Schmalz und sein Rother Adlerorden. Die Burschenschaft und die Unbedingten.
ihnen den Eingang bei einem Volke wehren werden, dessen Charakter sich bisher von der Annahme fremdartiger Grundsätze so rein erhalten und eben dadurch dasselbe in dem Kampfe gegen fremden Druck so sehr erhoben hat." Diese Cabinetsordre blieb vorläufig ohne Folge, da die erforderlichen Maßregeln, wie eine Randbemerkung Hardenberg's sagt, "in jedem Falle besonders ergriffen werden sollten". Aber sie beweist, daß der König sich in einer mißtrauischen Stimmung befand, welche durch den Anblick der Pariser Par- teikämpfe ersichtlich verschärft wurde.
Andererseits zeigt ein vertrauliches Schreiben des Königs aus derselben Zeit, wie dankbar er die patriotische Haltung seines treuen Volkes anerkannte. Als die beiden Freunde sich getrennt hatten, sendete zunächst Kaiser Alexander (15./27. Jan. 1816) einen von Betheuerungen "heiliger Freundschaft" überströmenden Brief: die Aufgabe sei jetzt, die Frucht unserer Arbeiten, den Frieden zu erhalten. Darum dankte er dem König warm für die gegen die geheimen Gesellschaften ergriffenen energischen Maßregeln. (Diese Maßregeln bestanden aber nur in der Wiedereinschärfung eines Verbotes, das, wie in allen gesitteten Staaten, so auch in Preußen längst galt.) Friedrich Wilhelm schickte im März ein Antwortschreiben, das sich über die Schmalz'sche Sache folgendermaßen äußert: Il ne faut aujourdhui que calmer l'effervescence des esprits, suite naturelle des agitations politiques. Je me felicite de l'approbation que V. M. veut bien ac- corder aux mesures que j'ai cru devoir prendre dans cette occasion. Mon uni- que ambition est comme la votre, Sire, d'assurer le bonheur de mes peuples. C'est une dette sacree que notre coeur se plaira d'acquitter apres tant de preu- ves de leur amour et de leur devouement. Vous voyez, Sire, que le desir de m'epancher avec V. M. est devenu un besoin pour moi.
Ist es wahrscheinlich, daß ein Fürst, der im tiefsten Vertrauen also über sein Volk sprach, den Verunglimpfer des Befreiungskrieges für seine Verleumdungen hätte belohnen wollen? Denkbar bleibt es, daß die umlaufenden Gerüchte begründet waren und der König sich erst nachträglich wieder beruhigt hat; aber ebenso möglich ist auch, daß die Auszeichnung nur zufällig mit der Denunciation zusammentraf.
Nach alledem glaube ich über das Verfahren des Königs genau das gesagt zu haben, was ein gewissenhafter Historiker sagen durfte.
VII.Die Burschenschaft und die Unbedingten. Zu Bd. II S. 411.
Die Darstellung des Treibens der Unbedingten bietet, wie begreiflich, große Schwie- rigkeiten, da sich aus parteiisch geleiteten Untersuchungen und grundsätzlich unwahren Aussagen nicht leicht ein klares Bild gewinnen läßt. Ich halte es aber für eine Pflicht der historischen Gewissenhaftigkeit, den politischen Meuchelmord nicht zu beschönigen. Wer das Wesen des Fanatismus kennt, darf sein Urtheil nicht bestechen lassen durch die achtungswerthen Eigenschaften, welche manchen der jungen Schwärmgeister auszeichneten. Der Fanatiker kann in allem Uebrigen ein unschuldiges Kind sein; nur für den einen Gedanken, der ihn wie eine fixe Idee beherrscht, tritt er gleichmüthig jedes sittliche Ge- bot mit Füßen. So war Sand, unter den Freunden ehrlich, harmlos, gutmüthig, den Tyrannenknechten gegenüber ein gewissenloser Lügner und Mörder. So war auch Karl Follen, nur unvergleichlich begabter und darum gefährlicher.
Mein Urtheil über die Unbedingten habe ich nicht, wie Baumgarten andeutet, allein aus Leo und Münch geschöpft. Beiläufig, Leo's Jugendgeschichte ist keineswegs so ten- denziös, wie Baumgarten behauptet, sondern die lebendigste und geistreichste Schilderung des Jenenser Burschenlebens, welche unsere Literatur besitzt; nur muß man das Buch
Schmalz und ſein Rother Adlerorden. Die Burſchenſchaft und die Unbedingten.
ihnen den Eingang bei einem Volke wehren werden, deſſen Charakter ſich bisher von der Annahme fremdartiger Grundſätze ſo rein erhalten und eben dadurch daſſelbe in dem Kampfe gegen fremden Druck ſo ſehr erhoben hat.“ Dieſe Cabinetsordre blieb vorläufig ohne Folge, da die erforderlichen Maßregeln, wie eine Randbemerkung Hardenberg’s ſagt, „in jedem Falle beſonders ergriffen werden ſollten“. Aber ſie beweiſt, daß der König ſich in einer mißtrauiſchen Stimmung befand, welche durch den Anblick der Pariſer Par- teikämpfe erſichtlich verſchärft wurde.
Andererſeits zeigt ein vertrauliches Schreiben des Königs aus derſelben Zeit, wie dankbar er die patriotiſche Haltung ſeines treuen Volkes anerkannte. Als die beiden Freunde ſich getrennt hatten, ſendete zunächſt Kaiſer Alexander (15./27. Jan. 1816) einen von Betheuerungen „heiliger Freundſchaft“ überſtrömenden Brief: die Aufgabe ſei jetzt, die Frucht unſerer Arbeiten, den Frieden zu erhalten. Darum dankte er dem König warm für die gegen die geheimen Geſellſchaften ergriffenen energiſchen Maßregeln. (Dieſe Maßregeln beſtanden aber nur in der Wiedereinſchärfung eines Verbotes, das, wie in allen geſitteten Staaten, ſo auch in Preußen längſt galt.) Friedrich Wilhelm ſchickte im März ein Antwortſchreiben, das ſich über die Schmalz’ſche Sache folgendermaßen äußert: Il ne faut aujourdhui que calmer l’effervescence des esprits, suite naturelle des agitations politiques. Je me félicite de l’approbation que V. M. veut bien ac- corder aux mesures que j’ai cru devoir prendre dans cette occasion. Mon uni- que ambition est comme la votre, Sire, d’assurer le bonheur de mes peuples. C’est une dette sacrée que notre coeur se plaira d’acquitter après tant de preu- ves de leur amour et de leur dévouement. Vous voyez, Sire, que le désir de m’épancher avec V. M. est devenu un besoin pour moi.
Iſt es wahrſcheinlich, daß ein Fürſt, der im tiefſten Vertrauen alſo über ſein Volk ſprach, den Verunglimpfer des Befreiungskrieges für ſeine Verleumdungen hätte belohnen wollen? Denkbar bleibt es, daß die umlaufenden Gerüchte begründet waren und der König ſich erſt nachträglich wieder beruhigt hat; aber ebenſo möglich iſt auch, daß die Auszeichnung nur zufällig mit der Denunciation zuſammentraf.
Nach alledem glaube ich über das Verfahren des Königs genau das geſagt zu haben, was ein gewiſſenhafter Hiſtoriker ſagen durfte.
VII.Die Burſchenſchaft und die Unbedingten. Zu Bd. II S. 411.
Die Darſtellung des Treibens der Unbedingten bietet, wie begreiflich, große Schwie- rigkeiten, da ſich aus parteiiſch geleiteten Unterſuchungen und grundſätzlich unwahren Ausſagen nicht leicht ein klares Bild gewinnen läßt. Ich halte es aber für eine Pflicht der hiſtoriſchen Gewiſſenhaftigkeit, den politiſchen Meuchelmord nicht zu beſchönigen. Wer das Weſen des Fanatismus kennt, darf ſein Urtheil nicht beſtechen laſſen durch die achtungswerthen Eigenſchaften, welche manchen der jungen Schwärmgeiſter auszeichneten. Der Fanatiker kann in allem Uebrigen ein unſchuldiges Kind ſein; nur für den einen Gedanken, der ihn wie eine fixe Idee beherrſcht, tritt er gleichmüthig jedes ſittliche Ge- bot mit Füßen. So war Sand, unter den Freunden ehrlich, harmlos, gutmüthig, den Tyrannenknechten gegenüber ein gewiſſenloſer Lügner und Mörder. So war auch Karl Follen, nur unvergleichlich begabter und darum gefährlicher.
Mein Urtheil über die Unbedingten habe ich nicht, wie Baumgarten andeutet, allein aus Leo und Münch geſchöpft. Beiläufig, Leo’s Jugendgeſchichte iſt keineswegs ſo ten- denziös, wie Baumgarten behauptet, ſondern die lebendigſte und geiſtreichſte Schilderung des Jenenſer Burſchenlebens, welche unſere Literatur beſitzt; nur muß man das Buch
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Schmalz und ſein Rother Adlerorden. Die Burſchenſchaft und die Unbedingten.
ihnen den Eingang bei einem Volke wehren werden, deſſen Charakter ſich bisher von der
Annahme fremdartiger Grundſätze ſo rein erhalten und eben dadurch daſſelbe in dem
Kampfe gegen fremden Druck ſo ſehr erhoben hat.“ Dieſe Cabinetsordre blieb vorläufig
ohne Folge, da die erforderlichen Maßregeln, wie eine Randbemerkung Hardenberg’s ſagt,
„in jedem Falle beſonders ergriffen werden ſollten“. Aber ſie beweiſt, daß der König
ſich in einer mißtrauiſchen Stimmung befand, welche durch den Anblick der Pariſer Par-
teikämpfe erſichtlich verſchärft wurde.
Andererſeits zeigt ein vertrauliches Schreiben des Königs aus derſelben Zeit, wie
dankbar er die patriotiſche Haltung ſeines treuen Volkes anerkannte. Als die beiden
Freunde ſich getrennt hatten, ſendete zunächſt Kaiſer Alexander (15./27. Jan. 1816) einen
von Betheuerungen „heiliger Freundſchaft“ überſtrömenden Brief: die Aufgabe ſei jetzt,
die Frucht unſerer Arbeiten, den Frieden zu erhalten. Darum dankte er dem König
warm für die gegen die geheimen Geſellſchaften ergriffenen energiſchen Maßregeln. (Dieſe
Maßregeln beſtanden aber nur in der Wiedereinſchärfung eines Verbotes, das, wie in
allen geſitteten Staaten, ſo auch in Preußen längſt galt.) Friedrich Wilhelm ſchickte im
März ein Antwortſchreiben, das ſich über die Schmalz’ſche Sache folgendermaßen äußert:
Il ne faut aujourdhui que calmer l’effervescence des esprits, suite naturelle des
agitations politiques. Je me félicite de l’approbation que V. M. veut bien ac-
corder aux mesures que j’ai cru devoir prendre dans cette occasion. Mon uni-
que ambition est comme la votre, Sire, d’assurer le bonheur de mes peuples.
C’est une dette sacrée que notre coeur se plaira d’acquitter après tant de preu-
ves de leur amour et de leur dévouement. Vous voyez, Sire, que le désir de
m’épancher avec V. M. est devenu un besoin pour moi.
Iſt es wahrſcheinlich, daß ein Fürſt, der im tiefſten Vertrauen alſo über ſein Volk
ſprach, den Verunglimpfer des Befreiungskrieges für ſeine Verleumdungen hätte belohnen
wollen? Denkbar bleibt es, daß die umlaufenden Gerüchte begründet waren und der
König ſich erſt nachträglich wieder beruhigt hat; aber ebenſo möglich iſt auch, daß die
Auszeichnung nur zufällig mit der Denunciation zuſammentraf.
Nach alledem glaube ich über das Verfahren des Königs genau das geſagt zu haben,
was ein gewiſſenhafter Hiſtoriker ſagen durfte.
VII. Die Burſchenſchaft und die Unbedingten.
Zu Bd. II S. 411.
Die Darſtellung des Treibens der Unbedingten bietet, wie begreiflich, große Schwie-
rigkeiten, da ſich aus parteiiſch geleiteten Unterſuchungen und grundſätzlich unwahren
Ausſagen nicht leicht ein klares Bild gewinnen läßt. Ich halte es aber für eine Pflicht
der hiſtoriſchen Gewiſſenhaftigkeit, den politiſchen Meuchelmord nicht zu beſchönigen. Wer
das Weſen des Fanatismus kennt, darf ſein Urtheil nicht beſtechen laſſen durch die
achtungswerthen Eigenſchaften, welche manchen der jungen Schwärmgeiſter auszeichneten.
Der Fanatiker kann in allem Uebrigen ein unſchuldiges Kind ſein; nur für den einen
Gedanken, der ihn wie eine fixe Idee beherrſcht, tritt er gleichmüthig jedes ſittliche Ge-
bot mit Füßen. So war Sand, unter den Freunden ehrlich, harmlos, gutmüthig, den
Tyrannenknechten gegenüber ein gewiſſenloſer Lügner und Mörder. So war auch Karl
Follen, nur unvergleichlich begabter und darum gefährlicher.
Mein Urtheil über die Unbedingten habe ich nicht, wie Baumgarten andeutet, allein
aus Leo und Münch geſchöpft. Beiläufig, Leo’s Jugendgeſchichte iſt keineswegs ſo ten-
denziös, wie Baumgarten behauptet, ſondern die lebendigſte und geiſtreichſte Schilderung
des Jenenſer Burſchenlebens, welche unſere Literatur beſitzt; nur muß man das Buch
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/770>, abgerufen am 24.11.2024.
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