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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Bundesbeschluß über Holstein.
wesen und der Widerspruchsgeist des Bundesgesandten Hammerstein stimm-
ten diesmal überein. Der Hannoveraner äußerte sich sehr scharf und
sagte dem Dänen gradezu: es scheint mir, daß es unmöglich ist, die Wirk-
samkeit dieser Verfassung mehr anzuerkennen als in der k. Bestätigung
vom Jahre 1816 geschehen ist."

Oesterreich aber sah in den Bittenden einfach Revolutionäre. Graf
Münch beantragte die Ritterschaft abzuweisen und sie zu vertrösten auf
die von Dänemark versprochene dereinstige Verleihung einer neuen Ver-
fassung: denn niemals werde der kaiserliche Hof dulden, daß der Bund
den Souveränen Fristen setze für die Einführung von Landständen. "Der
bedächtige Deutsche, sagte er salbungsvoll, wird um des umsichtigen und
Alles wohl erwägenden Vorgangs seines Fürsten willen nicht Mißtrauen
in die Reinheit des Willens der Regierung setzen, und der treue Deutsche
wird in dieser, alle Rücksichten mit landesväterlichem Sinne wohl um-
fassenden Sorgfalt sich nur noch inniger an seinen Landesfürsten an-
schließen." In einem ruhiger gehaltenen Vortrage stimmte Goltz der An-
sicht Oesterreichs zu, wofür König Friedrich VI. dem Berliner Hofe seinen
gerührten Dank aussprechen ließ;*) desgleichen die Mehrheit der übrigen
Gesandten.

Der Beschluß wurde über die Ferien hinaus verschoben. Während
der Ferien aber erfolgte die Epuration des Bundestags, die Vernichtung
der Wangenheimischen Partei, und als man endlich am 27. Nov. 1823
abstimmte, wagte Niemand mehr dem Antrage Oesterreichs zu widersprechen;
selbst Hammerstein schwieg.**) Am Tage zuvor hatte Dahlmann eine
zweite Eingabe, zur Widerlegung der Behauptungen des dänischen Ge-
sandten, einreichen lassen. Graf Münch aber belegte die tausend Exem-
plare mit Beschlag und untersagte die Vertheilung an die Bundesgesandten.
Erst nachträglich, im Januar 1824, berichtete sein getreuer Blittersdorff
über diese zweite Denkschrift. Der hatte nach seiner frivolen Weise über
die Bemühungen der Freunde Wangenheim's gewitzelt und seinem Hofe
rundheraus erklärt: mit solchen Leuten könne er auf keinen Fall zusammen-
gehen, schon um nicht selber verdächtig zu werden.***) Nun bethätigte er
seine gute Gesinnung durch eine leidenschaftliche Polemik wider Dahlmann,
da "die Ritterschaft zu achtungswerth sei als daß man ihr dergleichen zur
Last legen könnte." Er rügte, daß Dahlmann seine Stellung zum Bun-
destage durchaus verkannt habe. Kläger und Beklagter vor der Bundes-
versammlung seien keineswegs "Parteien, die auf gleicher Stufe stünden";
niemals dürften Privatleute die Erklärungen der Bundestagsgesandten
einer unpassenden Kritik unterziehen. Damit war auch die zweite Denk-

*) Dohna's Bericht, 26. Juli 1823.
**) Goltz's Bericht, 29. Nov. 1823.
***) Blittersdorff's Berichte, 6. April, 11. Juli 1823.

Bundesbeſchluß über Holſtein.
weſen und der Widerſpruchsgeiſt des Bundesgeſandten Hammerſtein ſtimm-
ten diesmal überein. Der Hannoveraner äußerte ſich ſehr ſcharf und
ſagte dem Dänen gradezu: es ſcheint mir, daß es unmöglich iſt, die Wirk-
ſamkeit dieſer Verfaſſung mehr anzuerkennen als in der k. Beſtätigung
vom Jahre 1816 geſchehen iſt.“

Oeſterreich aber ſah in den Bittenden einfach Revolutionäre. Graf
Münch beantragte die Ritterſchaft abzuweiſen und ſie zu vertröſten auf
die von Dänemark verſprochene dereinſtige Verleihung einer neuen Ver-
faſſung: denn niemals werde der kaiſerliche Hof dulden, daß der Bund
den Souveränen Friſten ſetze für die Einführung von Landſtänden. „Der
bedächtige Deutſche, ſagte er ſalbungsvoll, wird um des umſichtigen und
Alles wohl erwägenden Vorgangs ſeines Fürſten willen nicht Mißtrauen
in die Reinheit des Willens der Regierung ſetzen, und der treue Deutſche
wird in dieſer, alle Rückſichten mit landesväterlichem Sinne wohl um-
faſſenden Sorgfalt ſich nur noch inniger an ſeinen Landesfürſten an-
ſchließen.“ In einem ruhiger gehaltenen Vortrage ſtimmte Goltz der An-
ſicht Oeſterreichs zu, wofür König Friedrich VI. dem Berliner Hofe ſeinen
gerührten Dank ausſprechen ließ;*) desgleichen die Mehrheit der übrigen
Geſandten.

Der Beſchluß wurde über die Ferien hinaus verſchoben. Während
der Ferien aber erfolgte die Epuration des Bundestags, die Vernichtung
der Wangenheimiſchen Partei, und als man endlich am 27. Nov. 1823
abſtimmte, wagte Niemand mehr dem Antrage Oeſterreichs zu widerſprechen;
ſelbſt Hammerſtein ſchwieg.**) Am Tage zuvor hatte Dahlmann eine
zweite Eingabe, zur Widerlegung der Behauptungen des däniſchen Ge-
ſandten, einreichen laſſen. Graf Münch aber belegte die tauſend Exem-
plare mit Beſchlag und unterſagte die Vertheilung an die Bundesgeſandten.
Erſt nachträglich, im Januar 1824, berichtete ſein getreuer Blittersdorff
über dieſe zweite Denkſchrift. Der hatte nach ſeiner frivolen Weiſe über
die Bemühungen der Freunde Wangenheim’s gewitzelt und ſeinem Hofe
rundheraus erklärt: mit ſolchen Leuten könne er auf keinen Fall zuſammen-
gehen, ſchon um nicht ſelber verdächtig zu werden.***) Nun bethätigte er
ſeine gute Geſinnung durch eine leidenſchaftliche Polemik wider Dahlmann,
da „die Ritterſchaft zu achtungswerth ſei als daß man ihr dergleichen zur
Laſt legen könnte.“ Er rügte, daß Dahlmann ſeine Stellung zum Bun-
destage durchaus verkannt habe. Kläger und Beklagter vor der Bundes-
verſammlung ſeien keineswegs „Parteien, die auf gleicher Stufe ſtünden“;
niemals dürften Privatleute die Erklärungen der Bundestagsgeſandten
einer unpaſſenden Kritik unterziehen. Damit war auch die zweite Denk-

*) Dohna’s Bericht, 26. Juli 1823.
**) Goltz’s Bericht, 29. Nov. 1823.
***) Blittersdorff’s Berichte, 6. April, 11. Juli 1823.
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[601/0617] Bundesbeſchluß über Holſtein. weſen und der Widerſpruchsgeiſt des Bundesgeſandten Hammerſtein ſtimm- ten diesmal überein. Der Hannoveraner äußerte ſich ſehr ſcharf und ſagte dem Dänen gradezu: es ſcheint mir, daß es unmöglich iſt, die Wirk- ſamkeit dieſer Verfaſſung mehr anzuerkennen als in der k. Beſtätigung vom Jahre 1816 geſchehen iſt.“ Oeſterreich aber ſah in den Bittenden einfach Revolutionäre. Graf Münch beantragte die Ritterſchaft abzuweiſen und ſie zu vertröſten auf die von Dänemark verſprochene dereinſtige Verleihung einer neuen Ver- faſſung: denn niemals werde der kaiſerliche Hof dulden, daß der Bund den Souveränen Friſten ſetze für die Einführung von Landſtänden. „Der bedächtige Deutſche, ſagte er ſalbungsvoll, wird um des umſichtigen und Alles wohl erwägenden Vorgangs ſeines Fürſten willen nicht Mißtrauen in die Reinheit des Willens der Regierung ſetzen, und der treue Deutſche wird in dieſer, alle Rückſichten mit landesväterlichem Sinne wohl um- faſſenden Sorgfalt ſich nur noch inniger an ſeinen Landesfürſten an- ſchließen.“ In einem ruhiger gehaltenen Vortrage ſtimmte Goltz der An- ſicht Oeſterreichs zu, wofür König Friedrich VI. dem Berliner Hofe ſeinen gerührten Dank ausſprechen ließ; *) desgleichen die Mehrheit der übrigen Geſandten. Der Beſchluß wurde über die Ferien hinaus verſchoben. Während der Ferien aber erfolgte die Epuration des Bundestags, die Vernichtung der Wangenheimiſchen Partei, und als man endlich am 27. Nov. 1823 abſtimmte, wagte Niemand mehr dem Antrage Oeſterreichs zu widerſprechen; ſelbſt Hammerſtein ſchwieg. **) Am Tage zuvor hatte Dahlmann eine zweite Eingabe, zur Widerlegung der Behauptungen des däniſchen Ge- ſandten, einreichen laſſen. Graf Münch aber belegte die tauſend Exem- plare mit Beſchlag und unterſagte die Vertheilung an die Bundesgeſandten. Erſt nachträglich, im Januar 1824, berichtete ſein getreuer Blittersdorff über dieſe zweite Denkſchrift. Der hatte nach ſeiner frivolen Weiſe über die Bemühungen der Freunde Wangenheim’s gewitzelt und ſeinem Hofe rundheraus erklärt: mit ſolchen Leuten könne er auf keinen Fall zuſammen- gehen, ſchon um nicht ſelber verdächtig zu werden. ***) Nun bethätigte er ſeine gute Geſinnung durch eine leidenſchaftliche Polemik wider Dahlmann, da „die Ritterſchaft zu achtungswerth ſei als daß man ihr dergleichen zur Laſt legen könnte.“ Er rügte, daß Dahlmann ſeine Stellung zum Bun- destage durchaus verkannt habe. Kläger und Beklagter vor der Bundes- verſammlung ſeien keineswegs „Parteien, die auf gleicher Stufe ſtünden“; niemals dürften Privatleute die Erklärungen der Bundestagsgeſandten einer unpaſſenden Kritik unterziehen. Damit war auch die zweite Denk- *) Dohna’s Bericht, 26. Juli 1823. **) Goltz’s Bericht, 29. Nov. 1823. ***) Blittersdorff’s Berichte, 6. April, 11. Juli 1823.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/617>, abgerufen am 24.11.2024.