Herz; er pfeift, er singt, er spielt in den Mißtönen aller Nachbarvölker; er schwatzt, redet und schreibt, wie die Sachwalter seiner Erbfeinde; er glaubt das Grüne vom Himmel, das Blaue von der Erde was die Ein- gelogensten der Wälschen, Walen, Wenden und Irren ihm weis machen." Dann schilderte der Alte anschaulich den Unfug der anonymen Zeitungs- schreiber, "das beschreibfederte Zwerggesindel, was überall Klatschbuden auf- schlägt und auf dem Trödelmarkte schmutzige Lumpen feil bietet. Mit lau- tem Geschrei bekennt sich diese namenlose Schreiberschaft zur Oeffentlichkeit und Preßfreiheit und spielt heimlich und unvermerkt ein falsch Wort nach dem andern -- diese Hinz-Hunze, so das Kneipviehtolle für Laune, Ge- läpsche für Witz, Flegelgeklappe für Jugendfrische und tappisches Hinein- plumzen für feine Redeblumen halten." Mit Stolz hielt er endlich diesem fremdbrüderlichen Wesen der kleinen Nachbarländer sein Preußen entgegen, dessen Krone "nicht den Beherrscher allein, auch die Beherrschten zum Volke gekrönt hat."
Bei solcher Macht der antirevolutionären Gesinnungen konnte es nicht ausbleiben, daß die einzige geschlossene Partei, die in Preußen be- stand, die feudale, sich endlich ein literarisches Organ für ihre Bestrebungen schuf. Der Kampf war geboten, so gestand Heinrich Leo, "seit das Jahr 1830 grimmen Ernst gemacht." In dem Kreise der Gebrüder Gerlach wurde der Plan zu dem Berliner Politischen Wochenblatt entworfen; dort in der Wilhelmsstraße glänzte jetzt der aus Hessen geflüchtete, mit dem Kronprinzen eng befreundete Major Radowitz durch seine unversieg- liche lehrhafte Beredsamkeit. Die Herausgabe übernahm C. E. Jarcke, jener junge Jurist, der unlängst in Bonn zur katholischen Kirche über- getreten war*) und soeben in einer hoch legitimistischen Schrift über "die französische Revolution von 1830" sein ungewöhnliches politisches Talent bewährt hatte. Auch er war Burschenschafter, wie Leo und Hengsten- berg, und keiner von den Dreien hat je zugeben wollen, daß er von den romantischen Idealen seiner Jugend abgefallen sei. Das Blatt führte zum Motto jenen schillernden Satz de Maistre's, der dem Kron- prinzen so wohl gefiel: nous ne voulons pas la contre-revolution, mais le contraire de la revolution, und sollte allen antirevolutionären Par- teien zum Sammelplatze dienen. In Wahrheit war hier nur die aller- strengste Hallersche Schule vertreten. Der Restaurator der Staatswissen- schaft sah jetzt erst seine Saat in Halme schießen und gewann durch dies Blatt, das er selbst häufig mit Beiträgen beschenkte, großen Einfluß auf die Berliner Hofgesellschaft. Er bearbeitete zur Zeit einen neuen Band seines Hauptwerkes, über die Priesterstaaten, mit großer Sachkenntniß, aber auch mit parteiischer Vorliebe; er bewies darin, daß die dumpfste und unfreieste aller Verfassungen, die Theokratie in Wahrheit "der
*) s. o. III. 211.
Arndt und Jahn. Berliner Wochenblatt.
Herz; er pfeift, er ſingt, er ſpielt in den Mißtönen aller Nachbarvölker; er ſchwatzt, redet und ſchreibt, wie die Sachwalter ſeiner Erbfeinde; er glaubt das Grüne vom Himmel, das Blaue von der Erde was die Ein- gelogenſten der Wälſchen, Walen, Wenden und Irren ihm weis machen.“ Dann ſchilderte der Alte anſchaulich den Unfug der anonymen Zeitungs- ſchreiber, „das beſchreibfederte Zwerggeſindel, was überall Klatſchbuden auf- ſchlägt und auf dem Trödelmarkte ſchmutzige Lumpen feil bietet. Mit lau- tem Geſchrei bekennt ſich dieſe namenloſe Schreiberſchaft zur Oeffentlichkeit und Preßfreiheit und ſpielt heimlich und unvermerkt ein falſch Wort nach dem andern — dieſe Hinz-Hunze, ſo das Kneipviehtolle für Laune, Ge- läpſche für Witz, Flegelgeklappe für Jugendfriſche und tappiſches Hinein- plumzen für feine Redeblumen halten.“ Mit Stolz hielt er endlich dieſem fremdbrüderlichen Weſen der kleinen Nachbarländer ſein Preußen entgegen, deſſen Krone „nicht den Beherrſcher allein, auch die Beherrſchten zum Volke gekrönt hat.“
Bei ſolcher Macht der antirevolutionären Geſinnungen konnte es nicht ausbleiben, daß die einzige geſchloſſene Partei, die in Preußen be- ſtand, die feudale, ſich endlich ein literariſches Organ für ihre Beſtrebungen ſchuf. Der Kampf war geboten, ſo geſtand Heinrich Leo, „ſeit das Jahr 1830 grimmen Ernſt gemacht.“ In dem Kreiſe der Gebrüder Gerlach wurde der Plan zu dem Berliner Politiſchen Wochenblatt entworfen; dort in der Wilhelmsſtraße glänzte jetzt der aus Heſſen geflüchtete, mit dem Kronprinzen eng befreundete Major Radowitz durch ſeine unverſieg- liche lehrhafte Beredſamkeit. Die Herausgabe übernahm C. E. Jarcke, jener junge Juriſt, der unlängſt in Bonn zur katholiſchen Kirche über- getreten war*) und ſoeben in einer hoch legitimiſtiſchen Schrift über „die franzöſiſche Revolution von 1830“ ſein ungewöhnliches politiſches Talent bewährt hatte. Auch er war Burſchenſchafter, wie Leo und Hengſten- berg, und keiner von den Dreien hat je zugeben wollen, daß er von den romantiſchen Idealen ſeiner Jugend abgefallen ſei. Das Blatt führte zum Motto jenen ſchillernden Satz de Maiſtre’s, der dem Kron- prinzen ſo wohl gefiel: nous ne voulons pas la contre-révolution, mais le contraire de la révolution, und ſollte allen antirevolutionären Par- teien zum Sammelplatze dienen. In Wahrheit war hier nur die aller- ſtrengſte Hallerſche Schule vertreten. Der Reſtaurator der Staatswiſſen- ſchaft ſah jetzt erſt ſeine Saat in Halme ſchießen und gewann durch dies Blatt, das er ſelbſt häufig mit Beiträgen beſchenkte, großen Einfluß auf die Berliner Hofgeſellſchaft. Er bearbeitete zur Zeit einen neuen Band ſeines Hauptwerkes, über die Prieſterſtaaten, mit großer Sachkenntniß, aber auch mit parteiiſcher Vorliebe; er bewies darin, daß die dumpfſte und unfreieſte aller Verfaſſungen, die Theokratie in Wahrheit „der
*) ſ. o. III. 211.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0217"n="203"/><fwplace="top"type="header">Arndt und Jahn. Berliner Wochenblatt.</fw><lb/>
Herz; er pfeift, er ſingt, er ſpielt in den Mißtönen aller Nachbarvölker;<lb/>
er ſchwatzt, redet und ſchreibt, wie die Sachwalter ſeiner Erbfeinde; er<lb/>
glaubt das Grüne vom Himmel, das Blaue von der Erde was die Ein-<lb/>
gelogenſten der Wälſchen, Walen, Wenden und Irren ihm weis machen.“<lb/>
Dann ſchilderte der Alte anſchaulich den Unfug der anonymen Zeitungs-<lb/>ſchreiber, „das beſchreibfederte Zwerggeſindel, was überall Klatſchbuden auf-<lb/>ſchlägt und auf dem Trödelmarkte ſchmutzige Lumpen feil bietet. Mit lau-<lb/>
tem Geſchrei bekennt ſich dieſe namenloſe Schreiberſchaft zur Oeffentlichkeit<lb/>
und Preßfreiheit und ſpielt heimlich und unvermerkt ein falſch Wort nach<lb/>
dem andern — dieſe Hinz-Hunze, ſo das Kneipviehtolle für Laune, Ge-<lb/>
läpſche für Witz, Flegelgeklappe für Jugendfriſche und tappiſches Hinein-<lb/>
plumzen für feine Redeblumen halten.“ Mit Stolz hielt er endlich<lb/>
dieſem fremdbrüderlichen Weſen der kleinen Nachbarländer ſein Preußen<lb/>
entgegen, deſſen Krone „nicht den Beherrſcher allein, auch die Beherrſchten<lb/>
zum Volke gekrönt hat.“</p><lb/><p>Bei ſolcher Macht der antirevolutionären Geſinnungen konnte es<lb/>
nicht ausbleiben, daß die einzige geſchloſſene Partei, die in Preußen be-<lb/>ſtand, die feudale, ſich endlich ein literariſches Organ für ihre Beſtrebungen<lb/>ſchuf. Der Kampf war geboten, ſo geſtand Heinrich Leo, „ſeit das Jahr<lb/>
1830 grimmen Ernſt gemacht.“ In dem Kreiſe der Gebrüder Gerlach<lb/>
wurde der Plan zu dem Berliner Politiſchen Wochenblatt entworfen;<lb/>
dort in der Wilhelmsſtraße glänzte jetzt der aus Heſſen geflüchtete, mit<lb/>
dem Kronprinzen eng befreundete Major Radowitz durch ſeine unverſieg-<lb/>
liche lehrhafte Beredſamkeit. Die Herausgabe übernahm C. E. Jarcke,<lb/>
jener junge Juriſt, der unlängſt in Bonn zur katholiſchen Kirche über-<lb/>
getreten war<noteplace="foot"n="*)">ſ. o. <hirendition="#aq">III.</hi> 211.</note> und ſoeben in einer hoch legitimiſtiſchen Schrift über „die<lb/>
franzöſiſche Revolution von 1830“ſein ungewöhnliches politiſches Talent<lb/>
bewährt hatte. Auch er war Burſchenſchafter, wie Leo und Hengſten-<lb/>
berg, und keiner von den Dreien hat je zugeben wollen, daß er von<lb/>
den romantiſchen Idealen ſeiner Jugend abgefallen ſei. Das Blatt<lb/>
führte zum Motto jenen ſchillernden Satz de Maiſtre’s, der dem Kron-<lb/>
prinzen ſo wohl gefiel: <hirendition="#aq">nous ne voulons pas la contre-révolution, mais<lb/>
le contraire de la révolution,</hi> und ſollte allen antirevolutionären Par-<lb/>
teien zum Sammelplatze dienen. In Wahrheit war hier nur die aller-<lb/>ſtrengſte Hallerſche Schule vertreten. Der Reſtaurator der Staatswiſſen-<lb/>ſchaft ſah jetzt erſt ſeine Saat in Halme ſchießen und gewann durch dies<lb/>
Blatt, das er ſelbſt häufig mit Beiträgen beſchenkte, großen Einfluß auf<lb/>
die Berliner Hofgeſellſchaft. Er bearbeitete zur Zeit einen neuen Band<lb/>ſeines Hauptwerkes, über die Prieſterſtaaten, mit großer Sachkenntniß,<lb/>
aber auch mit parteiiſcher Vorliebe; er bewies darin, daß die dumpfſte<lb/>
und unfreieſte aller Verfaſſungen, die Theokratie in Wahrheit „der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[203/0217]
Arndt und Jahn. Berliner Wochenblatt.
Herz; er pfeift, er ſingt, er ſpielt in den Mißtönen aller Nachbarvölker;
er ſchwatzt, redet und ſchreibt, wie die Sachwalter ſeiner Erbfeinde; er
glaubt das Grüne vom Himmel, das Blaue von der Erde was die Ein-
gelogenſten der Wälſchen, Walen, Wenden und Irren ihm weis machen.“
Dann ſchilderte der Alte anſchaulich den Unfug der anonymen Zeitungs-
ſchreiber, „das beſchreibfederte Zwerggeſindel, was überall Klatſchbuden auf-
ſchlägt und auf dem Trödelmarkte ſchmutzige Lumpen feil bietet. Mit lau-
tem Geſchrei bekennt ſich dieſe namenloſe Schreiberſchaft zur Oeffentlichkeit
und Preßfreiheit und ſpielt heimlich und unvermerkt ein falſch Wort nach
dem andern — dieſe Hinz-Hunze, ſo das Kneipviehtolle für Laune, Ge-
läpſche für Witz, Flegelgeklappe für Jugendfriſche und tappiſches Hinein-
plumzen für feine Redeblumen halten.“ Mit Stolz hielt er endlich
dieſem fremdbrüderlichen Weſen der kleinen Nachbarländer ſein Preußen
entgegen, deſſen Krone „nicht den Beherrſcher allein, auch die Beherrſchten
zum Volke gekrönt hat.“
Bei ſolcher Macht der antirevolutionären Geſinnungen konnte es
nicht ausbleiben, daß die einzige geſchloſſene Partei, die in Preußen be-
ſtand, die feudale, ſich endlich ein literariſches Organ für ihre Beſtrebungen
ſchuf. Der Kampf war geboten, ſo geſtand Heinrich Leo, „ſeit das Jahr
1830 grimmen Ernſt gemacht.“ In dem Kreiſe der Gebrüder Gerlach
wurde der Plan zu dem Berliner Politiſchen Wochenblatt entworfen;
dort in der Wilhelmsſtraße glänzte jetzt der aus Heſſen geflüchtete, mit
dem Kronprinzen eng befreundete Major Radowitz durch ſeine unverſieg-
liche lehrhafte Beredſamkeit. Die Herausgabe übernahm C. E. Jarcke,
jener junge Juriſt, der unlängſt in Bonn zur katholiſchen Kirche über-
getreten war *) und ſoeben in einer hoch legitimiſtiſchen Schrift über „die
franzöſiſche Revolution von 1830“ ſein ungewöhnliches politiſches Talent
bewährt hatte. Auch er war Burſchenſchafter, wie Leo und Hengſten-
berg, und keiner von den Dreien hat je zugeben wollen, daß er von
den romantiſchen Idealen ſeiner Jugend abgefallen ſei. Das Blatt
führte zum Motto jenen ſchillernden Satz de Maiſtre’s, der dem Kron-
prinzen ſo wohl gefiel: nous ne voulons pas la contre-révolution, mais
le contraire de la révolution, und ſollte allen antirevolutionären Par-
teien zum Sammelplatze dienen. In Wahrheit war hier nur die aller-
ſtrengſte Hallerſche Schule vertreten. Der Reſtaurator der Staatswiſſen-
ſchaft ſah jetzt erſt ſeine Saat in Halme ſchießen und gewann durch dies
Blatt, das er ſelbſt häufig mit Beiträgen beſchenkte, großen Einfluß auf
die Berliner Hofgeſellſchaft. Er bearbeitete zur Zeit einen neuen Band
ſeines Hauptwerkes, über die Prieſterſtaaten, mit großer Sachkenntniß,
aber auch mit parteiiſcher Vorliebe; er bewies darin, daß die dumpfſte
und unfreieſte aller Verfaſſungen, die Theokratie in Wahrheit „der
*) ſ. o. III. 211.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/217>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.