wurde sodann noch der den Württembergern anstößige Name "Supple- mentar-Akte" gestrichen, auch sollte die Schlußakte in Wien nicht förmlich ratificirt, sondern erst in Frankfurt auf Grund einer gleichförmigen In- struktion an die Bundesgesandten zum Bundesgesetze erhoben werden. König Wilhelm selbst richtete an Kaiser Franz ein unterwürfiges Antwort- schreiben, und da er den Unmuth über die erlittene Niederlage doch irgend- wie auslassen mußte, so überhäufte er Trott mit Auszeichnungen und be- rief bald nachher den unglücklichen Mandelsloh unter allen Zeichen der Ungnade von seinem Wiener Gesandtschaftsposten zurück, was die Hofburg als einen Beweis boshafter Gesinnung sehr übel aufnahm.*)
Am 24. Mai wurden die Conferenzen geschlossen, und nachdem das Wiener Drama beendet war, mußten die Satyrn des Bundestags ihren Fackeltanz beginnen. Wie viel anzügliche Bemerkungen über ihre Unthä- tigkeit hatten diese Armen unterdessen von der liberalen Presse hinnehmen müssen. Am 10. April, nach Ablauf seiner verlängerten Ferien, trat der Bundestag wieder vertraulich zusammen und beschloß, auf eine Weisung Metternich's, vorläufig nur vertrauliche Sitzungen zu halten, da die Wiener Conferenz noch nicht beendet sei. Am 20. April versammelte er sich wie- der und faßte den Beschluß, acht Tage darauf abermals vertraulich zu- sammenzukommen. Goltz aber gestand kummervoll, dies sei nur geschehen "zur Beschönigung der fortdauernden Unthätigkeit der Versammlung in den Augen des Publikums"; der Zustand sei drückend und compromittirend in den Augen der Welt; noch schlimmer freilich, wenn der Bundestag ergänzen müßte was in Wien unvollendet bliebe, dann würde sicherlich gar nichts fertig werden! So ging es weiter, in unverbrüchlicher Ver- traulichkeit. Immer wieder klagte der preußische Gesandte über den "gänz- lichen Mangel an Berathungsstoff".**) Ein Votum Württembergs über die Exterritorialität der Mainzer Untersuchungscommission, eine Anzeige Dänemarks über die erfolgte Ernennung zweier Censoren für Holstein -- solche Staatsgeheimnisse bildeten den einzigen Inhalt dieser vertraulichen Berathungen. Endlich am 8. Juni hielt der Bundestag, zum ersten male in diesem Jahre, eine öffentliche Sitzung. Die Versammlung "bildete sich zu einem Plenum", die Wiener Schlußakte ward verlesen. Nach einem kurzen Präsidialvortrage erklärten die beiden Großmächte ihre Zustim- mung, und dann erschöpften die Vertreter der übrigen 61 Stimmen den ganzen Floskelreichthum der deutschen Kanzleisprache um in verschiedenen Wendungen verabredetermaßen alle genau das Nämliche zu sagen. Nur Württemberg konnte sich's nicht versagen, seiner Zustimmung einige bos- hafte Bemerkungen über die Unregelmäßigkeit des Verfahrens voranzu-
**) Berichte von Goltz, 11., 25. April, von Leg.-Rath Küpfer, 16., 23. Mai 1820.
Der Bundestag und die Schlußakte.
wurde ſodann noch der den Württembergern anſtößige Name „Supple- mentar-Akte“ geſtrichen, auch ſollte die Schlußakte in Wien nicht förmlich ratificirt, ſondern erſt in Frankfurt auf Grund einer gleichförmigen In- ſtruktion an die Bundesgeſandten zum Bundesgeſetze erhoben werden. König Wilhelm ſelbſt richtete an Kaiſer Franz ein unterwürfiges Antwort- ſchreiben, und da er den Unmuth über die erlittene Niederlage doch irgend- wie auslaſſen mußte, ſo überhäufte er Trott mit Auszeichnungen und be- rief bald nachher den unglücklichen Mandelsloh unter allen Zeichen der Ungnade von ſeinem Wiener Geſandtſchaftspoſten zurück, was die Hofburg als einen Beweis boshafter Geſinnung ſehr übel aufnahm.*)
Am 24. Mai wurden die Conferenzen geſchloſſen, und nachdem das Wiener Drama beendet war, mußten die Satyrn des Bundestags ihren Fackeltanz beginnen. Wie viel anzügliche Bemerkungen über ihre Unthä- tigkeit hatten dieſe Armen unterdeſſen von der liberalen Preſſe hinnehmen müſſen. Am 10. April, nach Ablauf ſeiner verlängerten Ferien, trat der Bundestag wieder vertraulich zuſammen und beſchloß, auf eine Weiſung Metternich’s, vorläufig nur vertrauliche Sitzungen zu halten, da die Wiener Conferenz noch nicht beendet ſei. Am 20. April verſammelte er ſich wie- der und faßte den Beſchluß, acht Tage darauf abermals vertraulich zu- ſammenzukommen. Goltz aber geſtand kummervoll, dies ſei nur geſchehen „zur Beſchönigung der fortdauernden Unthätigkeit der Verſammlung in den Augen des Publikums“; der Zuſtand ſei drückend und compromittirend in den Augen der Welt; noch ſchlimmer freilich, wenn der Bundestag ergänzen müßte was in Wien unvollendet bliebe, dann würde ſicherlich gar nichts fertig werden! So ging es weiter, in unverbrüchlicher Ver- traulichkeit. Immer wieder klagte der preußiſche Geſandte über den „gänz- lichen Mangel an Berathungsſtoff“.**) Ein Votum Württembergs über die Exterritorialität der Mainzer Unterſuchungscommiſſion, eine Anzeige Dänemarks über die erfolgte Ernennung zweier Cenſoren für Holſtein — ſolche Staatsgeheimniſſe bildeten den einzigen Inhalt dieſer vertraulichen Berathungen. Endlich am 8. Juni hielt der Bundestag, zum erſten male in dieſem Jahre, eine öffentliche Sitzung. Die Verſammlung „bildete ſich zu einem Plenum“, die Wiener Schlußakte ward verleſen. Nach einem kurzen Präſidialvortrage erklärten die beiden Großmächte ihre Zuſtim- mung, und dann erſchöpften die Vertreter der übrigen 61 Stimmen den ganzen Floskelreichthum der deutſchen Kanzleiſprache um in verſchiedenen Wendungen verabredetermaßen alle genau das Nämliche zu ſagen. Nur Württemberg konnte ſich’s nicht verſagen, ſeiner Zuſtimmung einige bos- hafte Bemerkungen über die Unregelmäßigkeit des Verfahrens voranzu-
**) Berichte von Goltz, 11., 25. April, von Leg.-Rath Küpfer, 16., 23. Mai 1820.
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[27/0043]
Der Bundestag und die Schlußakte.
wurde ſodann noch der den Württembergern anſtößige Name „Supple-
mentar-Akte“ geſtrichen, auch ſollte die Schlußakte in Wien nicht förmlich
ratificirt, ſondern erſt in Frankfurt auf Grund einer gleichförmigen In-
ſtruktion an die Bundesgeſandten zum Bundesgeſetze erhoben werden.
König Wilhelm ſelbſt richtete an Kaiſer Franz ein unterwürfiges Antwort-
ſchreiben, und da er den Unmuth über die erlittene Niederlage doch irgend-
wie auslaſſen mußte, ſo überhäufte er Trott mit Auszeichnungen und be-
rief bald nachher den unglücklichen Mandelsloh unter allen Zeichen der
Ungnade von ſeinem Wiener Geſandtſchaftspoſten zurück, was die Hofburg
als einen Beweis boshafter Geſinnung ſehr übel aufnahm. *)
Am 24. Mai wurden die Conferenzen geſchloſſen, und nachdem das
Wiener Drama beendet war, mußten die Satyrn des Bundestags ihren
Fackeltanz beginnen. Wie viel anzügliche Bemerkungen über ihre Unthä-
tigkeit hatten dieſe Armen unterdeſſen von der liberalen Preſſe hinnehmen
müſſen. Am 10. April, nach Ablauf ſeiner verlängerten Ferien, trat der
Bundestag wieder vertraulich zuſammen und beſchloß, auf eine Weiſung
Metternich’s, vorläufig nur vertrauliche Sitzungen zu halten, da die Wiener
Conferenz noch nicht beendet ſei. Am 20. April verſammelte er ſich wie-
der und faßte den Beſchluß, acht Tage darauf abermals vertraulich zu-
ſammenzukommen. Goltz aber geſtand kummervoll, dies ſei nur geſchehen
„zur Beſchönigung der fortdauernden Unthätigkeit der Verſammlung in
den Augen des Publikums“; der Zuſtand ſei drückend und compromittirend
in den Augen der Welt; noch ſchlimmer freilich, wenn der Bundestag
ergänzen müßte was in Wien unvollendet bliebe, dann würde ſicherlich
gar nichts fertig werden! So ging es weiter, in unverbrüchlicher Ver-
traulichkeit. Immer wieder klagte der preußiſche Geſandte über den „gänz-
lichen Mangel an Berathungsſtoff“. **) Ein Votum Württembergs über
die Exterritorialität der Mainzer Unterſuchungscommiſſion, eine Anzeige
Dänemarks über die erfolgte Ernennung zweier Cenſoren für Holſtein —
ſolche Staatsgeheimniſſe bildeten den einzigen Inhalt dieſer vertraulichen
Berathungen. Endlich am 8. Juni hielt der Bundestag, zum erſten male
in dieſem Jahre, eine öffentliche Sitzung. Die Verſammlung „bildete ſich
zu einem Plenum“, die Wiener Schlußakte ward verleſen. Nach einem
kurzen Präſidialvortrage erklärten die beiden Großmächte ihre Zuſtim-
mung, und dann erſchöpften die Vertreter der übrigen 61 Stimmen den
ganzen Floskelreichthum der deutſchen Kanzleiſprache um in verſchiedenen
Wendungen verabredetermaßen alle genau das Nämliche zu ſagen. Nur
Württemberg konnte ſich’s nicht verſagen, ſeiner Zuſtimmung einige bos-
hafte Bemerkungen über die Unregelmäßigkeit des Verfahrens voranzu-
*) Kruſemark’s Bericht, 10., 21. Juni; Küſter’s Bericht, Stuttgart, 13. Juni,
4. Juli 1820.
**) Berichte von Goltz, 11., 25. April, von Leg.-Rath Küpfer, 16., 23. Mai 1820.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/43>, abgerufen am 24.11.2024.
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