zichtete auf alle Genüsse des Wohllebens um sich die Kosten für seine Kunstwerke abzusparen; aber wenn die Leidenschaft für ein schönes Weib ihn packte, dann vergaß er alle Selbstbeherrschung, alle Rücksicht auf seine trotz alledem geliebte Gemahlin, die Königin Therese und zeigte seine Nei- gung mit einer hellenischen Unbefangenheit, die in der nüchternen modernen Welt Aergerniß erregen mußte.
Freilich trugen die Baiern selber einige Mitschuld an dieser naiven Rücksichtslosigkeit ihres Königs, da sie ihn schon bei seiner Thronbesteigung mit überschwänglichen Huldigungen begrüßten, die auch einen kühleren Kopf berauschen konnten. Thiersch sagte gradezu: "hier ist mehr als Friedrich!" Platen verkündete die künstlerischen und politischen Hoffnungen des jungen Geschlechts in einer schwungvollen Ode:
Du siehst im Marmor keinen Marmor, Aber ein künftiges Jovis-Antlitz. Ins Wappenschild uralter Sitte Fügst Du die Rosen der jüngsten Freiheit!
Politisch bedeutsamer war eine hochpathetische Ansprache des Kurfürsten Maximilian I. an den neuen König, welche Görres im "Katholiken" er- scheinen ließ: da mahnte der Stifter der katholischen Liga, der gestrenge Bändiger der altbairischen Ständefreiheit seinen Enkel zur Verfassungs- treue, zur Wahrung des confessionellen Friedens, zum Kampfe wider die Zeloten von zweierlei Art, welche Glauben und Geistesfreiheit für unver- einbar halten. Der leitende Gedanke der Schrift lag nicht in diesen schil- lernden liberalen Schlagworten, sondern in dem unzweideutigen Satze: König Ludwig solle ein Schirmvogt des katholischen Glaubens sein, "da- mit Baiern wieder werde, was es zuvor gewesen ehe sie das Gegentheil ihm angelogen, ein Schild und Eckstein der deutschen Kirche." Der cleri- cale Demagog meinte in dem gekrönten Romantiker den Mann gefunden zu haben, der die vollständige Ausführung des Concordats nicht länger durch "sogenannte organische Edikte" hemmen und "die böse Sekte des Verstandesfanatism" aus dem rechtgläubigen Baierlande austreiben werde. An schwülstigen Lobsprüchen ließ er es nicht fehlen.
Nun gar die kleinen bairischen Zeitungsschreiber überboten einander in Schmeicheleien, deren Plumpheit selbst im diplomatischen Corps Ekel erregte*): "Baierns Ludwig" hieß der teutscheste der teutschen Fürsten, der Stern aller teutschgesinnten Männer, der Weise auf dem Throne; zum Namenstage seiner Gemahlin erschien der Mond am Himmel um unter- thänig Glück zu wünschen! Selbst sein militärisches Genie, das unter seinen mannichfachen Gaben unzweifelhaft die letzte Stelle einnahm, wurde ge- priesen; man nannte ihn "den lorbeergekrönten Sieger von Pultusk", ob- gleich die Veteranen alle wußten, wie unschuldig der damals einunzwanzig-
*) Küster's Bericht, 11. Okt. 1826.
König Ludwig von Baiern.
zichtete auf alle Genüſſe des Wohllebens um ſich die Koſten für ſeine Kunſtwerke abzuſparen; aber wenn die Leidenſchaft für ein ſchönes Weib ihn packte, dann vergaß er alle Selbſtbeherrſchung, alle Rückſicht auf ſeine trotz alledem geliebte Gemahlin, die Königin Thereſe und zeigte ſeine Nei- gung mit einer helleniſchen Unbefangenheit, die in der nüchternen modernen Welt Aergerniß erregen mußte.
Freilich trugen die Baiern ſelber einige Mitſchuld an dieſer naiven Rückſichtsloſigkeit ihres Königs, da ſie ihn ſchon bei ſeiner Thronbeſteigung mit überſchwänglichen Huldigungen begrüßten, die auch einen kühleren Kopf berauſchen konnten. Thierſch ſagte gradezu: „hier iſt mehr als Friedrich!“ Platen verkündete die künſtleriſchen und politiſchen Hoffnungen des jungen Geſchlechts in einer ſchwungvollen Ode:
Du ſiehſt im Marmor keinen Marmor, Aber ein künftiges Jovis-Antlitz. Ins Wappenſchild uralter Sitte Fügſt Du die Roſen der jüngſten Freiheit!
Politiſch bedeutſamer war eine hochpathetiſche Anſprache des Kurfürſten Maximilian I. an den neuen König, welche Görres im „Katholiken“ er- ſcheinen ließ: da mahnte der Stifter der katholiſchen Liga, der geſtrenge Bändiger der altbairiſchen Ständefreiheit ſeinen Enkel zur Verfaſſungs- treue, zur Wahrung des confeſſionellen Friedens, zum Kampfe wider die Zeloten von zweierlei Art, welche Glauben und Geiſtesfreiheit für unver- einbar halten. Der leitende Gedanke der Schrift lag nicht in dieſen ſchil- lernden liberalen Schlagworten, ſondern in dem unzweideutigen Satze: König Ludwig ſolle ein Schirmvogt des katholiſchen Glaubens ſein, „da- mit Baiern wieder werde, was es zuvor geweſen ehe ſie das Gegentheil ihm angelogen, ein Schild und Eckſtein der deutſchen Kirche.“ Der cleri- cale Demagog meinte in dem gekrönten Romantiker den Mann gefunden zu haben, der die vollſtändige Ausführung des Concordats nicht länger durch „ſogenannte organiſche Edikte“ hemmen und „die böſe Sekte des Verſtandesfanatism“ aus dem rechtgläubigen Baierlande austreiben werde. An ſchwülſtigen Lobſprüchen ließ er es nicht fehlen.
Nun gar die kleinen bairiſchen Zeitungsſchreiber überboten einander in Schmeicheleien, deren Plumpheit ſelbſt im diplomatiſchen Corps Ekel erregte*): „Baierns Ludwig“ hieß der teutſcheſte der teutſchen Fürſten, der Stern aller teutſchgeſinnten Männer, der Weiſe auf dem Throne; zum Namenstage ſeiner Gemahlin erſchien der Mond am Himmel um unter- thänig Glück zu wünſchen! Selbſt ſein militäriſches Genie, das unter ſeinen mannichfachen Gaben unzweifelhaft die letzte Stelle einnahm, wurde ge- prieſen; man nannte ihn „den lorbeergekrönten Sieger von Pultusk“, ob- gleich die Veteranen alle wußten, wie unſchuldig der damals einunzwanzig-
*) Küſter’s Bericht, 11. Okt. 1826.
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König Ludwig von Baiern.
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Kunſtwerke abzuſparen; aber wenn die Leidenſchaft für ein ſchönes Weib
ihn packte, dann vergaß er alle Selbſtbeherrſchung, alle Rückſicht auf ſeine
trotz alledem geliebte Gemahlin, die Königin Thereſe und zeigte ſeine Nei-
gung mit einer helleniſchen Unbefangenheit, die in der nüchternen modernen
Welt Aergerniß erregen mußte.
Freilich trugen die Baiern ſelber einige Mitſchuld an dieſer naiven
Rückſichtsloſigkeit ihres Königs, da ſie ihn ſchon bei ſeiner Thronbeſteigung
mit überſchwänglichen Huldigungen begrüßten, die auch einen kühleren Kopf
berauſchen konnten. Thierſch ſagte gradezu: „hier iſt mehr als Friedrich!“
Platen verkündete die künſtleriſchen und politiſchen Hoffnungen des jungen
Geſchlechts in einer ſchwungvollen Ode:
Du ſiehſt im Marmor keinen Marmor,
Aber ein künftiges Jovis-Antlitz.
Ins Wappenſchild uralter Sitte
Fügſt Du die Roſen der jüngſten Freiheit!
Politiſch bedeutſamer war eine hochpathetiſche Anſprache des Kurfürſten
Maximilian I. an den neuen König, welche Görres im „Katholiken“ er-
ſcheinen ließ: da mahnte der Stifter der katholiſchen Liga, der geſtrenge
Bändiger der altbairiſchen Ständefreiheit ſeinen Enkel zur Verfaſſungs-
treue, zur Wahrung des confeſſionellen Friedens, zum Kampfe wider die
Zeloten von zweierlei Art, welche Glauben und Geiſtesfreiheit für unver-
einbar halten. Der leitende Gedanke der Schrift lag nicht in dieſen ſchil-
lernden liberalen Schlagworten, ſondern in dem unzweideutigen Satze:
König Ludwig ſolle ein Schirmvogt des katholiſchen Glaubens ſein, „da-
mit Baiern wieder werde, was es zuvor geweſen ehe ſie das Gegentheil
ihm angelogen, ein Schild und Eckſtein der deutſchen Kirche.“ Der cleri-
cale Demagog meinte in dem gekrönten Romantiker den Mann gefunden
zu haben, der die vollſtändige Ausführung des Concordats nicht länger
durch „ſogenannte organiſche Edikte“ hemmen und „die böſe Sekte des
Verſtandesfanatism“ aus dem rechtgläubigen Baierlande austreiben werde.
An ſchwülſtigen Lobſprüchen ließ er es nicht fehlen.
Nun gar die kleinen bairiſchen Zeitungsſchreiber überboten einander
in Schmeicheleien, deren Plumpheit ſelbſt im diplomatiſchen Corps Ekel
erregte *): „Baierns Ludwig“ hieß der teutſcheſte der teutſchen Fürſten, der
Stern aller teutſchgeſinnten Männer, der Weiſe auf dem Throne; zum
Namenstage ſeiner Gemahlin erſchien der Mond am Himmel um unter-
thänig Glück zu wünſchen! Selbſt ſein militäriſches Genie, das unter ſeinen
mannichfachen Gaben unzweifelhaft die letzte Stelle einnahm, wurde ge-
prieſen; man nannte ihn „den lorbeergekrönten Sieger von Pultusk“, ob-
gleich die Veteranen alle wußten, wie unſchuldig der damals einunzwanzig-
*) Küſter’s Bericht, 11. Okt. 1826.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/621>, abgerufen am 24.11.2024.
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