am Hofe sich herstellen. König Friedrich Wilhelm gab seiner Schwester auch ausdrücklich Vollmacht, sich mit der Gräfin Schaumburg zu verständigen.*) Die unglückliche Fürstin aber hatte unter dem hessischen Dirnenregiment zu schwer gelitten, sie konnte den Widerwillen der Frau, den Stolz der Hohenzollerin nicht überwinden, und da ihr Sohn sich durch trotzige Roheit rächte, so blieb es dabei, daß dies Fürstenhaus keine allgemein anerkannte Herrin besaß.
Die ersten Wochen der neuen Regierung verliefen leidlich. Wiederhold übernahm die Leitung des Ministeriums und kam dem Landtage so weit entgegen, daß er sogar in die Entlassung des halb-schuldigen Kriegsministers willigte. Durch solche Nachgiebigkeit wurde freilich das Selbstgefühl der Stände bedenklich gesteigert. Erstaunlich, was sie jetzt Alles aus dem Geiste ihrer Verfassung heraus zu folgern wußten. Als der Kurprinz einmal einige Abgeordnete während einer Sitzung zur Tafel befohlen hatte, beantragte Jordan, die verantwortlichen Minister sollten das Hofmarschallamt ersuchen solche Einladungen zu unterlassen, denn der Regent sei nicht berechtigt die Vertreter des Volks ihren Geschäften zu entziehen. Bald führte das Zerwürfniß im Kurhause zu neuen Ruhestörungen. Ergrimmt über die geringschätzige Behandlung seiner Gemahlin ließ der Kurprinz seiner Mutter ihre Loge im Theater verschließen; am nächsten Tage nahm er den Befehl zurück da er die allgemeine Entrüstung bemerkte. Als nun die Kurfürstin am 7. December im Theater erschien, begrüßten sie die Zuschauer mit Hochrufen auf "unsere rechtmäßige Landesmutter". Draußen strömte das Volk zusammen, man wollte die Kurfürstin mit Fackeln nach Hause ge- leiten. Da eilten Truppen herbei, der Polizeidirektor verkündete den Kriegszustand, obwohl ernste Unordnungen diesmal nicht vorgekommen waren; die Garde du Corps sprengte in den Haufen ein und verwundete mehr als zwanzig Leute. Währenddem ging der Kurprinz auf dem Fried- richsplatze unter den Soldaten umher und rühmte sich nach vollbrachter That, nun habe er sich endlich Respekt verschafft.
Nach wenigen Tagen verlor er wieder den Muth, da Hänlein ihm ins Gewissen redete, ordnete eine Untersuchung an und bedauerte in einer Bekanntmachung, daß "im nächtlichen Dunkel Unfälle geschehen seien". Die Bürger bezeigten ihren Zorn durch widerwärtige Händel mit den Truppen. Der Verfassungsfreund schrieb, da der Kurprinz nur Uniform trug: ein Fürst der immer im Soldatenkleide erscheint, beweist damit, daß er das Oberhaupt nicht des Staates, sondern des Militärs sein will. Am Sylvesterabend wurde Jordan, zu seinem Namenstage, mit überschwäng- lichen Huldigungen geehrt; bald darauf hielten die Abgeordneten der beiden Hessen in Gießen ein feierliches Eintrachtsmahl, tranken mit einander auf die gemeinsame Freiheit, und jeder Theilnehmer erhielt zum Andenken einen
am Hofe ſich herſtellen. König Friedrich Wilhelm gab ſeiner Schweſter auch ausdrücklich Vollmacht, ſich mit der Gräfin Schaumburg zu verſtändigen.*) Die unglückliche Fürſtin aber hatte unter dem heſſiſchen Dirnenregiment zu ſchwer gelitten, ſie konnte den Widerwillen der Frau, den Stolz der Hohenzollerin nicht überwinden, und da ihr Sohn ſich durch trotzige Roheit rächte, ſo blieb es dabei, daß dies Fürſtenhaus keine allgemein anerkannte Herrin beſaß.
Die erſten Wochen der neuen Regierung verliefen leidlich. Wiederhold übernahm die Leitung des Miniſteriums und kam dem Landtage ſo weit entgegen, daß er ſogar in die Entlaſſung des halb-ſchuldigen Kriegsminiſters willigte. Durch ſolche Nachgiebigkeit wurde freilich das Selbſtgefühl der Stände bedenklich geſteigert. Erſtaunlich, was ſie jetzt Alles aus dem Geiſte ihrer Verfaſſung heraus zu folgern wußten. Als der Kurprinz einmal einige Abgeordnete während einer Sitzung zur Tafel befohlen hatte, beantragte Jordan, die verantwortlichen Miniſter ſollten das Hofmarſchallamt erſuchen ſolche Einladungen zu unterlaſſen, denn der Regent ſei nicht berechtigt die Vertreter des Volks ihren Geſchäften zu entziehen. Bald führte das Zerwürfniß im Kurhauſe zu neuen Ruheſtörungen. Ergrimmt über die geringſchätzige Behandlung ſeiner Gemahlin ließ der Kurprinz ſeiner Mutter ihre Loge im Theater verſchließen; am nächſten Tage nahm er den Befehl zurück da er die allgemeine Entrüſtung bemerkte. Als nun die Kurfürſtin am 7. December im Theater erſchien, begrüßten ſie die Zuſchauer mit Hochrufen auf „unſere rechtmäßige Landesmutter“. Draußen ſtrömte das Volk zuſammen, man wollte die Kurfürſtin mit Fackeln nach Hauſe ge- leiten. Da eilten Truppen herbei, der Polizeidirektor verkündete den Kriegszuſtand, obwohl ernſte Unordnungen diesmal nicht vorgekommen waren; die Garde du Corps ſprengte in den Haufen ein und verwundete mehr als zwanzig Leute. Währenddem ging der Kurprinz auf dem Fried- richsplatze unter den Soldaten umher und rühmte ſich nach vollbrachter That, nun habe er ſich endlich Reſpekt verſchafft.
Nach wenigen Tagen verlor er wieder den Muth, da Hänlein ihm ins Gewiſſen redete, ordnete eine Unterſuchung an und bedauerte in einer Bekanntmachung, daß „im nächtlichen Dunkel Unfälle geſchehen ſeien“. Die Bürger bezeigten ihren Zorn durch widerwärtige Händel mit den Truppen. Der Verfaſſungsfreund ſchrieb, da der Kurprinz nur Uniform trug: ein Fürſt der immer im Soldatenkleide erſcheint, beweiſt damit, daß er das Oberhaupt nicht des Staates, ſondern des Militärs ſein will. Am Sylveſterabend wurde Jordan, zu ſeinem Namenstage, mit überſchwäng- lichen Huldigungen geehrt; bald darauf hielten die Abgeordneten der beiden Heſſen in Gießen ein feierliches Eintrachtsmahl, tranken mit einander auf die gemeinſame Freiheit, und jeder Theilnehmer erhielt zum Andenken einen
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[141/0155]
Mitregentſchaft des Kurprinzen.
am Hofe ſich herſtellen. König Friedrich Wilhelm gab ſeiner Schweſter auch
ausdrücklich Vollmacht, ſich mit der Gräfin Schaumburg zu verſtändigen. *)
Die unglückliche Fürſtin aber hatte unter dem heſſiſchen Dirnenregiment
zu ſchwer gelitten, ſie konnte den Widerwillen der Frau, den Stolz der
Hohenzollerin nicht überwinden, und da ihr Sohn ſich durch trotzige
Roheit rächte, ſo blieb es dabei, daß dies Fürſtenhaus keine allgemein
anerkannte Herrin beſaß.
Die erſten Wochen der neuen Regierung verliefen leidlich. Wiederhold
übernahm die Leitung des Miniſteriums und kam dem Landtage ſo weit
entgegen, daß er ſogar in die Entlaſſung des halb-ſchuldigen Kriegsminiſters
willigte. Durch ſolche Nachgiebigkeit wurde freilich das Selbſtgefühl der
Stände bedenklich geſteigert. Erſtaunlich, was ſie jetzt Alles aus dem Geiſte
ihrer Verfaſſung heraus zu folgern wußten. Als der Kurprinz einmal einige
Abgeordnete während einer Sitzung zur Tafel befohlen hatte, beantragte
Jordan, die verantwortlichen Miniſter ſollten das Hofmarſchallamt erſuchen
ſolche Einladungen zu unterlaſſen, denn der Regent ſei nicht berechtigt
die Vertreter des Volks ihren Geſchäften zu entziehen. Bald führte das
Zerwürfniß im Kurhauſe zu neuen Ruheſtörungen. Ergrimmt über die
geringſchätzige Behandlung ſeiner Gemahlin ließ der Kurprinz ſeiner Mutter
ihre Loge im Theater verſchließen; am nächſten Tage nahm er den Befehl
zurück da er die allgemeine Entrüſtung bemerkte. Als nun die Kurfürſtin
am 7. December im Theater erſchien, begrüßten ſie die Zuſchauer mit
Hochrufen auf „unſere rechtmäßige Landesmutter“. Draußen ſtrömte das
Volk zuſammen, man wollte die Kurfürſtin mit Fackeln nach Hauſe ge-
leiten. Da eilten Truppen herbei, der Polizeidirektor verkündete den
Kriegszuſtand, obwohl ernſte Unordnungen diesmal nicht vorgekommen
waren; die Garde du Corps ſprengte in den Haufen ein und verwundete
mehr als zwanzig Leute. Währenddem ging der Kurprinz auf dem Fried-
richsplatze unter den Soldaten umher und rühmte ſich nach vollbrachter
That, nun habe er ſich endlich Reſpekt verſchafft.
Nach wenigen Tagen verlor er wieder den Muth, da Hänlein ihm
ins Gewiſſen redete, ordnete eine Unterſuchung an und bedauerte in einer
Bekanntmachung, daß „im nächtlichen Dunkel Unfälle geſchehen ſeien“.
Die Bürger bezeigten ihren Zorn durch widerwärtige Händel mit den
Truppen. Der Verfaſſungsfreund ſchrieb, da der Kurprinz nur Uniform
trug: ein Fürſt der immer im Soldatenkleide erſcheint, beweiſt damit, daß
er das Oberhaupt nicht des Staates, ſondern des Militärs ſein will. Am
Sylveſterabend wurde Jordan, zu ſeinem Namenstage, mit überſchwäng-
lichen Huldigungen geehrt; bald darauf hielten die Abgeordneten der beiden
Heſſen in Gießen ein feierliches Eintrachtsmahl, tranken mit einander auf
die gemeinſame Freiheit, und jeder Theilnehmer erhielt zum Andenken einen
*) Hänlein’s Berichte, 12. Nov. 27. 31. Dec. 1831.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/155>, abgerufen am 05.12.2024.
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