Mainlinie zusammenhingen, ließ sich eine Erweiterung des Zollsystems über die kleinen Enclaven hinaus nicht absehen.
Erst durch Motz wurde der Bannkreis dieser norddeutschen Ideen durch- brochen. Hierin und in der Beseitigung des Deficits, die eine Handels- politik großen Stiles erst ermöglichte, liegt sein bleibendes Verdienst. Er zuerst unter den preußischen Staatsmännern verfiel auf die Frage: ob nicht in dem wunderlichen Durcheinander unserer Kleinstaaterei der Um- weg vielleicht rascher zum Ziele führe als die gerade Linie? ob man nicht die Nachbarn, die nicht zu überzeugen waren, vielmehr umgehen und um- klammern müsse? Der kühne Spieler kam mit seinen Bauern auf dem Brette nicht vorwärts und ließ darum die Springer vorgehen. Er faßte sich das Herz, sobald eine günstige Stunde kam, über Kurhessen und die anderen unmittelbaren Nachbarn hinweg den süddeutschen Staaten die Hand zu reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutsche Welt den ewigen Bund zwischen Oesterreich und Preußen für ein unverbrüch- liches Gesetz ansah, ging er gradeswegs auf das Ziel los, das gesammte Deutschland mit Ausschluß Oesterreichs durch das unzertrennliche Band wirthschaftlicher Interessen unter der Führung Preußens für immer zu vereinigen und also die Befreiung von der Herrschaft des Hauses Loth- ringen vorzubereiten. Sobald dieser Entschluß fest stand, war das Eis gebrochen. Der steile Weg war betreten, der die Handelspolitik Preußens rasch von Erfolg zu Erfolg führen sollte.
Der Schlüssel zum Verständniß dieser segensreichen Wendung unserer Geschicke liegt in dem verkümmerten Stillleben der norddeutschen Klein- staaten. --
Motz’s Zollvereinspläne.
Mainlinie zuſammenhingen, ließ ſich eine Erweiterung des Zollſyſtems über die kleinen Enclaven hinaus nicht abſehen.
Erſt durch Motz wurde der Bannkreis dieſer norddeutſchen Ideen durch- brochen. Hierin und in der Beſeitigung des Deficits, die eine Handels- politik großen Stiles erſt ermöglichte, liegt ſein bleibendes Verdienſt. Er zuerſt unter den preußiſchen Staatsmännern verfiel auf die Frage: ob nicht in dem wunderlichen Durcheinander unſerer Kleinſtaaterei der Um- weg vielleicht raſcher zum Ziele führe als die gerade Linie? ob man nicht die Nachbarn, die nicht zu überzeugen waren, vielmehr umgehen und um- klammern müſſe? Der kühne Spieler kam mit ſeinen Bauern auf dem Brette nicht vorwärts und ließ darum die Springer vorgehen. Er faßte ſich das Herz, ſobald eine günſtige Stunde kam, über Kurheſſen und die anderen unmittelbaren Nachbarn hinweg den ſüddeutſchen Staaten die Hand zu reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutſche Welt den ewigen Bund zwiſchen Oeſterreich und Preußen für ein unverbrüch- liches Geſetz anſah, ging er gradeswegs auf das Ziel los, das geſammte Deutſchland mit Ausſchluß Oeſterreichs durch das unzertrennliche Band wirthſchaftlicher Intereſſen unter der Führung Preußens für immer zu vereinigen und alſo die Befreiung von der Herrſchaft des Hauſes Loth- ringen vorzubereiten. Sobald dieſer Entſchluß feſt ſtand, war das Eis gebrochen. Der ſteile Weg war betreten, der die Handelspolitik Preußens raſch von Erfolg zu Erfolg führen ſollte.
Der Schlüſſel zum Verſtändniß dieſer ſegensreichen Wendung unſerer Geſchicke liegt in dem verkümmerten Stillleben der norddeutſchen Klein- ſtaaten. —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0501"n="485"/><fwplace="top"type="header">Motz’s Zollvereinspläne.</fw><lb/>
Mainlinie zuſammenhingen, ließ ſich eine Erweiterung des Zollſyſtems<lb/>
über die kleinen Enclaven hinaus nicht abſehen.</p><lb/><p>Erſt durch Motz wurde der Bannkreis dieſer norddeutſchen Ideen durch-<lb/>
brochen. Hierin und in der Beſeitigung des Deficits, die eine Handels-<lb/>
politik großen Stiles erſt ermöglichte, liegt ſein bleibendes Verdienſt. Er<lb/>
zuerſt unter den preußiſchen Staatsmännern verfiel auf die Frage: ob<lb/>
nicht in dem wunderlichen Durcheinander unſerer Kleinſtaaterei der Um-<lb/>
weg vielleicht raſcher zum Ziele führe als die gerade Linie? ob man nicht<lb/>
die Nachbarn, die nicht zu überzeugen waren, vielmehr umgehen und um-<lb/>
klammern müſſe? Der kühne Spieler kam mit ſeinen Bauern auf dem<lb/>
Brette nicht vorwärts und ließ darum die Springer vorgehen. Er faßte<lb/>ſich das Herz, ſobald eine günſtige Stunde kam, über Kurheſſen und die<lb/>
anderen unmittelbaren Nachbarn hinweg den ſüddeutſchen Staaten die<lb/>
Hand zu reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutſche Welt den<lb/>
ewigen Bund zwiſchen Oeſterreich und Preußen für ein unverbrüch-<lb/>
liches Geſetz anſah, ging er gradeswegs auf das Ziel los, das geſammte<lb/>
Deutſchland mit Ausſchluß Oeſterreichs durch das unzertrennliche Band<lb/>
wirthſchaftlicher Intereſſen unter der Führung Preußens für immer zu<lb/>
vereinigen und alſo die Befreiung von der Herrſchaft des Hauſes Loth-<lb/>
ringen vorzubereiten. Sobald dieſer Entſchluß feſt ſtand, war das Eis<lb/>
gebrochen. Der ſteile Weg war betreten, der die Handelspolitik Preußens<lb/>
raſch von Erfolg zu Erfolg führen ſollte.</p><lb/><p>Der Schlüſſel zum Verſtändniß dieſer ſegensreichen Wendung unſerer<lb/>
Geſchicke liegt in dem verkümmerten Stillleben der norddeutſchen Klein-<lb/>ſtaaten. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[485/0501]
Motz’s Zollvereinspläne.
Mainlinie zuſammenhingen, ließ ſich eine Erweiterung des Zollſyſtems
über die kleinen Enclaven hinaus nicht abſehen.
Erſt durch Motz wurde der Bannkreis dieſer norddeutſchen Ideen durch-
brochen. Hierin und in der Beſeitigung des Deficits, die eine Handels-
politik großen Stiles erſt ermöglichte, liegt ſein bleibendes Verdienſt. Er
zuerſt unter den preußiſchen Staatsmännern verfiel auf die Frage: ob
nicht in dem wunderlichen Durcheinander unſerer Kleinſtaaterei der Um-
weg vielleicht raſcher zum Ziele führe als die gerade Linie? ob man nicht
die Nachbarn, die nicht zu überzeugen waren, vielmehr umgehen und um-
klammern müſſe? Der kühne Spieler kam mit ſeinen Bauern auf dem
Brette nicht vorwärts und ließ darum die Springer vorgehen. Er faßte
ſich das Herz, ſobald eine günſtige Stunde kam, über Kurheſſen und die
anderen unmittelbaren Nachbarn hinweg den ſüddeutſchen Staaten die
Hand zu reichen. In einer Zeit, da die amtliche deutſche Welt den
ewigen Bund zwiſchen Oeſterreich und Preußen für ein unverbrüch-
liches Geſetz anſah, ging er gradeswegs auf das Ziel los, das geſammte
Deutſchland mit Ausſchluß Oeſterreichs durch das unzertrennliche Band
wirthſchaftlicher Intereſſen unter der Führung Preußens für immer zu
vereinigen und alſo die Befreiung von der Herrſchaft des Hauſes Loth-
ringen vorzubereiten. Sobald dieſer Entſchluß feſt ſtand, war das Eis
gebrochen. Der ſteile Weg war betreten, der die Handelspolitik Preußens
raſch von Erfolg zu Erfolg führen ſollte.
Der Schlüſſel zum Verſtändniß dieſer ſegensreichen Wendung unſerer
Geſchicke liegt in dem verkümmerten Stillleben der norddeutſchen Klein-
ſtaaten. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/501>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.