sie waren mitschuldig an Frankreichs Drohungen und mußten jetzt vor der Welt die Verantwortung für den legitimistischen Kreuzzug tragen. Je feindseliger England auftritt, schrieb Bernstorff nach Wien, um so fester müssen die Ostmächte zusammenhalten, damit Frankreich nicht vereinzelt wird.*) Das also war die Frucht der Kriegslust des Czaren, der Partei- wuth der Ultras, der verlegenen Nachgiebigkeit Oesterreichs und Preußens: England sagte sich los von dem großen Bunde, und in Spanien begann ein Krieg, der selbst bei gutem Glück den Beschützern des meineidigen Bour- bonen nur endlose Verlegenheiten bereiten konnte. --
Die spanische Frage hatte den Congreß so gänzlich in Anspruch ge- nommen, daß Metternich die geplante Besprechung der deutschen Ange- legenheiten vertagen mußte. Er verabredete mit Bernstorff, im Januar solle eine neue deutsche Ministerconferenz, diesmal nur ein kleiner Kreis von Vertrauten, nach Wien berufen werden. Mit ihr wollten sich die beiden Großmächte über eine einmüthige Bundespolitik, über etwa nöthige neue Bundesgesetze und über die Beseitigung der feindseligen Bundes- gesandten verständigen. Diese "Epuration des Bundestags", wie Met- ternich es nannte, war zwischen den beiden Großmächten schon seit dem letzten Sommer verabredet, doch hielten sie ihre Absicht noch sorgfältig geheim.**) Die Spitze der Pläne richtete sich gegen den Stuttgarter Hof und seinen rastlosen Bundesgesandten Wangenheim. "Württemberg -- erklärte Bernstorff, fast mit den nämlichen Worten wie Metternich -- ist heute als der Hauptbrennpunkt alles revolutionären Treibens in Deutschland und der König dieses Landes als ein, der That und Absicht nach, entschiedener Feind des Bundes anzusehen." Um den Feldzug vor- zubereiten nahm Metternich den Rückweg über München und fand dort zu Neujahr eine überaus freundschaftliche Aufnahme. Wie freute sich der gute Max Joseph "seinen Clemens" wiederzusehen. Rechberg hielt es auch diesmal, wie vor drei Jahren, für sicherer, wenn Baiern auf den Wiener Conferenzen durch Zentner vertreten wurde und er selber in Mün- chen blieb; so konnte er dem Bevollmächtigten in Wien seine Weisungen ertheilen und zugleich den wankelmüthigen König im Auge behalten. Der österreichische Kanzler war damit ganz einverstanden. Völlig beruhigt über die Gesinnung des bairischen Hofes kehrte er nach Wien zurück und schil- derte dort seine Münchener Erfolge so selbstgefällig, daß Hatzfeldt in seiner fanatisch übertreibenden Weise heimberichtete: "Metternich's Ankunft machte in München einen solchen Eindruck, daß der König, wenn er wäre was er
*) Bernstorff, Weisung an Hatzfeldt, 1. März 1823.
**) Hatzfeldt's Bericht, 18. Juli; Weisung an Hatzfeldt, 26. Juli 1822.
Neue Pläne gegen den Bundestag.
ſie waren mitſchuldig an Frankreichs Drohungen und mußten jetzt vor der Welt die Verantwortung für den legitimiſtiſchen Kreuzzug tragen. Je feindſeliger England auftritt, ſchrieb Bernſtorff nach Wien, um ſo feſter müſſen die Oſtmächte zuſammenhalten, damit Frankreich nicht vereinzelt wird.*) Das alſo war die Frucht der Kriegsluſt des Czaren, der Partei- wuth der Ultras, der verlegenen Nachgiebigkeit Oeſterreichs und Preußens: England ſagte ſich los von dem großen Bunde, und in Spanien begann ein Krieg, der ſelbſt bei gutem Glück den Beſchützern des meineidigen Bour- bonen nur endloſe Verlegenheiten bereiten konnte. —
Die ſpaniſche Frage hatte den Congreß ſo gänzlich in Anſpruch ge- nommen, daß Metternich die geplante Beſprechung der deutſchen Ange- legenheiten vertagen mußte. Er verabredete mit Bernſtorff, im Januar ſolle eine neue deutſche Miniſterconferenz, diesmal nur ein kleiner Kreis von Vertrauten, nach Wien berufen werden. Mit ihr wollten ſich die beiden Großmächte über eine einmüthige Bundespolitik, über etwa nöthige neue Bundesgeſetze und über die Beſeitigung der feindſeligen Bundes- geſandten verſtändigen. Dieſe „Epuration des Bundestags“, wie Met- ternich es nannte, war zwiſchen den beiden Großmächten ſchon ſeit dem letzten Sommer verabredet, doch hielten ſie ihre Abſicht noch ſorgfältig geheim.**) Die Spitze der Pläne richtete ſich gegen den Stuttgarter Hof und ſeinen raſtloſen Bundesgeſandten Wangenheim. „Württemberg — erklärte Bernſtorff, faſt mit den nämlichen Worten wie Metternich — iſt heute als der Hauptbrennpunkt alles revolutionären Treibens in Deutſchland und der König dieſes Landes als ein, der That und Abſicht nach, entſchiedener Feind des Bundes anzuſehen.“ Um den Feldzug vor- zubereiten nahm Metternich den Rückweg über München und fand dort zu Neujahr eine überaus freundſchaftliche Aufnahme. Wie freute ſich der gute Max Joſeph „ſeinen Clemens“ wiederzuſehen. Rechberg hielt es auch diesmal, wie vor drei Jahren, für ſicherer, wenn Baiern auf den Wiener Conferenzen durch Zentner vertreten wurde und er ſelber in Mün- chen blieb; ſo konnte er dem Bevollmächtigten in Wien ſeine Weiſungen ertheilen und zugleich den wankelmüthigen König im Auge behalten. Der öſterreichiſche Kanzler war damit ganz einverſtanden. Völlig beruhigt über die Geſinnung des bairiſchen Hofes kehrte er nach Wien zurück und ſchil- derte dort ſeine Münchener Erfolge ſo ſelbſtgefällig, daß Hatzfeldt in ſeiner fanatiſch übertreibenden Weiſe heimberichtete: „Metternich’s Ankunft machte in München einen ſolchen Eindruck, daß der König, wenn er wäre was er
*) Bernſtorff, Weiſung an Hatzfeldt, 1. März 1823.
**) Hatzfeldt’s Bericht, 18. Juli; Weiſung an Hatzfeldt, 26. Juli 1822.
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Neue Pläne gegen den Bundestag.
ſie waren mitſchuldig an Frankreichs Drohungen und mußten jetzt vor der
Welt die Verantwortung für den legitimiſtiſchen Kreuzzug tragen. Je
feindſeliger England auftritt, ſchrieb Bernſtorff nach Wien, um ſo feſter
müſſen die Oſtmächte zuſammenhalten, damit Frankreich nicht vereinzelt
wird. *) Das alſo war die Frucht der Kriegsluſt des Czaren, der Partei-
wuth der Ultras, der verlegenen Nachgiebigkeit Oeſterreichs und Preußens:
England ſagte ſich los von dem großen Bunde, und in Spanien begann
ein Krieg, der ſelbſt bei gutem Glück den Beſchützern des meineidigen Bour-
bonen nur endloſe Verlegenheiten bereiten konnte. —
Die ſpaniſche Frage hatte den Congreß ſo gänzlich in Anſpruch ge-
nommen, daß Metternich die geplante Beſprechung der deutſchen Ange-
legenheiten vertagen mußte. Er verabredete mit Bernſtorff, im Januar
ſolle eine neue deutſche Miniſterconferenz, diesmal nur ein kleiner Kreis
von Vertrauten, nach Wien berufen werden. Mit ihr wollten ſich die
beiden Großmächte über eine einmüthige Bundespolitik, über etwa nöthige
neue Bundesgeſetze und über die Beſeitigung der feindſeligen Bundes-
geſandten verſtändigen. Dieſe „Epuration des Bundestags“, wie Met-
ternich es nannte, war zwiſchen den beiden Großmächten ſchon ſeit dem
letzten Sommer verabredet, doch hielten ſie ihre Abſicht noch ſorgfältig
geheim. **) Die Spitze der Pläne richtete ſich gegen den Stuttgarter Hof
und ſeinen raſtloſen Bundesgeſandten Wangenheim. „Württemberg —
erklärte Bernſtorff, faſt mit den nämlichen Worten wie Metternich —
iſt heute als der Hauptbrennpunkt alles revolutionären Treibens in
Deutſchland und der König dieſes Landes als ein, der That und Abſicht
nach, entſchiedener Feind des Bundes anzuſehen.“ Um den Feldzug vor-
zubereiten nahm Metternich den Rückweg über München und fand dort
zu Neujahr eine überaus freundſchaftliche Aufnahme. Wie freute ſich der
gute Max Joſeph „ſeinen Clemens“ wiederzuſehen. Rechberg hielt es
auch diesmal, wie vor drei Jahren, für ſicherer, wenn Baiern auf den
Wiener Conferenzen durch Zentner vertreten wurde und er ſelber in Mün-
chen blieb; ſo konnte er dem Bevollmächtigten in Wien ſeine Weiſungen
ertheilen und zugleich den wankelmüthigen König im Auge behalten. Der
öſterreichiſche Kanzler war damit ganz einverſtanden. Völlig beruhigt über
die Geſinnung des bairiſchen Hofes kehrte er nach Wien zurück und ſchil-
derte dort ſeine Münchener Erfolge ſo ſelbſtgefällig, daß Hatzfeldt in ſeiner
fanatiſch übertreibenden Weiſe heimberichtete: „Metternich’s Ankunft machte
in München einen ſolchen Eindruck, daß der König, wenn er wäre was er
*) Bernſtorff, Weiſung an Hatzfeldt, 1. März 1823.
**) Hatzfeldt’s Bericht, 18. Juli; Weiſung an Hatzfeldt, 26. Juli 1822.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/299>, abgerufen am 25.11.2024.
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