klärte dem Minister gerade heraus, er schulde ihm keine Rechenschaft, weder das Landrecht noch die Unterwerfung unter einen protestantischen Landesherrn könnten das in Deutschland allgemein giltige Kirchenrecht auf- heben. Er hege kein Zutrauen zu Lehranstalten, deren theologische Pro- fessoren die protestantische Obrigkeit anstelle, "was man kaum auch da möglich halten sollte, wo die katholische Kirche nur geduldet wäre. Ew. Excellenz, fuhr er fort, sind gewiß nicht gemeint, durch Kränkung der auf göttlicher Autorität beruhenden, von S. M. dem Könige anerkannten und -- insofern menschliche Gewalt das Höhere garantiren kann -- garantirten Freiheit der katholischen Kirche eine vermeintliche Freiheit der Studenten zu schützen." Dann berief er sich auf den Art. 63 des Reichsdeputations- hauptschlusses, der nur versprach, daß die bisherige Religionsübung gegen Aufhebung und Kränkung geschützt sein solle, und behauptete dreist: dem widerspräche die Militärpflicht der Geistlichen und Schullehrer, sowie das sogenannte Placet. Darauf polterte er noch in seinem schrecklichen Deutsch einige allgemeine, aber offenbar auf den Minister persönlich gemünzte Schmähungen heraus wider "diejenigen, welche selbst ungläubig, getaufte Heiden sind." Das war der Dank der Clericalen für die königliche Stif- tung der Bonner Hochschule.
Nach dieser Kraftleistung eines Fanatismus, der dem Staate jedes Recht der Kirchenhoheit abstritt, mußte Altenstein voraussehen, daß Droste alle Schreckmittel der geistlichen Gewalt mißbrauchen würde um die west- phälischen Studenten in Münster zurückzuhalten. Hier galt es durchzu- greifen, wollte die Staatsgewalt sich nicht ins Angesicht verhöhnen lassen. Im Einverständniß mit dem Staatskanzler ließ der Minister also (10. April) die theologische Facultät in Münster bis auf Weiteres schließen, und schweren Herzens vollzog Vincke den harten Befehl. Wie eifrig hatte sich der treue Westphale bemüht, in der verfallenen Stiftung Fürstenberg's ein neues Leben zu erwecken. Soeben erst war er mit dem Minister über die Verstärkung der Lehrkräfte handelseins geworden; da beraubte der Trotz dieses blinden Eiferers die geliebte Provinz auf Jahre hinaus ihrer einzigen Hochschule, denn ohne ihre theologische Schwester konnte die philosophische Facultät nicht gedeihen.*) Mit diesem Schlage war Alles entschieden. Droste wagte nicht die ihm angedrohte persönliche Ahndung abzuwarten, sondern legte sein Amt nieder und führte fortan jahrelang in einem kleinen Kreise von Priestern und Nonnen ein beschauliches Büßerleben; der Weih- bischof von Osnabrück aber hatte schon vorher, sobald er den Ernst der preußischen Behörden bemerkte, seinen Theologen das Studium in Bonn wieder gestattet.**)
*) Altenstein an Vincke, 10. April; Vincke an die theologische Facultät in Münster, 18. April 1820.
**) Verordnung des Weihbischofs v. Graben, 6. April 1820.
Droſte’s Niederlage.
klärte dem Miniſter gerade heraus, er ſchulde ihm keine Rechenſchaft, weder das Landrecht noch die Unterwerfung unter einen proteſtantiſchen Landesherrn könnten das in Deutſchland allgemein giltige Kirchenrecht auf- heben. Er hege kein Zutrauen zu Lehranſtalten, deren theologiſche Pro- feſſoren die proteſtantiſche Obrigkeit anſtelle, „was man kaum auch da möglich halten ſollte, wo die katholiſche Kirche nur geduldet wäre. Ew. Excellenz, fuhr er fort, ſind gewiß nicht gemeint, durch Kränkung der auf göttlicher Autorität beruhenden, von S. M. dem Könige anerkannten und — inſofern menſchliche Gewalt das Höhere garantiren kann — garantirten Freiheit der katholiſchen Kirche eine vermeintliche Freiheit der Studenten zu ſchützen.“ Dann berief er ſich auf den Art. 63 des Reichsdeputations- hauptſchluſſes, der nur verſprach, daß die bisherige Religionsübung gegen Aufhebung und Kränkung geſchützt ſein ſolle, und behauptete dreiſt: dem widerſpräche die Militärpflicht der Geiſtlichen und Schullehrer, ſowie das ſogenannte Placet. Darauf polterte er noch in ſeinem ſchrecklichen Deutſch einige allgemeine, aber offenbar auf den Miniſter perſönlich gemünzte Schmähungen heraus wider „diejenigen, welche ſelbſt ungläubig, getaufte Heiden ſind.“ Das war der Dank der Clericalen für die königliche Stif- tung der Bonner Hochſchule.
Nach dieſer Kraftleiſtung eines Fanatismus, der dem Staate jedes Recht der Kirchenhoheit abſtritt, mußte Altenſtein vorausſehen, daß Droſte alle Schreckmittel der geiſtlichen Gewalt mißbrauchen würde um die weſt- phäliſchen Studenten in Münſter zurückzuhalten. Hier galt es durchzu- greifen, wollte die Staatsgewalt ſich nicht ins Angeſicht verhöhnen laſſen. Im Einverſtändniß mit dem Staatskanzler ließ der Miniſter alſo (10. April) die theologiſche Facultät in Münſter bis auf Weiteres ſchließen, und ſchweren Herzens vollzog Vincke den harten Befehl. Wie eifrig hatte ſich der treue Weſtphale bemüht, in der verfallenen Stiftung Fürſtenberg’s ein neues Leben zu erwecken. Soeben erſt war er mit dem Miniſter über die Verſtärkung der Lehrkräfte handelseins geworden; da beraubte der Trotz dieſes blinden Eiferers die geliebte Provinz auf Jahre hinaus ihrer einzigen Hochſchule, denn ohne ihre theologiſche Schweſter konnte die philoſophiſche Facultät nicht gedeihen.*) Mit dieſem Schlage war Alles entſchieden. Droſte wagte nicht die ihm angedrohte perſönliche Ahndung abzuwarten, ſondern legte ſein Amt nieder und führte fortan jahrelang in einem kleinen Kreiſe von Prieſtern und Nonnen ein beſchauliches Büßerleben; der Weih- biſchof von Osnabrück aber hatte ſchon vorher, ſobald er den Ernſt der preußiſchen Behörden bemerkte, ſeinen Theologen das Studium in Bonn wieder geſtattet.**)
*) Altenſtein an Vincke, 10. April; Vincke an die theologiſche Facultät in Münſter, 18. April 1820.
**) Verordnung des Weihbiſchofs v. Graben, 6. April 1820.
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Droſte’s Niederlage.
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weder das Landrecht noch die Unterwerfung unter einen proteſtantiſchen
Landesherrn könnten das in Deutſchland allgemein giltige Kirchenrecht auf-
heben. Er hege kein Zutrauen zu Lehranſtalten, deren theologiſche Pro-
feſſoren die proteſtantiſche Obrigkeit anſtelle, „was man kaum auch da
möglich halten ſollte, wo die katholiſche Kirche nur geduldet wäre. Ew.
Excellenz, fuhr er fort, ſind gewiß nicht gemeint, durch Kränkung der auf
göttlicher Autorität beruhenden, von S. M. dem Könige anerkannten und
— inſofern menſchliche Gewalt das Höhere garantiren kann — garantirten
Freiheit der katholiſchen Kirche eine vermeintliche Freiheit der Studenten
zu ſchützen.“ Dann berief er ſich auf den Art. 63 des Reichsdeputations-
hauptſchluſſes, der nur verſprach, daß die bisherige Religionsübung gegen
Aufhebung und Kränkung geſchützt ſein ſolle, und behauptete dreiſt: dem
widerſpräche die Militärpflicht der Geiſtlichen und Schullehrer, ſowie das
ſogenannte Placet. Darauf polterte er noch in ſeinem ſchrecklichen Deutſch
einige allgemeine, aber offenbar auf den Miniſter perſönlich gemünzte
Schmähungen heraus wider „diejenigen, welche ſelbſt ungläubig, getaufte
Heiden ſind.“ Das war der Dank der Clericalen für die königliche Stif-
tung der Bonner Hochſchule.
Nach dieſer Kraftleiſtung eines Fanatismus, der dem Staate jedes
Recht der Kirchenhoheit abſtritt, mußte Altenſtein vorausſehen, daß Droſte
alle Schreckmittel der geiſtlichen Gewalt mißbrauchen würde um die weſt-
phäliſchen Studenten in Münſter zurückzuhalten. Hier galt es durchzu-
greifen, wollte die Staatsgewalt ſich nicht ins Angeſicht verhöhnen laſſen.
Im Einverſtändniß mit dem Staatskanzler ließ der Miniſter alſo (10. April)
die theologiſche Facultät in Münſter bis auf Weiteres ſchließen, und
ſchweren Herzens vollzog Vincke den harten Befehl. Wie eifrig hatte ſich
der treue Weſtphale bemüht, in der verfallenen Stiftung Fürſtenberg’s ein
neues Leben zu erwecken. Soeben erſt war er mit dem Miniſter über die
Verſtärkung der Lehrkräfte handelseins geworden; da beraubte der Trotz
dieſes blinden Eiferers die geliebte Provinz auf Jahre hinaus ihrer einzigen
Hochſchule, denn ohne ihre theologiſche Schweſter konnte die philoſophiſche
Facultät nicht gedeihen. *) Mit dieſem Schlage war Alles entſchieden.
Droſte wagte nicht die ihm angedrohte perſönliche Ahndung abzuwarten,
ſondern legte ſein Amt nieder und führte fortan jahrelang in einem kleinen
Kreiſe von Prieſtern und Nonnen ein beſchauliches Büßerleben; der Weih-
biſchof von Osnabrück aber hatte ſchon vorher, ſobald er den Ernſt der
preußiſchen Behörden bemerkte, ſeinen Theologen das Studium in Bonn
wieder geſtattet. **)
*) Altenſtein an Vincke, 10. April; Vincke an die theologiſche Facultät in Münſter,
18. April 1820.
**) Verordnung des Weihbiſchofs v. Graben, 6. April 1820.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/235>, abgerufen am 16.02.2025.
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