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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
ruhiger an. Selbst König Wilhelm von Württemberg blieb nüchtern und
gleichmüthig. Sein Geschäftsverstand war doch stärker als sein Groll
gegen Preußen; auch mochten ihm die bitteren Erfahrungen der Tage von
Verona noch unvergessen sein. In einem Gespräche mit du Thil ver-
barg er zwar seine Enttäuschung nicht, gestand aber zu: "früher oder
später werden wir noch gezwungen sein Euerem Beispiele zu folgen." Im
selben Sinne erklärte sein Minister Beroldingen dem preußischen Ge-
sandten, "daß Württemberg in die deutsch-patriotischen Gesinnungen der
preußischen Regierung niemals auch nur den geringsten Zweifel gesetzt
hat und die bestehenden besonderen Vereine zugleich als Mittel betrachtet,
zu dereinstiger Erreichung des gemeinschaftlichen Zweckes in einer allge-
meinen Ausdehnung den Weg zu bahnen."*)

Wie der preußische Staat Alles, was er für die Macht und Einheit
unseres Vaterlandes that, erkämpfen mußte gegen den Widerstand des
Auslandes, so ward auch der preußisch-hessische Bund sofort von den
Ränken der fremden Mächte umsponnen. Im Verein mit Frankreich ver-
suchte Holland Unfrieden zu säen zwischen Süd und Nord. Der Minister
Verstolck van Soelen machte den württembergischen Geschäftsträger auf-
merksam auf die Gefahren, welche der deutschen Handelsfreiheit und der
Unabhängigkeit der Kleinstaaten drohten. Der Württemberger, ein ver-
ständiger Mann, der seinem preußischen Collegen, dem Grafen Truchseß-
Waldburg, Alles mittheilte, antwortete treffend: die Zölle der fremden
Mächte, und nicht zuletzt Hollands, zwingen uns Deutsche, uns zu einigen
und neue Handelswege zu suchen -- worauf Verstolck heilig versicherte:
die Herabsetzung der niederländischen Zölle stehe nahe bevor; für jetzt aber
dürfe man nur an den Widerstand gegen den gemeinsamen Feind, gegen
Preußen denken.**) Eichhorn, der die holländischen Kaufherren aus den
endlosen Rheinschifffahrtsverhandlungen genugsam kannte, schrieb an den
Rand der Depesche: Die Niederlande verfolgen gar keinen positiven Zweck,
sie wollen nur die weitere Einigung Deutschlands in Zollsachen verhin-
dern. In der That lud der niederländische Geschäftsträger Mollerus den
Münchener Hof ein, für den süddeutschen Verein einen Handelsvertrag
mit Holland abzuschließen, und betheuerte zugleich die gute Absicht seines
Hofes, sich mit den oberländischen Staaten über Preußen hinweg wegen
der Rheinzölle zu verständigen. Bestimmte, greifbare Vorschläge übergab
er nicht; die Absicht war lediglich, Baiern und Württemberg von Preußen
fernzuhalten.***) Auch England bezeigte seine Unzufriedenheit. Der Prä-
sident des Handelsamts, Charles Grant, beschwerte sich bei dem preußi-
schen Gesandten Bülow heftig über die hohen Zölle des preußisch-hessischen

*) Beroldingen an Küster, 27. März, 22. April 1828.
**) Truchseß's Bericht, 20. April 1828.
***) Berichte Fahnenberg's, 6., 16. Mai, Küster's, 8. Mai 1828.

III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
ruhiger an. Selbſt König Wilhelm von Württemberg blieb nüchtern und
gleichmüthig. Sein Geſchäftsverſtand war doch ſtärker als ſein Groll
gegen Preußen; auch mochten ihm die bitteren Erfahrungen der Tage von
Verona noch unvergeſſen ſein. In einem Geſpräche mit du Thil ver-
barg er zwar ſeine Enttäuſchung nicht, geſtand aber zu: „früher oder
ſpäter werden wir noch gezwungen ſein Euerem Beiſpiele zu folgen.“ Im
ſelben Sinne erklärte ſein Miniſter Beroldingen dem preußiſchen Ge-
ſandten, „daß Württemberg in die deutſch-patriotiſchen Geſinnungen der
preußiſchen Regierung niemals auch nur den geringſten Zweifel geſetzt
hat und die beſtehenden beſonderen Vereine zugleich als Mittel betrachtet,
zu dereinſtiger Erreichung des gemeinſchaftlichen Zweckes in einer allge-
meinen Ausdehnung den Weg zu bahnen.“*)

Wie der preußiſche Staat Alles, was er für die Macht und Einheit
unſeres Vaterlandes that, erkämpfen mußte gegen den Widerſtand des
Auslandes, ſo ward auch der preußiſch-heſſiſche Bund ſofort von den
Ränken der fremden Mächte umſponnen. Im Verein mit Frankreich ver-
ſuchte Holland Unfrieden zu ſäen zwiſchen Süd und Nord. Der Miniſter
Verſtolck van Soelen machte den württembergiſchen Geſchäftsträger auf-
merkſam auf die Gefahren, welche der deutſchen Handelsfreiheit und der
Unabhängigkeit der Kleinſtaaten drohten. Der Württemberger, ein ver-
ſtändiger Mann, der ſeinem preußiſchen Collegen, dem Grafen Truchſeß-
Waldburg, Alles mittheilte, antwortete treffend: die Zölle der fremden
Mächte, und nicht zuletzt Hollands, zwingen uns Deutſche, uns zu einigen
und neue Handelswege zu ſuchen — worauf Verſtolck heilig verſicherte:
die Herabſetzung der niederländiſchen Zölle ſtehe nahe bevor; für jetzt aber
dürfe man nur an den Widerſtand gegen den gemeinſamen Feind, gegen
Preußen denken.**) Eichhorn, der die holländiſchen Kaufherren aus den
endloſen Rheinſchifffahrtsverhandlungen genugſam kannte, ſchrieb an den
Rand der Depeſche: Die Niederlande verfolgen gar keinen poſitiven Zweck,
ſie wollen nur die weitere Einigung Deutſchlands in Zollſachen verhin-
dern. In der That lud der niederländiſche Geſchäftsträger Mollerus den
Münchener Hof ein, für den ſüddeutſchen Verein einen Handelsvertrag
mit Holland abzuſchließen, und betheuerte zugleich die gute Abſicht ſeines
Hofes, ſich mit den oberländiſchen Staaten über Preußen hinweg wegen
der Rheinzölle zu verſtändigen. Beſtimmte, greifbare Vorſchläge übergab
er nicht; die Abſicht war lediglich, Baiern und Württemberg von Preußen
fernzuhalten.***) Auch England bezeigte ſeine Unzufriedenheit. Der Prä-
ſident des Handelsamts, Charles Grant, beſchwerte ſich bei dem preußi-
ſchen Geſandten Bülow heftig über die hohen Zölle des preußiſch-heſſiſchen

*) Beroldingen an Küſter, 27. März, 22. April 1828.
**) Truchſeß’s Bericht, 20. April 1828.
***) Berichte Fahnenberg’s, 6., 16. Mai, Küſter’s, 8. Mai 1828.
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[644/0660] III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine. ruhiger an. Selbſt König Wilhelm von Württemberg blieb nüchtern und gleichmüthig. Sein Geſchäftsverſtand war doch ſtärker als ſein Groll gegen Preußen; auch mochten ihm die bitteren Erfahrungen der Tage von Verona noch unvergeſſen ſein. In einem Geſpräche mit du Thil ver- barg er zwar ſeine Enttäuſchung nicht, geſtand aber zu: „früher oder ſpäter werden wir noch gezwungen ſein Euerem Beiſpiele zu folgen.“ Im ſelben Sinne erklärte ſein Miniſter Beroldingen dem preußiſchen Ge- ſandten, „daß Württemberg in die deutſch-patriotiſchen Geſinnungen der preußiſchen Regierung niemals auch nur den geringſten Zweifel geſetzt hat und die beſtehenden beſonderen Vereine zugleich als Mittel betrachtet, zu dereinſtiger Erreichung des gemeinſchaftlichen Zweckes in einer allge- meinen Ausdehnung den Weg zu bahnen.“ *) Wie der preußiſche Staat Alles, was er für die Macht und Einheit unſeres Vaterlandes that, erkämpfen mußte gegen den Widerſtand des Auslandes, ſo ward auch der preußiſch-heſſiſche Bund ſofort von den Ränken der fremden Mächte umſponnen. Im Verein mit Frankreich ver- ſuchte Holland Unfrieden zu ſäen zwiſchen Süd und Nord. Der Miniſter Verſtolck van Soelen machte den württembergiſchen Geſchäftsträger auf- merkſam auf die Gefahren, welche der deutſchen Handelsfreiheit und der Unabhängigkeit der Kleinſtaaten drohten. Der Württemberger, ein ver- ſtändiger Mann, der ſeinem preußiſchen Collegen, dem Grafen Truchſeß- Waldburg, Alles mittheilte, antwortete treffend: die Zölle der fremden Mächte, und nicht zuletzt Hollands, zwingen uns Deutſche, uns zu einigen und neue Handelswege zu ſuchen — worauf Verſtolck heilig verſicherte: die Herabſetzung der niederländiſchen Zölle ſtehe nahe bevor; für jetzt aber dürfe man nur an den Widerſtand gegen den gemeinſamen Feind, gegen Preußen denken. **) Eichhorn, der die holländiſchen Kaufherren aus den endloſen Rheinſchifffahrtsverhandlungen genugſam kannte, ſchrieb an den Rand der Depeſche: Die Niederlande verfolgen gar keinen poſitiven Zweck, ſie wollen nur die weitere Einigung Deutſchlands in Zollſachen verhin- dern. In der That lud der niederländiſche Geſchäftsträger Mollerus den Münchener Hof ein, für den ſüddeutſchen Verein einen Handelsvertrag mit Holland abzuſchließen, und betheuerte zugleich die gute Abſicht ſeines Hofes, ſich mit den oberländiſchen Staaten über Preußen hinweg wegen der Rheinzölle zu verſtändigen. Beſtimmte, greifbare Vorſchläge übergab er nicht; die Abſicht war lediglich, Baiern und Württemberg von Preußen fernzuhalten. ***) Auch England bezeigte ſeine Unzufriedenheit. Der Prä- ſident des Handelsamts, Charles Grant, beſchwerte ſich bei dem preußi- ſchen Geſandten Bülow heftig über die hohen Zölle des preußiſch-heſſiſchen *) Beroldingen an Küſter, 27. März, 22. April 1828. **) Truchſeß’s Bericht, 20. April 1828. ***) Berichte Fahnenberg’s, 6., 16. Mai, Küſter’s, 8. Mai 1828.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/660>, abgerufen am 25.11.2024.