Verbindung wohl gekannt, ohne aber hiervon der Behörde Anzeige ge- macht zu haben, mit einem außerordentlichen zweijährigen Festungsarrest bestraft." In Hessen, Württemberg, Mecklenburg urtheilten die Richter über dasselbe Verbrechen weit milder. In Baiern wurden die Angeklagten sämmtlich vorläufig freigelassen, freilich erst nach einer langen, harten Untersuchungshaft, die dem armen Karl Feuerbach den Geist zerrüttete. König Friedrich Wilhelm nahm den leidigen Handel anfangs sehr schwer. Einem Beamten, der sich für einen der Angeklagten verwendete, ertheilte er eine scharfe Rüge: "ich muß Sie für einen Theilnehmer der höchstverderb- lichen Meinung halten, daß die im Finstern schleichenden verbrecherischen Umtriebe verzeihlich sind, weil sie aus irrthümlichen Ansichten entspringen." Begnadigen wollte er erst, wenn jeder der Schuldigen ein Drittel seiner Strafe abgebüßt hätte.*) Gleichwohl siegte sein gutes Herz bald über die strengen Vorsätze: er fühlte, daß die jungen Leute durch die lange Unter- suchung schon genug gelitten hatten, und erließ ihnen sämmtlich, den meisten schon nach Jahresfrist die Strafe.
Alle diese Verfolgungen wurden von Metternich und Hatzfeldt mit unermüdlichem Eifer überwacht. Welche Entrüstung in Wien, als das Zerbster Appellationsgericht ein Mitglied des Jünglingsbundes nur zu kurzer, leichter Haft verurtheilte -- weil man doch nicht wissen könne, ob der junge Mann späterhin bei größerer Reife des Geistes seine Pläne wirklich ausgeführt hätte. Sofort ließ Metternich die Mainzer Commission zum Einschreiten auffordern, aber der redliche Präsident Kaisenberg weigerte sich den Gang der Rechtspflege zu stören, obgleich ihm auch Schuckmann die gleiche Zumuthung stellte. Dann abermals große Aufregung in der Hofburg und scharfe Verwarnungen an das Darmstädter Cabinet, als die milden Urtheile der hessischen Gerichte "einen neuen Skandal für ganz Deutschland" geschaffen hatten.**)
Während die große Untersuchung gegen den Jünglingsbund noch schwebte wurde zugleich auch unter den übrigen Studentenvereinen gründlich aufgeräumt. An der Berliner Universität blühte noch nach 1819 ein man- nichfaltiges und kräftiges Verbindungsleben; das brach nun alles zusammen, seit der neue Regierungsbevollmächtigte Schulz mit seinen plumpen Fäusten dazwischenfuhr. Auch ein Herminenbund mit dem schrecklichen Wahlspruche "Einheit, Freiheit, Gleichheit" wurde dort entdeckt; seine Mitglieder kamen aber alle mit leichten Disciplinarstrafen davon, da Stägemann und Alten- stein dem Könige die Harmlosigkeit der Sache nachwiesen.***) Wittgenstein dagegen und Schuckmann stimmten stets für Strenge. Unglaublich, mit
*) Cabinetsordres an Landrath v. Borries, 12. März 1824, an Schuckmann, 13. Okt. 1827.
**) Hatzfeldt's Berichte, 26. Mai 1825, 16. Nov. 1826.
***) Stägemann's Denkschrift über die Arminia, 6. Mai, Wittgenstein's Bericht an den König, 8. Mai 1823.
Einſchreiten gegen den Jünglingsbund.
Verbindung wohl gekannt, ohne aber hiervon der Behörde Anzeige ge- macht zu haben, mit einem außerordentlichen zweijährigen Feſtungsarreſt beſtraft.“ In Heſſen, Württemberg, Mecklenburg urtheilten die Richter über daſſelbe Verbrechen weit milder. In Baiern wurden die Angeklagten ſämmtlich vorläufig freigelaſſen, freilich erſt nach einer langen, harten Unterſuchungshaft, die dem armen Karl Feuerbach den Geiſt zerrüttete. König Friedrich Wilhelm nahm den leidigen Handel anfangs ſehr ſchwer. Einem Beamten, der ſich für einen der Angeklagten verwendete, ertheilte er eine ſcharfe Rüge: „ich muß Sie für einen Theilnehmer der höchſtverderb- lichen Meinung halten, daß die im Finſtern ſchleichenden verbrecheriſchen Umtriebe verzeihlich ſind, weil ſie aus irrthümlichen Anſichten entſpringen.“ Begnadigen wollte er erſt, wenn jeder der Schuldigen ein Drittel ſeiner Strafe abgebüßt hätte.*) Gleichwohl ſiegte ſein gutes Herz bald über die ſtrengen Vorſätze: er fühlte, daß die jungen Leute durch die lange Unter- ſuchung ſchon genug gelitten hatten, und erließ ihnen ſämmtlich, den meiſten ſchon nach Jahresfriſt die Strafe.
Alle dieſe Verfolgungen wurden von Metternich und Hatzfeldt mit unermüdlichem Eifer überwacht. Welche Entrüſtung in Wien, als das Zerbſter Appellationsgericht ein Mitglied des Jünglingsbundes nur zu kurzer, leichter Haft verurtheilte — weil man doch nicht wiſſen könne, ob der junge Mann ſpäterhin bei größerer Reife des Geiſtes ſeine Pläne wirklich ausgeführt hätte. Sofort ließ Metternich die Mainzer Commiſſion zum Einſchreiten auffordern, aber der redliche Präſident Kaiſenberg weigerte ſich den Gang der Rechtspflege zu ſtören, obgleich ihm auch Schuckmann die gleiche Zumuthung ſtellte. Dann abermals große Aufregung in der Hofburg und ſcharfe Verwarnungen an das Darmſtädter Cabinet, als die milden Urtheile der heſſiſchen Gerichte „einen neuen Skandal für ganz Deutſchland“ geſchaffen hatten.**)
Während die große Unterſuchung gegen den Jünglingsbund noch ſchwebte wurde zugleich auch unter den übrigen Studentenvereinen gründlich aufgeräumt. An der Berliner Univerſität blühte noch nach 1819 ein man- nichfaltiges und kräftiges Verbindungsleben; das brach nun alles zuſammen, ſeit der neue Regierungsbevollmächtigte Schulz mit ſeinen plumpen Fäuſten dazwiſchenfuhr. Auch ein Herminenbund mit dem ſchrecklichen Wahlſpruche „Einheit, Freiheit, Gleichheit“ wurde dort entdeckt; ſeine Mitglieder kamen aber alle mit leichten Disciplinarſtrafen davon, da Stägemann und Alten- ſtein dem Könige die Harmloſigkeit der Sache nachwieſen.***) Wittgenſtein dagegen und Schuckmann ſtimmten ſtets für Strenge. Unglaublich, mit
*) Cabinetsordres an Landrath v. Borries, 12. März 1824, an Schuckmann, 13. Okt. 1827.
**) Hatzfeldt’s Berichte, 26. Mai 1825, 16. Nov. 1826.
***) Stägemann’s Denkſchrift über die Arminia, 6. Mai, Wittgenſtein’s Bericht an den König, 8. Mai 1823.
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[445/0461]
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Verbindung wohl gekannt, ohne aber hiervon der Behörde Anzeige ge-
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beſtraft.“ In Heſſen, Württemberg, Mecklenburg urtheilten die Richter
über daſſelbe Verbrechen weit milder. In Baiern wurden die Angeklagten
ſämmtlich vorläufig freigelaſſen, freilich erſt nach einer langen, harten
Unterſuchungshaft, die dem armen Karl Feuerbach den Geiſt zerrüttete.
König Friedrich Wilhelm nahm den leidigen Handel anfangs ſehr ſchwer.
Einem Beamten, der ſich für einen der Angeklagten verwendete, ertheilte er
eine ſcharfe Rüge: „ich muß Sie für einen Theilnehmer der höchſtverderb-
lichen Meinung halten, daß die im Finſtern ſchleichenden verbrecheriſchen
Umtriebe verzeihlich ſind, weil ſie aus irrthümlichen Anſichten entſpringen.“
Begnadigen wollte er erſt, wenn jeder der Schuldigen ein Drittel ſeiner
Strafe abgebüßt hätte. *) Gleichwohl ſiegte ſein gutes Herz bald über die
ſtrengen Vorſätze: er fühlte, daß die jungen Leute durch die lange Unter-
ſuchung ſchon genug gelitten hatten, und erließ ihnen ſämmtlich, den meiſten
ſchon nach Jahresfriſt die Strafe.
Alle dieſe Verfolgungen wurden von Metternich und Hatzfeldt mit
unermüdlichem Eifer überwacht. Welche Entrüſtung in Wien, als das
Zerbſter Appellationsgericht ein Mitglied des Jünglingsbundes nur zu
kurzer, leichter Haft verurtheilte — weil man doch nicht wiſſen könne, ob
der junge Mann ſpäterhin bei größerer Reife des Geiſtes ſeine Pläne
wirklich ausgeführt hätte. Sofort ließ Metternich die Mainzer Commiſſion
zum Einſchreiten auffordern, aber der redliche Präſident Kaiſenberg weigerte
ſich den Gang der Rechtspflege zu ſtören, obgleich ihm auch Schuckmann
die gleiche Zumuthung ſtellte. Dann abermals große Aufregung in der
Hofburg und ſcharfe Verwarnungen an das Darmſtädter Cabinet, als
die milden Urtheile der heſſiſchen Gerichte „einen neuen Skandal für ganz
Deutſchland“ geſchaffen hatten. **)
Während die große Unterſuchung gegen den Jünglingsbund noch
ſchwebte wurde zugleich auch unter den übrigen Studentenvereinen gründlich
aufgeräumt. An der Berliner Univerſität blühte noch nach 1819 ein man-
nichfaltiges und kräftiges Verbindungsleben; das brach nun alles zuſammen,
ſeit der neue Regierungsbevollmächtigte Schulz mit ſeinen plumpen Fäuſten
dazwiſchenfuhr. Auch ein Herminenbund mit dem ſchrecklichen Wahlſpruche
„Einheit, Freiheit, Gleichheit“ wurde dort entdeckt; ſeine Mitglieder kamen
aber alle mit leichten Disciplinarſtrafen davon, da Stägemann und Alten-
ſtein dem Könige die Harmloſigkeit der Sache nachwieſen. ***) Wittgenſtein
dagegen und Schuckmann ſtimmten ſtets für Strenge. Unglaublich, mit
*) Cabinetsordres an Landrath v. Borries, 12. März 1824, an Schuckmann,
13. Okt. 1827.
**) Hatzfeldt’s Berichte, 26. Mai 1825, 16. Nov. 1826.
***) Stägemann’s Denkſchrift über die Arminia, 6. Mai, Wittgenſtein’s Bericht
an den König, 8. Mai 1823.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/461>, abgerufen am 16.07.2024.
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