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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
larität; die Verfolgung einer und derselben Braut vereint die Menschen
nicht" -- eine boshafte Anspielung auf die längst vergangenen Tage, da
Kronprinz Ludwig auf die Hand der späteren Königin Katharina von
Württemberg gehofft hatte. "Man tröste sich, so schloß der Oesterreicher,
und baue dort Schlösser auf Worte, wo man in der That sich nicht eine
recht deutliche Rechenschaft von dem zu geben weiß, was man eigent-
lich will, und wo man unbedingt mehr will als man kann. Die Zeit
wird eben auch dort ihre Rechte nicht verlieren."*)

Die üble Laune, die unverkennbar aus diesen Zeilen sprach, war nicht
blos durch die constitutionellen Reden des bairischen Selbstherrschers oder
durch die Posaunenstöße seiner liberalen Verehrer veranlaßt. König Lud-
wig gab sich wenig Mühe, seine Gesinnung gegen den Erbfeind Baierns
zu verbergen; er befahl die Befestigung von Ingolstadt, obwohl er wußte
daß Kaiser Franz diesen Entschluß als eine offenbare Feindseligkeit be-
trachtete,**) und verletzte die Hofburg empfindlich, indem er den unglück-
lichen Streit um die badische Pfalz, der seit den Beschlüssen des Aachener
Congresses endlich begraben schien, sogleich wieder auferweckte.***) In
Rohrbach und Mannheim erzogen, fühlte er sich ganz als Pfälzer, und
wie er schon als Kronprinz die vorgeblichen Ansprüche seines Hauses mit
der äußersten Hartnäckigkeit vertheidigt hatte, so hielt er es jetzt für könig-
liche Ehrenpflicht, um jeden Preis seine Heimath wieder unter wittels-
bachische Herrschaft zu bringen. Eine Fülle des Segens sollte sich über
das schöne Land ergießen: der Otto-Heinrichsbau in Heidelberg sollte auf-
erstehen aus seinen Trümmern, Mannheim die prunkende Residenz des
Bundestags werden, und wenn erst die Festungsreihe Philippsburg-Ger-
mersheim-Landau gebaut war, dann wurde Baiern das Preußen des
Oberrheins!

Verständigerweise ließ sich gar nicht erwarten, daß die großen Mächte
ihre dem badischen Hofe gegebenen Zusagen ohne jeden Grund zurücknehmen
würden. Ludwig aber glaubte, dasselbe Rußland, das in Aachen für Ba-
dens Recht eingetreten war, werde sich jetzt mit einem male auf Baierns
Seite stellen. Nach der Thronbesteigung des Kaisers Nikolaus sendete er
seinen Wrede um Glück zu wünschen nach Petersburg und schrieb dem
Czaren eigenhändig, er betrachte es als ein gutes Zeichen, daß sie Beide
fast gleichzeitig die Krone erlangt hätten. Dann bat er um Rußlands Bei-
stand und vergaß in seiner Begehrlichkeit sogar seinen gerühmten teutschen
Stolz: "ich sehe, so betheuerte er, in Rußland die stärkste Stütze Baierns;
ich wiederhole es, das ist mein politisches Glaubensbekenntniß!" Czar Niko-
laus gab, wie zu erwarten stand, eine höflich ausweichende Antwort, ver-

*) Hatzfeldt's Bericht, 23. Nov. 1825. Metternich, Weisung an den Gesandten
v. Hruby in Karlsruhe, 31. März 1826.
**) Blittersdorff's Bericht, 12. Dec. 1826.
***) S. o. II. 134 f., 482 f.

III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine.
larität; die Verfolgung einer und derſelben Braut vereint die Menſchen
nicht“ — eine boshafte Anſpielung auf die längſt vergangenen Tage, da
Kronprinz Ludwig auf die Hand der ſpäteren Königin Katharina von
Württemberg gehofft hatte. „Man tröſte ſich, ſo ſchloß der Oeſterreicher,
und baue dort Schlöſſer auf Worte, wo man in der That ſich nicht eine
recht deutliche Rechenſchaft von dem zu geben weiß, was man eigent-
lich will, und wo man unbedingt mehr will als man kann. Die Zeit
wird eben auch dort ihre Rechte nicht verlieren.“*)

Die üble Laune, die unverkennbar aus dieſen Zeilen ſprach, war nicht
blos durch die conſtitutionellen Reden des bairiſchen Selbſtherrſchers oder
durch die Poſaunenſtöße ſeiner liberalen Verehrer veranlaßt. König Lud-
wig gab ſich wenig Mühe, ſeine Geſinnung gegen den Erbfeind Baierns
zu verbergen; er befahl die Befeſtigung von Ingolſtadt, obwohl er wußte
daß Kaiſer Franz dieſen Entſchluß als eine offenbare Feindſeligkeit be-
trachtete,**) und verletzte die Hofburg empfindlich, indem er den unglück-
lichen Streit um die badiſche Pfalz, der ſeit den Beſchlüſſen des Aachener
Congreſſes endlich begraben ſchien, ſogleich wieder auferweckte.***) In
Rohrbach und Mannheim erzogen, fühlte er ſich ganz als Pfälzer, und
wie er ſchon als Kronprinz die vorgeblichen Anſprüche ſeines Hauſes mit
der äußerſten Hartnäckigkeit vertheidigt hatte, ſo hielt er es jetzt für könig-
liche Ehrenpflicht, um jeden Preis ſeine Heimath wieder unter wittels-
bachiſche Herrſchaft zu bringen. Eine Fülle des Segens ſollte ſich über
das ſchöne Land ergießen: der Otto-Heinrichsbau in Heidelberg ſollte auf-
erſtehen aus ſeinen Trümmern, Mannheim die prunkende Reſidenz des
Bundestags werden, und wenn erſt die Feſtungsreihe Philippsburg-Ger-
mersheim-Landau gebaut war, dann wurde Baiern das Preußen des
Oberrheins!

Verſtändigerweiſe ließ ſich gar nicht erwarten, daß die großen Mächte
ihre dem badiſchen Hofe gegebenen Zuſagen ohne jeden Grund zurücknehmen
würden. Ludwig aber glaubte, daſſelbe Rußland, das in Aachen für Ba-
dens Recht eingetreten war, werde ſich jetzt mit einem male auf Baierns
Seite ſtellen. Nach der Thronbeſteigung des Kaiſers Nikolaus ſendete er
ſeinen Wrede um Glück zu wünſchen nach Petersburg und ſchrieb dem
Czaren eigenhändig, er betrachte es als ein gutes Zeichen, daß ſie Beide
faſt gleichzeitig die Krone erlangt hätten. Dann bat er um Rußlands Bei-
ſtand und vergaß in ſeiner Begehrlichkeit ſogar ſeinen gerühmten teutſchen
Stolz: „ich ſehe, ſo betheuerte er, in Rußland die ſtärkſte Stütze Baierns;
ich wiederhole es, das iſt mein politiſches Glaubensbekenntniß!“ Czar Niko-
laus gab, wie zu erwarten ſtand, eine höflich ausweichende Antwort, ver-

*) Hatzfeldt’s Bericht, 23. Nov. 1825. Metternich, Weiſung an den Geſandten
v. Hruby in Karlsruhe, 31. März 1826.
**) Blittersdorff’s Bericht, 12. Dec. 1826.
***) S. o. II. 134 f., 482 f.
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[620/0636] III. 8. Der Zollkrieg und die erſten Zollvereine. larität; die Verfolgung einer und derſelben Braut vereint die Menſchen nicht“ — eine boshafte Anſpielung auf die längſt vergangenen Tage, da Kronprinz Ludwig auf die Hand der ſpäteren Königin Katharina von Württemberg gehofft hatte. „Man tröſte ſich, ſo ſchloß der Oeſterreicher, und baue dort Schlöſſer auf Worte, wo man in der That ſich nicht eine recht deutliche Rechenſchaft von dem zu geben weiß, was man eigent- lich will, und wo man unbedingt mehr will als man kann. Die Zeit wird eben auch dort ihre Rechte nicht verlieren.“ *) Die üble Laune, die unverkennbar aus dieſen Zeilen ſprach, war nicht blos durch die conſtitutionellen Reden des bairiſchen Selbſtherrſchers oder durch die Poſaunenſtöße ſeiner liberalen Verehrer veranlaßt. König Lud- wig gab ſich wenig Mühe, ſeine Geſinnung gegen den Erbfeind Baierns zu verbergen; er befahl die Befeſtigung von Ingolſtadt, obwohl er wußte daß Kaiſer Franz dieſen Entſchluß als eine offenbare Feindſeligkeit be- trachtete, **) und verletzte die Hofburg empfindlich, indem er den unglück- lichen Streit um die badiſche Pfalz, der ſeit den Beſchlüſſen des Aachener Congreſſes endlich begraben ſchien, ſogleich wieder auferweckte. ***) In Rohrbach und Mannheim erzogen, fühlte er ſich ganz als Pfälzer, und wie er ſchon als Kronprinz die vorgeblichen Anſprüche ſeines Hauſes mit der äußerſten Hartnäckigkeit vertheidigt hatte, ſo hielt er es jetzt für könig- liche Ehrenpflicht, um jeden Preis ſeine Heimath wieder unter wittels- bachiſche Herrſchaft zu bringen. Eine Fülle des Segens ſollte ſich über das ſchöne Land ergießen: der Otto-Heinrichsbau in Heidelberg ſollte auf- erſtehen aus ſeinen Trümmern, Mannheim die prunkende Reſidenz des Bundestags werden, und wenn erſt die Feſtungsreihe Philippsburg-Ger- mersheim-Landau gebaut war, dann wurde Baiern das Preußen des Oberrheins! Verſtändigerweiſe ließ ſich gar nicht erwarten, daß die großen Mächte ihre dem badiſchen Hofe gegebenen Zuſagen ohne jeden Grund zurücknehmen würden. Ludwig aber glaubte, daſſelbe Rußland, das in Aachen für Ba- dens Recht eingetreten war, werde ſich jetzt mit einem male auf Baierns Seite ſtellen. Nach der Thronbeſteigung des Kaiſers Nikolaus ſendete er ſeinen Wrede um Glück zu wünſchen nach Petersburg und ſchrieb dem Czaren eigenhändig, er betrachte es als ein gutes Zeichen, daß ſie Beide faſt gleichzeitig die Krone erlangt hätten. Dann bat er um Rußlands Bei- ſtand und vergaß in ſeiner Begehrlichkeit ſogar ſeinen gerühmten teutſchen Stolz: „ich ſehe, ſo betheuerte er, in Rußland die ſtärkſte Stütze Baierns; ich wiederhole es, das iſt mein politiſches Glaubensbekenntniß!“ Czar Niko- laus gab, wie zu erwarten ſtand, eine höflich ausweichende Antwort, ver- *) Hatzfeldt’s Bericht, 23. Nov. 1825. Metternich, Weiſung an den Geſandten v. Hruby in Karlsruhe, 31. März 1826. **) Blittersdorff’s Bericht, 12. Dec. 1826. ***) S. o. II. 134 f., 482 f.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/636>, abgerufen am 15.05.2024.