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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Ernst August von Cumberland.
daß man an dem Bestehenden nichts ändern dürfe; darum wünschte er
die Aufrechterhaltung der alten Provinzialstände. Sobald im Jahre 1814
die allgemeine Ständeversammlung berufen wurde, erklärte er sich da-
wider in einer Denkschrift an den Prinzregenten, aber ganz in der
Stille, so daß selbst sein Bruder Clarence, der spätere König Wilhelm,
kein Wort davon erfuhr; auch gegen die zweite Verfassungsänderung vom
Jahre 1819 erhob er Einspruch bei dem Prinzregenten, aber nur mündlich
und wieder insgeheim.*) Beide Verwahrungen blieben unbeachtet. Man
sah auch stillschweigend darüber hinweg, daß der Herzog jeden amtlichen
Verkehr mit dem Allgemeinen Landtage vermied und der Ständeversamm-
lung, als sie sich im Jahre 1822 ihm vorstellen wollte, kurzweg erwidern
ließ: er könne nur die einzelnen Mitglieder als Privatleute empfangen.

Als nun der Entwurf des Staatsgrundgesetzes vorlag, hielt der ge-
wissenhafte König für nöthig, die Meinung des Thronfolgers einzuholen,
obgleich er dem Herzog wenig traute und ihm deshalb auch bei der Be-
setzung der Stelle des Vicekönigs den jüngeren Bruder Cambridge vor-
gezogen hatte. Schon im October 1831 ließ er ihm durch Ompteda und
Cabinetsrath Falcke den Verfassungsplan mittheilen, der bereits den Vor-
schlag der Kassenvereinigung enthielt, und war freudig überrascht, als
Cumberland dafür in einem überaus verbindlichen Briefe dankte. "Ich
kann nicht genug meine vollkommene Befriedigung in aller und jeder Be-
ziehung erklären" -- so schrieb Ernst August am 31. October und pries
den Edelmuth und die Uneigennützigkeit des Königs, der also bewiesen habe,
"daß Ihr einziger Zweck ist, die Finanzen des Landes Hannover auf einen
solchen Fuß zu setzen, daß Ihre Nachfolger keine Schwierigkeiten haben
sollen." Nur gegen drei Bestimmungen erhob er Einwände. Zunächst gegen
die Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen, die selbst König Ludwig von
Baiern für gefährlich halte. Sodann wider die Tagegelder der Abgeord-
neten; doch hier, meinte er in seiner rohen Weise, sei vielleicht eine kluge
Nachgiebigkeit möglich: "dann werden die Kosten wenigstens auf das Land
fallen und nicht auf den Souverän; und mit solchen Einschränkungen,
daß die Stände das Geschäft nicht hinausziehen können um desto länger
bezahlt zu werden." Zum Dritten fand er es bedenklich, daß die beur-
laubten Soldaten unter der bürgerlichen Obrigkeit stehen sollten -- eine
Frage, die in dem Entwurfe unmittelbar gar nicht berührt war. Ganz
in demselben Sinne hatte er Tags vorher an den Herzog von Cambridge
geschrieben und inbrünstig versichert: der Plan "macht Beiden, dem
Könige und der Regierung, die höchste Ehre. Des Königs Kopf und Herz
haben bei dieser Gelegenheit geglänzt."**)

Der gute König war seelenfroh, er dachte ja selbst keineswegs liberal,

*) Näheres in Beilage 18.
**) Cumberland an Cambridge, 30. Oct., an König Wilhelm, 31. Oct. 1831.

Ernſt Auguſt von Cumberland.
daß man an dem Beſtehenden nichts ändern dürfe; darum wünſchte er
die Aufrechterhaltung der alten Provinzialſtände. Sobald im Jahre 1814
die allgemeine Ständeverſammlung berufen wurde, erklärte er ſich da-
wider in einer Denkſchrift an den Prinzregenten, aber ganz in der
Stille, ſo daß ſelbſt ſein Bruder Clarence, der ſpätere König Wilhelm,
kein Wort davon erfuhr; auch gegen die zweite Verfaſſungsänderung vom
Jahre 1819 erhob er Einſpruch bei dem Prinzregenten, aber nur mündlich
und wieder insgeheim.*) Beide Verwahrungen blieben unbeachtet. Man
ſah auch ſtillſchweigend darüber hinweg, daß der Herzog jeden amtlichen
Verkehr mit dem Allgemeinen Landtage vermied und der Ständeverſamm-
lung, als ſie ſich im Jahre 1822 ihm vorſtellen wollte, kurzweg erwidern
ließ: er könne nur die einzelnen Mitglieder als Privatleute empfangen.

Als nun der Entwurf des Staatsgrundgeſetzes vorlag, hielt der ge-
wiſſenhafte König für nöthig, die Meinung des Thronfolgers einzuholen,
obgleich er dem Herzog wenig traute und ihm deshalb auch bei der Be-
ſetzung der Stelle des Vicekönigs den jüngeren Bruder Cambridge vor-
gezogen hatte. Schon im October 1831 ließ er ihm durch Ompteda und
Cabinetsrath Falcke den Verfaſſungsplan mittheilen, der bereits den Vor-
ſchlag der Kaſſenvereinigung enthielt, und war freudig überraſcht, als
Cumberland dafür in einem überaus verbindlichen Briefe dankte. „Ich
kann nicht genug meine vollkommene Befriedigung in aller und jeder Be-
ziehung erklären“ — ſo ſchrieb Ernſt Auguſt am 31. October und pries
den Edelmuth und die Uneigennützigkeit des Königs, der alſo bewieſen habe,
„daß Ihr einziger Zweck iſt, die Finanzen des Landes Hannover auf einen
ſolchen Fuß zu ſetzen, daß Ihre Nachfolger keine Schwierigkeiten haben
ſollen.“ Nur gegen drei Beſtimmungen erhob er Einwände. Zunächſt gegen
die Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen, die ſelbſt König Ludwig von
Baiern für gefährlich halte. Sodann wider die Tagegelder der Abgeord-
neten; doch hier, meinte er in ſeiner rohen Weiſe, ſei vielleicht eine kluge
Nachgiebigkeit möglich: „dann werden die Koſten wenigſtens auf das Land
fallen und nicht auf den Souverän; und mit ſolchen Einſchränkungen,
daß die Stände das Geſchäft nicht hinausziehen können um deſto länger
bezahlt zu werden.“ Zum Dritten fand er es bedenklich, daß die beur-
laubten Soldaten unter der bürgerlichen Obrigkeit ſtehen ſollten — eine
Frage, die in dem Entwurfe unmittelbar gar nicht berührt war. Ganz
in demſelben Sinne hatte er Tags vorher an den Herzog von Cambridge
geſchrieben und inbrünſtig verſichert: der Plan „macht Beiden, dem
Könige und der Regierung, die höchſte Ehre. Des Königs Kopf und Herz
haben bei dieſer Gelegenheit geglänzt.“**)

Der gute König war ſeelenfroh, er dachte ja ſelbſt keineswegs liberal,

*) Näheres in Beilage 18.
**) Cumberland an Cambridge, 30. Oct., an König Wilhelm, 31. Oct. 1831.
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[165/0179] Ernſt Auguſt von Cumberland. daß man an dem Beſtehenden nichts ändern dürfe; darum wünſchte er die Aufrechterhaltung der alten Provinzialſtände. Sobald im Jahre 1814 die allgemeine Ständeverſammlung berufen wurde, erklärte er ſich da- wider in einer Denkſchrift an den Prinzregenten, aber ganz in der Stille, ſo daß ſelbſt ſein Bruder Clarence, der ſpätere König Wilhelm, kein Wort davon erfuhr; auch gegen die zweite Verfaſſungsänderung vom Jahre 1819 erhob er Einſpruch bei dem Prinzregenten, aber nur mündlich und wieder insgeheim. *) Beide Verwahrungen blieben unbeachtet. Man ſah auch ſtillſchweigend darüber hinweg, daß der Herzog jeden amtlichen Verkehr mit dem Allgemeinen Landtage vermied und der Ständeverſamm- lung, als ſie ſich im Jahre 1822 ihm vorſtellen wollte, kurzweg erwidern ließ: er könne nur die einzelnen Mitglieder als Privatleute empfangen. Als nun der Entwurf des Staatsgrundgeſetzes vorlag, hielt der ge- wiſſenhafte König für nöthig, die Meinung des Thronfolgers einzuholen, obgleich er dem Herzog wenig traute und ihm deshalb auch bei der Be- ſetzung der Stelle des Vicekönigs den jüngeren Bruder Cambridge vor- gezogen hatte. Schon im October 1831 ließ er ihm durch Ompteda und Cabinetsrath Falcke den Verfaſſungsplan mittheilen, der bereits den Vor- ſchlag der Kaſſenvereinigung enthielt, und war freudig überraſcht, als Cumberland dafür in einem überaus verbindlichen Briefe dankte. „Ich kann nicht genug meine vollkommene Befriedigung in aller und jeder Be- ziehung erklären“ — ſo ſchrieb Ernſt Auguſt am 31. October und pries den Edelmuth und die Uneigennützigkeit des Königs, der alſo bewieſen habe, „daß Ihr einziger Zweck iſt, die Finanzen des Landes Hannover auf einen ſolchen Fuß zu ſetzen, daß Ihre Nachfolger keine Schwierigkeiten haben ſollen.“ Nur gegen drei Beſtimmungen erhob er Einwände. Zunächſt gegen die Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen, die ſelbſt König Ludwig von Baiern für gefährlich halte. Sodann wider die Tagegelder der Abgeord- neten; doch hier, meinte er in ſeiner rohen Weiſe, ſei vielleicht eine kluge Nachgiebigkeit möglich: „dann werden die Koſten wenigſtens auf das Land fallen und nicht auf den Souverän; und mit ſolchen Einſchränkungen, daß die Stände das Geſchäft nicht hinausziehen können um deſto länger bezahlt zu werden.“ Zum Dritten fand er es bedenklich, daß die beur- laubten Soldaten unter der bürgerlichen Obrigkeit ſtehen ſollten — eine Frage, die in dem Entwurfe unmittelbar gar nicht berührt war. Ganz in demſelben Sinne hatte er Tags vorher an den Herzog von Cambridge geſchrieben und inbrünſtig verſichert: der Plan „macht Beiden, dem Könige und der Regierung, die höchſte Ehre. Des Königs Kopf und Herz haben bei dieſer Gelegenheit geglänzt.“ **) Der gute König war ſeelenfroh, er dachte ja ſelbſt keineswegs liberal, *) Näheres in Beilage 18. **) Cumberland an Cambridge, 30. Oct., an König Wilhelm, 31. Oct. 1831.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/179>, abgerufen am 05.12.2024.