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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Militärische Verhandlungen mit Süddeutschland.
dem Zollvereine ähnlicher militärischer Bund der Kleinstaaten unter Preu-
ßens Führung hervorgehen. Ueberhaupt verbreitete sich unter den preu-
ßischen Generalen mehr und mehr die Einsicht, daß Oesterreich im deutschen
Heerwesen nicht schöpferisch und leitend wirken könne. Selbst Herzog Karl
von Mecklenburg trug kein Bedenken diesen ketzerischen Gedanken auszu-
sprechen. Doch leider bekundete sich die wackere Gesinnung der süddeutschen
Höfe vorerst nur in Worten. Sie thaten Einiges um unter den Contin-
genten Badens, Württembergs, Hessens eine annähernde Gleichheit des
Commandos und der Bewaffnung herbeizuführen; einmal versammelte sich
sogar das achte Bundesarmeecorps zu gemeinsamen Manövern bei Heil-
bronn. Indeß ließ der Zustand ihrer Truppen sehr viel zu wünschen
übrig, Dank der thörichten Knauserei der Landtage und der Kunstliebe
König Ludwigs. In Baiern hatte das Bataillon nur 60 Mann unter
der Fahne, und als der König jetzt, zum ersten male seit seiner Thron-
besteigung, eine Heerschau über die Münchener Regimenter hielt, da zählte
die gesammte Garnison nur 1200 Mann Fußvolk, 400 Pferde und 5
Batterien.*)

Unterdessen war der Wiener Hof aus seiner Trägheit erwacht. Feld-
marschallleutnant Langenau, Preußens alter Feind von Frankfurt her,
warnte dringend vor den Berliner Anschlägen. Auch fürchtete Metternich,
ohne jeden Grund, die Süddeutschen würden sich über ein Neutralitäts-
bündniß verständigen; wirkte doch der württembergische General Bangold,
ein in der Hofburg sehr übel verrufener Liberaler, bei den Verhandlungen
mit, und an allen kleinen Höfen entfalteten die Gesandten Ludwig Phi-
lipp's eine verdächtige Geschäftigkeit.**) Erst die Eifersucht auf Preußens
Erfolge bewog die österreichischen Unterhändler, endlich gegen General
Röder mit eigenen Vorschlägen herauszurücken. Auf den einen Bundes-
feldherrn wagten sie kaum noch zu hoffen, da Erzherzog Karl sich nicht
geneigt zeigte, dies dornige Amt unter den mißtrauischen Augen seines
Bruders zu führen. Dafür verlangten sie die Bildung zweier Heere:
alle süddeutschen Truppen unter Oesterreichs Führung, alle norddeutschen
unter Preußen. Welch ein Wandel der Machtverhältnisse! Diese Zwei-
theilung des Bundesheeres war von Preußen während der letzten Jahre
immer als das höchste vielleicht erreichbare Ziel erstrebt, von Oesterreich
stets bekämpft worden, und nun brachte die Hofburg den Gedanken des
militärischen Dualismus selber ihrem Nebenbuhler entgegen. In Berlin
flogen aber die Gedanken jetzt schon höher; man wußte, wie wenig Oester-
reich für diesen Bundeskrieg leisten konnte, und verlangte für Preußen
die thatsächliche Leitung aller kleinen Contingente.

So rückten die Verhandlungen in Wien nicht von der Stelle. Die

*) Küster's Bericht, 26. Juni 1831.
**) Maltzahn's Bericht, 6. Mai 1831.

Militäriſche Verhandlungen mit Süddeutſchland.
dem Zollvereine ähnlicher militäriſcher Bund der Kleinſtaaten unter Preu-
ßens Führung hervorgehen. Ueberhaupt verbreitete ſich unter den preu-
ßiſchen Generalen mehr und mehr die Einſicht, daß Oeſterreich im deutſchen
Heerweſen nicht ſchöpferiſch und leitend wirken könne. Selbſt Herzog Karl
von Mecklenburg trug kein Bedenken dieſen ketzeriſchen Gedanken auszu-
ſprechen. Doch leider bekundete ſich die wackere Geſinnung der ſüddeutſchen
Höfe vorerſt nur in Worten. Sie thaten Einiges um unter den Contin-
genten Badens, Württembergs, Heſſens eine annähernde Gleichheit des
Commandos und der Bewaffnung herbeizuführen; einmal verſammelte ſich
ſogar das achte Bundesarmeecorps zu gemeinſamen Manövern bei Heil-
bronn. Indeß ließ der Zuſtand ihrer Truppen ſehr viel zu wünſchen
übrig, Dank der thörichten Knauſerei der Landtage und der Kunſtliebe
König Ludwigs. In Baiern hatte das Bataillon nur 60 Mann unter
der Fahne, und als der König jetzt, zum erſten male ſeit ſeiner Thron-
beſteigung, eine Heerſchau über die Münchener Regimenter hielt, da zählte
die geſammte Garniſon nur 1200 Mann Fußvolk, 400 Pferde und 5
Batterien.*)

Unterdeſſen war der Wiener Hof aus ſeiner Trägheit erwacht. Feld-
marſchallleutnant Langenau, Preußens alter Feind von Frankfurt her,
warnte dringend vor den Berliner Anſchlägen. Auch fürchtete Metternich,
ohne jeden Grund, die Süddeutſchen würden ſich über ein Neutralitäts-
bündniß verſtändigen; wirkte doch der württembergiſche General Bangold,
ein in der Hofburg ſehr übel verrufener Liberaler, bei den Verhandlungen
mit, und an allen kleinen Höfen entfalteten die Geſandten Ludwig Phi-
lipp’s eine verdächtige Geſchäftigkeit.**) Erſt die Eiferſucht auf Preußens
Erfolge bewog die öſterreichiſchen Unterhändler, endlich gegen General
Röder mit eigenen Vorſchlägen herauszurücken. Auf den einen Bundes-
feldherrn wagten ſie kaum noch zu hoffen, da Erzherzog Karl ſich nicht
geneigt zeigte, dies dornige Amt unter den mißtrauiſchen Augen ſeines
Bruders zu führen. Dafür verlangten ſie die Bildung zweier Heere:
alle ſüddeutſchen Truppen unter Oeſterreichs Führung, alle norddeutſchen
unter Preußen. Welch ein Wandel der Machtverhältniſſe! Dieſe Zwei-
theilung des Bundesheeres war von Preußen während der letzten Jahre
immer als das höchſte vielleicht erreichbare Ziel erſtrebt, von Oeſterreich
ſtets bekämpft worden, und nun brachte die Hofburg den Gedanken des
militäriſchen Dualismus ſelber ihrem Nebenbuhler entgegen. In Berlin
flogen aber die Gedanken jetzt ſchon höher; man wußte, wie wenig Oeſter-
reich für dieſen Bundeskrieg leiſten konnte, und verlangte für Preußen
die thatſächliche Leitung aller kleinen Contingente.

So rückten die Verhandlungen in Wien nicht von der Stelle. Die

*) Küſter’s Bericht, 26. Juni 1831.
**) Maltzahn’s Bericht, 6. Mai 1831.
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[217/0231] Militäriſche Verhandlungen mit Süddeutſchland. dem Zollvereine ähnlicher militäriſcher Bund der Kleinſtaaten unter Preu- ßens Führung hervorgehen. Ueberhaupt verbreitete ſich unter den preu- ßiſchen Generalen mehr und mehr die Einſicht, daß Oeſterreich im deutſchen Heerweſen nicht ſchöpferiſch und leitend wirken könne. Selbſt Herzog Karl von Mecklenburg trug kein Bedenken dieſen ketzeriſchen Gedanken auszu- ſprechen. Doch leider bekundete ſich die wackere Geſinnung der ſüddeutſchen Höfe vorerſt nur in Worten. Sie thaten Einiges um unter den Contin- genten Badens, Württembergs, Heſſens eine annähernde Gleichheit des Commandos und der Bewaffnung herbeizuführen; einmal verſammelte ſich ſogar das achte Bundesarmeecorps zu gemeinſamen Manövern bei Heil- bronn. Indeß ließ der Zuſtand ihrer Truppen ſehr viel zu wünſchen übrig, Dank der thörichten Knauſerei der Landtage und der Kunſtliebe König Ludwigs. In Baiern hatte das Bataillon nur 60 Mann unter der Fahne, und als der König jetzt, zum erſten male ſeit ſeiner Thron- beſteigung, eine Heerſchau über die Münchener Regimenter hielt, da zählte die geſammte Garniſon nur 1200 Mann Fußvolk, 400 Pferde und 5 Batterien. *) Unterdeſſen war der Wiener Hof aus ſeiner Trägheit erwacht. Feld- marſchallleutnant Langenau, Preußens alter Feind von Frankfurt her, warnte dringend vor den Berliner Anſchlägen. Auch fürchtete Metternich, ohne jeden Grund, die Süddeutſchen würden ſich über ein Neutralitäts- bündniß verſtändigen; wirkte doch der württembergiſche General Bangold, ein in der Hofburg ſehr übel verrufener Liberaler, bei den Verhandlungen mit, und an allen kleinen Höfen entfalteten die Geſandten Ludwig Phi- lipp’s eine verdächtige Geſchäftigkeit. **) Erſt die Eiferſucht auf Preußens Erfolge bewog die öſterreichiſchen Unterhändler, endlich gegen General Röder mit eigenen Vorſchlägen herauszurücken. Auf den einen Bundes- feldherrn wagten ſie kaum noch zu hoffen, da Erzherzog Karl ſich nicht geneigt zeigte, dies dornige Amt unter den mißtrauiſchen Augen ſeines Bruders zu führen. Dafür verlangten ſie die Bildung zweier Heere: alle ſüddeutſchen Truppen unter Oeſterreichs Führung, alle norddeutſchen unter Preußen. Welch ein Wandel der Machtverhältniſſe! Dieſe Zwei- theilung des Bundesheeres war von Preußen während der letzten Jahre immer als das höchſte vielleicht erreichbare Ziel erſtrebt, von Oeſterreich ſtets bekämpft worden, und nun brachte die Hofburg den Gedanken des militäriſchen Dualismus ſelber ihrem Nebenbuhler entgegen. In Berlin flogen aber die Gedanken jetzt ſchon höher; man wußte, wie wenig Oeſter- reich für dieſen Bundeskrieg leiſten konnte, und verlangte für Preußen die thatſächliche Leitung aller kleinen Contingente. So rückten die Verhandlungen in Wien nicht von der Stelle. Die *) Küſter’s Bericht, 26. Juni 1831. **) Maltzahn’s Bericht, 6. Mai 1831.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/231>, abgerufen am 28.04.2024.