalten habe, da man in München ſchon die Meinung des Karlsruher Hofes über das Straßburger Blatt kenne.**)
In dieſen nämlichen Tagen, da Baden am Bunde die alte Karls- bader Politik unterſtützte, verſprach Winter dem Landtage das verlangte Preßgeſetz ſogleich vorzulegen. Anders wußte er ſich Angeſichts der Drohungen des Landtags nicht mehr zu helfen; auf die Verweigerung des Budgets, auf die Auflöſung der Kammern durfte er’s nicht ankommen laſſen. Vorſorglich hatte Türckheim ſchon früher nach Wien geſchrieben, das badiſche Preßgeſetz werde jedenfalls die Rechte des Bundes und der Mitverbündeten gewiſſenhaft wahren.***) In der That beſtimmte der den Kammern vorgelegte Geſetzentwurf, daß die Cenſur zwar der Regel nach hinwegfallen, doch für die Beſprechung der Angelegenheiten des Deutſchen Bundes oder der anderen Bundesſtaaten noch fortbeſtehen ſollte. Die Kammer aber fand in ihrem Siegesübermuthe ſelbſt dies Zugeſtändniß an das Bundesrecht noch zu ſtark; ſie fügte einen Paragraphen hinzu, kraft deſſen der Herausgeber einer Zeitung, der die obige Vorſchrift um- ginge und dann auf die Beſchwerde des Bundes oder einer Bundesre- gierung wegen Beleidigung gerichtlich verurtheilt würde, zu der verwirkten Strafe noch eine Zuſatzſtrafe von 5 bis 50 Gulden tragen ſolle. In ſolcher Faſſung erſchien das Preßgeſetz wie ein Hohn auf das Anſehen des Deutſchen Bundes. Die badiſchen liberalen Blätter riefen ſchon trium- phirend: es giebt in Baden keine Cenſur mehr; wir unterwerfen uns keinem Cenſor, ſondern tragen willig die kleine Zuſatzſtrafe falls ein Ge- richt uns wegen Schmähung des Bundestags verurtheilen ſollte. Wie
**) Türckheim, Weiſung an Blittersdorff, 24. Nov. 1831.
***) Türckheim, Weiſung an Tettenborn, 26. Sept. 1831.
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Das badiſche Preßgeſetz.
Deutſchland eingeſchleppt werde. Der Vorwand erſchien durchſichtig ge-
nug; denn der Einmarſch deutſcher Bundestruppen in „das Land der
Knute und der Cholera“ war ſicherlich das beſte Mittel um die Seuche
weithin über Deutſchland zu verbreiten. Blittersdorff wurde zum Bericht-
erſtatter gewählt und fragte diesmal bei ſeinem Miniſter an. Mit Türck-
heim’s Genehmigung beantragte er ſodann und ſetzte durch, daß der
Bundestag nicht nur die Eingaben der Polenfreunde zurückwies, ſondern
auch für die Zukunft die Einſendung politiſcher Adreſſen unterſagte
(27. Oct.). *) Am 10. Novbr. wurden die Vorſchriften des Bundes-Preß-
geſetzes den Höfen nochmals nachdrücklich eingeſchärft, am 19. das Straß-
burger „Conſtitutionelle Deutſchland“ verboten. Der letztere Beſchluß
war eine wohlberechtigte Abwehr; ein Blatt, das ſo offen den Rheinbund
und den Aufruhr verfocht, konnte dort an der Grenze nur Unheil ſtiften.
Bei dem Allen wirkte der badiſche Geſandte insgeheim eifrig mit, und
Türckheim bedauerte nur, daß Blittersdorff nicht reinen Mund gehalten
habe, da man in München ſchon die Meinung des Karlsruher Hofes
über das Straßburger Blatt kenne. **)
In dieſen nämlichen Tagen, da Baden am Bunde die alte Karls-
bader Politik unterſtützte, verſprach Winter dem Landtage das verlangte
Preßgeſetz ſogleich vorzulegen. Anders wußte er ſich Angeſichts der
Drohungen des Landtags nicht mehr zu helfen; auf die Verweigerung des
Budgets, auf die Auflöſung der Kammern durfte er’s nicht ankommen
laſſen. Vorſorglich hatte Türckheim ſchon früher nach Wien geſchrieben,
das badiſche Preßgeſetz werde jedenfalls die Rechte des Bundes und der
Mitverbündeten gewiſſenhaft wahren. ***) In der That beſtimmte der den
Kammern vorgelegte Geſetzentwurf, daß die Cenſur zwar der Regel nach
hinwegfallen, doch für die Beſprechung der Angelegenheiten des Deutſchen
Bundes oder der anderen Bundesſtaaten noch fortbeſtehen ſollte. Die
Kammer aber fand in ihrem Siegesübermuthe ſelbſt dies Zugeſtändniß
an das Bundesrecht noch zu ſtark; ſie fügte einen Paragraphen hinzu,
kraft deſſen der Herausgeber einer Zeitung, der die obige Vorſchrift um-
ginge und dann auf die Beſchwerde des Bundes oder einer Bundesre-
gierung wegen Beleidigung gerichtlich verurtheilt würde, zu der verwirkten
Strafe noch eine Zuſatzſtrafe von 5 bis 50 Gulden tragen ſolle. In
ſolcher Faſſung erſchien das Preßgeſetz wie ein Hohn auf das Anſehen
des Deutſchen Bundes. Die badiſchen liberalen Blätter riefen ſchon trium-
phirend: es giebt in Baden keine Cenſur mehr; wir unterwerfen uns
keinem Cenſor, ſondern tragen willig die kleine Zuſatzſtrafe falls ein Ge-
richt uns wegen Schmähung des Bundestags verurtheilen ſollte. Wie
*) Blittersdorff’s Bericht, 4. Oct. Türckheim’s Weiſung, 6. Oct. 1831.
**) Türckheim, Weiſung an Blittersdorff, 24. Nov. 1831.
***) Türckheim, Weiſung an Tettenborn, 26. Sept. 1831.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/247>, abgerufen am 23.07.2024.
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