den Federkrieg gegen den Handelsverein. "Eine Souveränität, die sich durch bloße Opposition geltend machen will -- rief Buchholz warnend -- steht im Widerspruch mit sich selbst und kann nur Niederlagen erfahren." Auch durch Retorsionen wollte Motz den Gegnern zu Leibe gehen; er dachte den sächsischen Fabrikanten den Meßrabatt zu entziehen und in Magdeburg eine Messe zu errichten. Hier aber widersprach der König; er wollte sein Wort halten, auch jetzt noch jede Feindseligkeit gegen deutsche Bundesstaaten unterlassen, und ließ den kampflustigen Finanzminister an die Rücksichten erinnern, die man dem Deutschen Bunde schulde.*)
Die offene Sprache der preußischen Diplomatie erweckte allerdings Angst und Reue an einigen der kleinsten Höfe. Der Fürst von Sonders- hausen, dessen Unterherrschaft unter dem Schutze des preußischen Zoll- systems aufblühte, war mit seiner Oberherrschaft dem Handelsvereine bei- getreten und ließ durch sein Geheimes Consilium das Berliner Cabinet bitten, "diese abgedrungene Maßregel nicht übel zu deuten." Darauf er- widerte das Auswärtige Amt: man hoffe, "daß ein pp. Consilium keinen Augenblick darüber im Zweifel sein werde, was in der Wahl zwischen der Festhaltung an dem bisher bestehenden Verhältniß mit Preußen und zwi- schen der Theilnahme an einer neuen Verbindung zu thun oder zu lassen sei." Nun bat der Fürst in einem eigenhändigen Briefe den König um Verzeihung und flehte, ihn "mit allergnädigster Nachsicht zu beurtheilen und der unschätzbaren hohen Gnade nicht für unwerth zu halten."**) Auch der Herzog von Gotha schrieb an Wittgenstein (16. Decbr.): er erfahre "zu seiner größten Verwunderung", daß Preußen mit dem Handelsver- eine nicht einverstanden sei; nimmermehr sei ihm in den Sinn gekommen, den preußischen Hof, dessen Gunst so werthvoll, zu verletzen.
Gegen die größeren Staaten des Vereins war mit so sanften Mitteln nichts auszurichten. Motz behielt doch Recht, da er an Bernstorff schrieb: "Ich bin der Meinung, daß andere Rücksichten, welche nicht durch die be- stehenden Verträge geboten werden, gegen die betreffenden, uns in finan- zieller Hinsicht nur feindlich gegenüberstehenden Bundesstaaten wohl aus den Augen gesetzt werden können, indem der preußische Staat die Macht und die Kraft hat, seinen hohen und höchsten Interessen die der Bundes- staaten unterzuordnen, und nach den seit dreizehn Jahren gemachten Er- fahrungen die Liebe für uns in den Bundesstaaten erst dann zu gewinnen sein dürfte, wenn sie mit Furcht und Beachtung der bestehenden Verhält- nisse vereinigt bleibt."***) Der feurige Mann war entschlossen, den Han- delsverein zu sprengen: gegen offenbare Feindseligkeit reiche die Politik des Zuwartens nicht mehr aus. "Wir werden es noch dahin bringen, rief
*) Bernstorff an Motz, 13. Dec. 1828.
**) Fürst Günther von Sondershausen an König Friedrich Wilhelm, 20. Dec. 1828.
***) Motz an Bernstorff, 19. Decbr. 1828.
III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
den Federkrieg gegen den Handelsverein. „Eine Souveränität, die ſich durch bloße Oppoſition geltend machen will — rief Buchholz warnend — ſteht im Widerſpruch mit ſich ſelbſt und kann nur Niederlagen erfahren.“ Auch durch Retorſionen wollte Motz den Gegnern zu Leibe gehen; er dachte den ſächſiſchen Fabrikanten den Meßrabatt zu entziehen und in Magdeburg eine Meſſe zu errichten. Hier aber widerſprach der König; er wollte ſein Wort halten, auch jetzt noch jede Feindſeligkeit gegen deutſche Bundesſtaaten unterlaſſen, und ließ den kampfluſtigen Finanzminiſter an die Rückſichten erinnern, die man dem Deutſchen Bunde ſchulde.*)
Die offene Sprache der preußiſchen Diplomatie erweckte allerdings Angſt und Reue an einigen der kleinſten Höfe. Der Fürſt von Sonders- hauſen, deſſen Unterherrſchaft unter dem Schutze des preußiſchen Zoll- ſyſtems aufblühte, war mit ſeiner Oberherrſchaft dem Handelsvereine bei- getreten und ließ durch ſein Geheimes Conſilium das Berliner Cabinet bitten, „dieſe abgedrungene Maßregel nicht übel zu deuten.“ Darauf er- widerte das Auswärtige Amt: man hoffe, „daß ein pp. Conſilium keinen Augenblick darüber im Zweifel ſein werde, was in der Wahl zwiſchen der Feſthaltung an dem bisher beſtehenden Verhältniß mit Preußen und zwi- ſchen der Theilnahme an einer neuen Verbindung zu thun oder zu laſſen ſei.“ Nun bat der Fürſt in einem eigenhändigen Briefe den König um Verzeihung und flehte, ihn „mit allergnädigſter Nachſicht zu beurtheilen und der unſchätzbaren hohen Gnade nicht für unwerth zu halten.“**) Auch der Herzog von Gotha ſchrieb an Wittgenſtein (16. Decbr.): er erfahre „zu ſeiner größten Verwunderung“, daß Preußen mit dem Handelsver- eine nicht einverſtanden ſei; nimmermehr ſei ihm in den Sinn gekommen, den preußiſchen Hof, deſſen Gunſt ſo werthvoll, zu verletzen.
Gegen die größeren Staaten des Vereins war mit ſo ſanften Mitteln nichts auszurichten. Motz behielt doch Recht, da er an Bernſtorff ſchrieb: „Ich bin der Meinung, daß andere Rückſichten, welche nicht durch die be- ſtehenden Verträge geboten werden, gegen die betreffenden, uns in finan- zieller Hinſicht nur feindlich gegenüberſtehenden Bundesſtaaten wohl aus den Augen geſetzt werden können, indem der preußiſche Staat die Macht und die Kraft hat, ſeinen hohen und höchſten Intereſſen die der Bundes- ſtaaten unterzuordnen, und nach den ſeit dreizehn Jahren gemachten Er- fahrungen die Liebe für uns in den Bundesſtaaten erſt dann zu gewinnen ſein dürfte, wenn ſie mit Furcht und Beachtung der beſtehenden Verhält- niſſe vereinigt bleibt.“***) Der feurige Mann war entſchloſſen, den Han- delsverein zu ſprengen: gegen offenbare Feindſeligkeit reiche die Politik des Zuwartens nicht mehr aus. „Wir werden es noch dahin bringen, rief
*) Bernſtorff an Motz, 13. Dec. 1828.
**) Fürſt Günther von Sondershauſen an König Friedrich Wilhelm, 20. Dec. 1828.
***) Motz an Bernſtorff, 19. Decbr. 1828.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0680"n="664"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi> 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.</fw><lb/>
den Federkrieg gegen den Handelsverein. „Eine Souveränität, die ſich<lb/>
durch bloße Oppoſition geltend machen will — rief Buchholz warnend —<lb/>ſteht im Widerſpruch mit ſich ſelbſt und kann nur Niederlagen erfahren.“<lb/>
Auch durch Retorſionen wollte Motz den Gegnern zu Leibe gehen; er<lb/>
dachte den ſächſiſchen Fabrikanten den Meßrabatt zu entziehen und in<lb/>
Magdeburg eine Meſſe zu errichten. Hier aber widerſprach der König;<lb/>
er wollte ſein Wort halten, auch jetzt noch jede Feindſeligkeit gegen deutſche<lb/>
Bundesſtaaten unterlaſſen, und ließ den kampfluſtigen Finanzminiſter an<lb/>
die Rückſichten erinnern, die man dem Deutſchen Bunde ſchulde.<noteplace="foot"n="*)">Bernſtorff an Motz, 13. Dec. 1828.</note></p><lb/><p>Die offene Sprache der preußiſchen Diplomatie erweckte allerdings<lb/>
Angſt und Reue an einigen der kleinſten Höfe. Der Fürſt von Sonders-<lb/>
hauſen, deſſen Unterherrſchaft unter dem Schutze des preußiſchen Zoll-<lb/>ſyſtems aufblühte, war mit ſeiner Oberherrſchaft dem Handelsvereine bei-<lb/>
getreten und ließ durch ſein Geheimes Conſilium das Berliner Cabinet<lb/>
bitten, „dieſe abgedrungene Maßregel nicht übel zu deuten.“ Darauf er-<lb/>
widerte das Auswärtige Amt: man hoffe, „daß ein pp. Conſilium keinen<lb/>
Augenblick darüber im Zweifel ſein werde, was in der Wahl zwiſchen der<lb/>
Feſthaltung an dem bisher beſtehenden Verhältniß mit Preußen und zwi-<lb/>ſchen der Theilnahme an einer neuen Verbindung zu thun oder zu laſſen<lb/>ſei.“ Nun bat der Fürſt in einem eigenhändigen Briefe den König um<lb/>
Verzeihung und flehte, ihn „mit allergnädigſter Nachſicht zu beurtheilen<lb/>
und der unſchätzbaren hohen Gnade nicht für unwerth zu halten.“<noteplace="foot"n="**)">Fürſt Günther von Sondershauſen an König Friedrich Wilhelm, 20. Dec. 1828.</note> Auch<lb/>
der Herzog von Gotha ſchrieb an Wittgenſtein (16. Decbr.): er erfahre<lb/>„zu ſeiner größten Verwunderung“, daß Preußen mit dem Handelsver-<lb/>
eine nicht einverſtanden ſei; nimmermehr ſei ihm in den Sinn gekommen,<lb/>
den preußiſchen Hof, deſſen Gunſt ſo werthvoll, zu verletzen.</p><lb/><p>Gegen die größeren Staaten des Vereins war mit ſo ſanften Mitteln<lb/>
nichts auszurichten. Motz behielt doch Recht, da er an Bernſtorff ſchrieb:<lb/>„Ich bin der Meinung, daß andere Rückſichten, welche nicht durch die be-<lb/>ſtehenden Verträge geboten werden, gegen die betreffenden, uns in finan-<lb/>
zieller Hinſicht nur feindlich gegenüberſtehenden Bundesſtaaten wohl aus<lb/>
den Augen geſetzt werden können, indem der preußiſche Staat die Macht<lb/>
und die Kraft hat, ſeinen hohen und höchſten Intereſſen die der Bundes-<lb/>ſtaaten unterzuordnen, und nach den ſeit dreizehn Jahren gemachten Er-<lb/>
fahrungen die Liebe für uns in den Bundesſtaaten erſt dann zu gewinnen<lb/>ſein dürfte, wenn ſie mit Furcht und Beachtung der beſtehenden Verhält-<lb/>
niſſe vereinigt bleibt.“<noteplace="foot"n="***)">Motz an Bernſtorff, 19. Decbr. 1828.</note> Der feurige Mann war entſchloſſen, den Han-<lb/>
delsverein zu ſprengen: gegen offenbare Feindſeligkeit reiche die Politik des<lb/>
Zuwartens nicht mehr aus. „Wir werden es noch dahin bringen, rief<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[664/0680]
III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
den Federkrieg gegen den Handelsverein. „Eine Souveränität, die ſich
durch bloße Oppoſition geltend machen will — rief Buchholz warnend —
ſteht im Widerſpruch mit ſich ſelbſt und kann nur Niederlagen erfahren.“
Auch durch Retorſionen wollte Motz den Gegnern zu Leibe gehen; er
dachte den ſächſiſchen Fabrikanten den Meßrabatt zu entziehen und in
Magdeburg eine Meſſe zu errichten. Hier aber widerſprach der König;
er wollte ſein Wort halten, auch jetzt noch jede Feindſeligkeit gegen deutſche
Bundesſtaaten unterlaſſen, und ließ den kampfluſtigen Finanzminiſter an
die Rückſichten erinnern, die man dem Deutſchen Bunde ſchulde. *)
Die offene Sprache der preußiſchen Diplomatie erweckte allerdings
Angſt und Reue an einigen der kleinſten Höfe. Der Fürſt von Sonders-
hauſen, deſſen Unterherrſchaft unter dem Schutze des preußiſchen Zoll-
ſyſtems aufblühte, war mit ſeiner Oberherrſchaft dem Handelsvereine bei-
getreten und ließ durch ſein Geheimes Conſilium das Berliner Cabinet
bitten, „dieſe abgedrungene Maßregel nicht übel zu deuten.“ Darauf er-
widerte das Auswärtige Amt: man hoffe, „daß ein pp. Conſilium keinen
Augenblick darüber im Zweifel ſein werde, was in der Wahl zwiſchen der
Feſthaltung an dem bisher beſtehenden Verhältniß mit Preußen und zwi-
ſchen der Theilnahme an einer neuen Verbindung zu thun oder zu laſſen
ſei.“ Nun bat der Fürſt in einem eigenhändigen Briefe den König um
Verzeihung und flehte, ihn „mit allergnädigſter Nachſicht zu beurtheilen
und der unſchätzbaren hohen Gnade nicht für unwerth zu halten.“ **) Auch
der Herzog von Gotha ſchrieb an Wittgenſtein (16. Decbr.): er erfahre
„zu ſeiner größten Verwunderung“, daß Preußen mit dem Handelsver-
eine nicht einverſtanden ſei; nimmermehr ſei ihm in den Sinn gekommen,
den preußiſchen Hof, deſſen Gunſt ſo werthvoll, zu verletzen.
Gegen die größeren Staaten des Vereins war mit ſo ſanften Mitteln
nichts auszurichten. Motz behielt doch Recht, da er an Bernſtorff ſchrieb:
„Ich bin der Meinung, daß andere Rückſichten, welche nicht durch die be-
ſtehenden Verträge geboten werden, gegen die betreffenden, uns in finan-
zieller Hinſicht nur feindlich gegenüberſtehenden Bundesſtaaten wohl aus
den Augen geſetzt werden können, indem der preußiſche Staat die Macht
und die Kraft hat, ſeinen hohen und höchſten Intereſſen die der Bundes-
ſtaaten unterzuordnen, und nach den ſeit dreizehn Jahren gemachten Er-
fahrungen die Liebe für uns in den Bundesſtaaten erſt dann zu gewinnen
ſein dürfte, wenn ſie mit Furcht und Beachtung der beſtehenden Verhält-
niſſe vereinigt bleibt.“ ***) Der feurige Mann war entſchloſſen, den Han-
delsverein zu ſprengen: gegen offenbare Feindſeligkeit reiche die Politik des
Zuwartens nicht mehr aus. „Wir werden es noch dahin bringen, rief
*) Bernſtorff an Motz, 13. Dec. 1828.
**) Fürſt Günther von Sondershauſen an König Friedrich Wilhelm, 20. Dec. 1828.
***) Motz an Bernſtorff, 19. Decbr. 1828.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/680>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.