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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Die Staatsschuldscheine.
schulden des Königreichs Westphalen zu übernehmen habe, war noch im
Jahre 1827 nicht genau festgestellt, da Hannover, Braunschweig und na-
mentlich der geizige Kurfürst von Hessen bei den Unterhandlungen immer
neue Schwierigkeiten erhoben.

In solcher Lage mußte die Krone darauf bestehen, daß ihr noch
einige Jahre lang für die Ausgabe neuer Staatsschuldscheine die Hände
frei blieben, wenn die Regelung des Schuldenwesens nicht ins Unab-
sehbare vertagt werden sollte; und hierin lag auch der Grund, warum
Hardenberg die Berathung im Plenum des Staatsraths so ängstlich zu
vermeiden strebte. In Nationen von starkem Staatsgefühl und gereifter
volkswirthschaftlicher Einsicht wird der öffentliche Credit durch die rückhalt-
lose Aufrichtigkeit der Schuldenverwaltung am besten gesichert; dies Volk
aber, das an seinen neu erstehenden Staat noch nicht recht glaubte und
jedem abenteuerlichen Gerüchte sein Ohr lieh, konnte die ganze Wahrheit
noch nicht ertragen. Die volle Hälfte der Staatsschuldscheine noch nicht
ausgegeben! -- wenn diese unerhörte Nachricht durch die Verhandlungen
des Staatsraths auf den Markt hinausgedrungen wäre, dann hätte un-
zweifelhaft ein panischer Schrecken die Geschäftswelt ergriffen, die Kurse
unaufhaltsam gedrückt und das ganze Reformwerk vereitelt. Tiefe Ver-
schwiegenheit war vorderhand unerläßlich, und nachdem man sich einmal
an die Heimlichkeit gewöhnt hatte, verblieb man leider auch dabei als
sie längst nicht mehr nöthig war. Der Nationalökonom Leopold Krug,
der einst den Freiherrn vom Stein zur Gründung des statistischen Bureaus
veranlaßt hatte und jetzt unter Hoffmann's Leitung in dieser Behörde
thätig war, konnte noch im Jahre 1824 die Erlaubniß zum Drucke seiner
Geschichte der preußischen Staatsschulden nicht erlangen. Erst zehn Jahre
später, 1834, wagte die Staatsschuldenverwaltung zum ersten male einen
Auszug aus ihrem Verwaltungsberichte zu veröffentlichen.

Für die also ermittelte Schuldenmasse leistete der Staat die Gewähr
mit seinem gesammten Vermögen, insbesondere mit den Domänen und
Forsten. Auch für die Verzinsung der Schuld sowie für die Ausgaben
des Tilgungsfonds, dem der König jährlich ein Procent der gegenwärtigen
Schuldensumme zuwies, wurden zunächst die Einkünfte aus den Domänen
und Forsten, der Erlös der Domänenverkäufe und, soweit nöthig, der Er-
trag des Salzverkaufes bestimmt. Die Finanzverwaltung ging jedoch mit
der Veräußerung der Domänen sehr behutsam vor, obwohl die herrschen-
den volkswirthschaftlichen Theorien allen Staatsgrundbesitz verwarfen. Sie
wußte wohl zu würdigen, welche Erleichterung dem so schwer besteuerten
Volke aus dem reichen Grundvermögen der Monarchie erwuchs, und ver-
äußerte in der Regel nur kleine Parzellen, welche vom Staate unverhält-
nißmäßig theuer verwaltet wurden, beim Verkaufe aber, wegen des starken
Wettbewerbes, hohe Preise erzielten. Solche Verkäufe und Rentenablö-
sungen brachten in den Jahren 1821--27 mehr als 131/2 Mill. Thlr.,

Die Staatsſchuldſcheine.
ſchulden des Königreichs Weſtphalen zu übernehmen habe, war noch im
Jahre 1827 nicht genau feſtgeſtellt, da Hannover, Braunſchweig und na-
mentlich der geizige Kurfürſt von Heſſen bei den Unterhandlungen immer
neue Schwierigkeiten erhoben.

In ſolcher Lage mußte die Krone darauf beſtehen, daß ihr noch
einige Jahre lang für die Ausgabe neuer Staatsſchuldſcheine die Hände
frei blieben, wenn die Regelung des Schuldenweſens nicht ins Unab-
ſehbare vertagt werden ſollte; und hierin lag auch der Grund, warum
Hardenberg die Berathung im Plenum des Staatsraths ſo ängſtlich zu
vermeiden ſtrebte. In Nationen von ſtarkem Staatsgefühl und gereifter
volkswirthſchaftlicher Einſicht wird der öffentliche Credit durch die rückhalt-
loſe Aufrichtigkeit der Schuldenverwaltung am beſten geſichert; dies Volk
aber, das an ſeinen neu erſtehenden Staat noch nicht recht glaubte und
jedem abenteuerlichen Gerüchte ſein Ohr lieh, konnte die ganze Wahrheit
noch nicht ertragen. Die volle Hälfte der Staatsſchuldſcheine noch nicht
ausgegeben! — wenn dieſe unerhörte Nachricht durch die Verhandlungen
des Staatsraths auf den Markt hinausgedrungen wäre, dann hätte un-
zweifelhaft ein paniſcher Schrecken die Geſchäftswelt ergriffen, die Kurſe
unaufhaltſam gedrückt und das ganze Reformwerk vereitelt. Tiefe Ver-
ſchwiegenheit war vorderhand unerläßlich, und nachdem man ſich einmal
an die Heimlichkeit gewöhnt hatte, verblieb man leider auch dabei als
ſie längſt nicht mehr nöthig war. Der Nationalökonom Leopold Krug,
der einſt den Freiherrn vom Stein zur Gründung des ſtatiſtiſchen Bureaus
veranlaßt hatte und jetzt unter Hoffmann’s Leitung in dieſer Behörde
thätig war, konnte noch im Jahre 1824 die Erlaubniß zum Drucke ſeiner
Geſchichte der preußiſchen Staatsſchulden nicht erlangen. Erſt zehn Jahre
ſpäter, 1834, wagte die Staatsſchuldenverwaltung zum erſten male einen
Auszug aus ihrem Verwaltungsberichte zu veröffentlichen.

Für die alſo ermittelte Schuldenmaſſe leiſtete der Staat die Gewähr
mit ſeinem geſammten Vermögen, insbeſondere mit den Domänen und
Forſten. Auch für die Verzinſung der Schuld ſowie für die Ausgaben
des Tilgungsfonds, dem der König jährlich ein Procent der gegenwärtigen
Schuldenſumme zuwies, wurden zunächſt die Einkünfte aus den Domänen
und Forſten, der Erlös der Domänenverkäufe und, ſoweit nöthig, der Er-
trag des Salzverkaufes beſtimmt. Die Finanzverwaltung ging jedoch mit
der Veräußerung der Domänen ſehr behutſam vor, obwohl die herrſchen-
den volkswirthſchaftlichen Theorien allen Staatsgrundbeſitz verwarfen. Sie
wußte wohl zu würdigen, welche Erleichterung dem ſo ſchwer beſteuerten
Volke aus dem reichen Grundvermögen der Monarchie erwuchs, und ver-
äußerte in der Regel nur kleine Parzellen, welche vom Staate unverhält-
nißmäßig theuer verwaltet wurden, beim Verkaufe aber, wegen des ſtarken
Wettbewerbes, hohe Preiſe erzielten. Solche Verkäufe und Rentenablö-
ſungen brachten in den Jahren 1821—27 mehr als 13½ Mill. Thlr.,

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[73/0089] Die Staatsſchuldſcheine. ſchulden des Königreichs Weſtphalen zu übernehmen habe, war noch im Jahre 1827 nicht genau feſtgeſtellt, da Hannover, Braunſchweig und na- mentlich der geizige Kurfürſt von Heſſen bei den Unterhandlungen immer neue Schwierigkeiten erhoben. In ſolcher Lage mußte die Krone darauf beſtehen, daß ihr noch einige Jahre lang für die Ausgabe neuer Staatsſchuldſcheine die Hände frei blieben, wenn die Regelung des Schuldenweſens nicht ins Unab- ſehbare vertagt werden ſollte; und hierin lag auch der Grund, warum Hardenberg die Berathung im Plenum des Staatsraths ſo ängſtlich zu vermeiden ſtrebte. In Nationen von ſtarkem Staatsgefühl und gereifter volkswirthſchaftlicher Einſicht wird der öffentliche Credit durch die rückhalt- loſe Aufrichtigkeit der Schuldenverwaltung am beſten geſichert; dies Volk aber, das an ſeinen neu erſtehenden Staat noch nicht recht glaubte und jedem abenteuerlichen Gerüchte ſein Ohr lieh, konnte die ganze Wahrheit noch nicht ertragen. Die volle Hälfte der Staatsſchuldſcheine noch nicht ausgegeben! — wenn dieſe unerhörte Nachricht durch die Verhandlungen des Staatsraths auf den Markt hinausgedrungen wäre, dann hätte un- zweifelhaft ein paniſcher Schrecken die Geſchäftswelt ergriffen, die Kurſe unaufhaltſam gedrückt und das ganze Reformwerk vereitelt. Tiefe Ver- ſchwiegenheit war vorderhand unerläßlich, und nachdem man ſich einmal an die Heimlichkeit gewöhnt hatte, verblieb man leider auch dabei als ſie längſt nicht mehr nöthig war. Der Nationalökonom Leopold Krug, der einſt den Freiherrn vom Stein zur Gründung des ſtatiſtiſchen Bureaus veranlaßt hatte und jetzt unter Hoffmann’s Leitung in dieſer Behörde thätig war, konnte noch im Jahre 1824 die Erlaubniß zum Drucke ſeiner Geſchichte der preußiſchen Staatsſchulden nicht erlangen. Erſt zehn Jahre ſpäter, 1834, wagte die Staatsſchuldenverwaltung zum erſten male einen Auszug aus ihrem Verwaltungsberichte zu veröffentlichen. Für die alſo ermittelte Schuldenmaſſe leiſtete der Staat die Gewähr mit ſeinem geſammten Vermögen, insbeſondere mit den Domänen und Forſten. Auch für die Verzinſung der Schuld ſowie für die Ausgaben des Tilgungsfonds, dem der König jährlich ein Procent der gegenwärtigen Schuldenſumme zuwies, wurden zunächſt die Einkünfte aus den Domänen und Forſten, der Erlös der Domänenverkäufe und, ſoweit nöthig, der Er- trag des Salzverkaufes beſtimmt. Die Finanzverwaltung ging jedoch mit der Veräußerung der Domänen ſehr behutſam vor, obwohl die herrſchen- den volkswirthſchaftlichen Theorien allen Staatsgrundbeſitz verwarfen. Sie wußte wohl zu würdigen, welche Erleichterung dem ſo ſchwer beſteuerten Volke aus dem reichen Grundvermögen der Monarchie erwuchs, und ver- äußerte in der Regel nur kleine Parzellen, welche vom Staate unverhält- nißmäßig theuer verwaltet wurden, beim Verkaufe aber, wegen des ſtarken Wettbewerbes, hohe Preiſe erzielten. Solche Verkäufe und Rentenablö- ſungen brachten in den Jahren 1821—27 mehr als 13½ Mill. Thlr.,

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/89>, abgerufen am 06.05.2024.