lungen mit der Curie führen entweder sehr leicht oder niemals zum Ziele; und warnte vor dem aussichtslosen Versuche, durch Gründe oder durch Drohungen ein päpstliches non possumus erschüttern zu wollen.
Trotz dieser scharfen Einsicht täuschte er sich doch, wie die meisten der Zeitgenossen, über die Lebenskraft und die letzten Absichten des wiederherge- stellten Papstthums. Wenn er diesen ehrwürdigen, sanften Hohenpriester betrachtete und das ziemlich bescheidene Maß der geistigen Kräfte im Vatikan, die zweifelhafte Gelehrsamkeit des großen philologischen Kirchenlichts Cardi- nal Mai und die unzweifelhafte wissenschaftliche Unschuld der meisten an- dern Monsignoren, dann meinte er eine versinkende Macht vor sich zu haben, die sich in zunehmender Harmlosigkeit bis zu ihrem nahen Untergange noch eine Weile hinschleppen werde, und wies den Verdacht weit von sich, als ob dies schwache Papstthum sich jemals erdreisten könnte, eine vom Könige verworfene Bischofswahl zu bestätigen. Eben in den Tagen, da der papa nero, der Jesuitengeneral, wieder dem papa bianco an die Seite getreten war, konnte Niebuhr schreiben: der Rost hat die geistlichen Waffen Roms versehrt, und die Hand, welche sie einst schwang, zittert in Altersschwäche. Auf Augenblicke beunruhigten ihn wohl die ersten Lebenszeichen des neu erwachten "erzpfäffischen, geradehin jesuitischen Katho- licismus". Gleichwohl hielt er ein günstiges Concordat für möglich, wenn der Staat sich nur in Formfragen nachgiebig zeige und der Curie ohne Mißtrauen begegne; dann könne man selbst zu einer Verständigung über die gemischten Ehen gelangen.
Da die Ansichten im Schooße der Regierung selbst noch so wirr durch- einander gährten, so schien es dem Staatskanzler rathsam, die Vereinba- rung mit dem römischen Stuhle nicht zu übereilen. Auch die Arbeits- last der ersten Uebergangsjahre und die Einrichtung des neuen Cultus- ministeriums verzögerten den Beginn der Verhandlungen. Niebuhr frei- lich befand sich in dieser langen Zwischenzeit sehr unbehaglich, auch die Bischöfe von Paderborn und Corvey beschwerten sich lebhaft über die end- lose Ungewißheit. Der Krone aber gereichte dies Zaudern zum Vortheil, denn sie gewann Zeit, sich in der neuen Lage zurechtzufinden und aus den Erfahrungen der andern Staaten, die in Rom unterhandelten, die Gesinnung des heiligen Stuhles kennen zu lernen. Und diese Erfah- rungen waren in der That sehr lehrreich. Baiern verstand sich zu jenem unglücklichen Concordate, dessen Ausführung noch jahrelang streitig blieb; bald darauf schloß Neapel einen Vertrag mit Rom, der die Rechte der Staatsgewalt sogar noch enger begrenzte, und das neue durch Graf Blacas vereinbarte französische Concordat erregte in den Kammern so stürmischen Unwillen, daß die Krone selbst es nicht aufrecht zu halten wagte. Noch deutlicher redete eine Denkschrift, welche Cardinal Consalvi am 2. Sept. 1817 dem hannöverschen Gesandten übergab. Hier ward dem Staate jedes Recht der Oberaufsicht über die Kirche als "eine reine politische Er-
Niebuhr in Rom.
lungen mit der Curie führen entweder ſehr leicht oder niemals zum Ziele; und warnte vor dem ausſichtsloſen Verſuche, durch Gründe oder durch Drohungen ein päpſtliches non possumus erſchüttern zu wollen.
Trotz dieſer ſcharfen Einſicht täuſchte er ſich doch, wie die meiſten der Zeitgenoſſen, über die Lebenskraft und die letzten Abſichten des wiederherge- ſtellten Papſtthums. Wenn er dieſen ehrwürdigen, ſanften Hohenprieſter betrachtete und das ziemlich beſcheidene Maß der geiſtigen Kräfte im Vatikan, die zweifelhafte Gelehrſamkeit des großen philologiſchen Kirchenlichts Cardi- nal Mai und die unzweifelhafte wiſſenſchaftliche Unſchuld der meiſten an- dern Monſignoren, dann meinte er eine verſinkende Macht vor ſich zu haben, die ſich in zunehmender Harmloſigkeit bis zu ihrem nahen Untergange noch eine Weile hinſchleppen werde, und wies den Verdacht weit von ſich, als ob dies ſchwache Papſtthum ſich jemals erdreiſten könnte, eine vom Könige verworfene Biſchofswahl zu beſtätigen. Eben in den Tagen, da der papa nero, der Jeſuitengeneral, wieder dem papa bianco an die Seite getreten war, konnte Niebuhr ſchreiben: der Roſt hat die geiſtlichen Waffen Roms verſehrt, und die Hand, welche ſie einſt ſchwang, zittert in Altersſchwäche. Auf Augenblicke beunruhigten ihn wohl die erſten Lebenszeichen des neu erwachten „erzpfäffiſchen, geradehin jeſuitiſchen Katho- licismus“. Gleichwohl hielt er ein günſtiges Concordat für möglich, wenn der Staat ſich nur in Formfragen nachgiebig zeige und der Curie ohne Mißtrauen begegne; dann könne man ſelbſt zu einer Verſtändigung über die gemiſchten Ehen gelangen.
Da die Anſichten im Schooße der Regierung ſelbſt noch ſo wirr durch- einander gährten, ſo ſchien es dem Staatskanzler rathſam, die Vereinba- rung mit dem römiſchen Stuhle nicht zu übereilen. Auch die Arbeits- laſt der erſten Uebergangsjahre und die Einrichtung des neuen Cultus- miniſteriums verzögerten den Beginn der Verhandlungen. Niebuhr frei- lich befand ſich in dieſer langen Zwiſchenzeit ſehr unbehaglich, auch die Biſchöfe von Paderborn und Corvey beſchwerten ſich lebhaft über die end- loſe Ungewißheit. Der Krone aber gereichte dies Zaudern zum Vortheil, denn ſie gewann Zeit, ſich in der neuen Lage zurechtzufinden und aus den Erfahrungen der andern Staaten, die in Rom unterhandelten, die Geſinnung des heiligen Stuhles kennen zu lernen. Und dieſe Erfah- rungen waren in der That ſehr lehrreich. Baiern verſtand ſich zu jenem unglücklichen Concordate, deſſen Ausführung noch jahrelang ſtreitig blieb; bald darauf ſchloß Neapel einen Vertrag mit Rom, der die Rechte der Staatsgewalt ſogar noch enger begrenzte, und das neue durch Graf Blacas vereinbarte franzöſiſche Concordat erregte in den Kammern ſo ſtürmiſchen Unwillen, daß die Krone ſelbſt es nicht aufrecht zu halten wagte. Noch deutlicher redete eine Denkſchrift, welche Cardinal Conſalvi am 2. Sept. 1817 dem hannöverſchen Geſandten übergab. Hier ward dem Staate jedes Recht der Oberaufſicht über die Kirche als „eine reine politiſche Er-
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Niebuhr in Rom.
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und warnte vor dem ausſichtsloſen Verſuche, durch Gründe oder durch
Drohungen ein päpſtliches non possumus erſchüttern zu wollen.
Trotz dieſer ſcharfen Einſicht täuſchte er ſich doch, wie die meiſten der
Zeitgenoſſen, über die Lebenskraft und die letzten Abſichten des wiederherge-
ſtellten Papſtthums. Wenn er dieſen ehrwürdigen, ſanften Hohenprieſter
betrachtete und das ziemlich beſcheidene Maß der geiſtigen Kräfte im Vatikan,
die zweifelhafte Gelehrſamkeit des großen philologiſchen Kirchenlichts Cardi-
nal Mai und die unzweifelhafte wiſſenſchaftliche Unſchuld der meiſten an-
dern Monſignoren, dann meinte er eine verſinkende Macht vor ſich zu haben,
die ſich in zunehmender Harmloſigkeit bis zu ihrem nahen Untergange
noch eine Weile hinſchleppen werde, und wies den Verdacht weit von ſich,
als ob dies ſchwache Papſtthum ſich jemals erdreiſten könnte, eine vom
Könige verworfene Biſchofswahl zu beſtätigen. Eben in den Tagen, da
der papa nero, der Jeſuitengeneral, wieder dem papa bianco an die
Seite getreten war, konnte Niebuhr ſchreiben: der Roſt hat die geiſtlichen
Waffen Roms verſehrt, und die Hand, welche ſie einſt ſchwang, zittert
in Altersſchwäche. Auf Augenblicke beunruhigten ihn wohl die erſten
Lebenszeichen des neu erwachten „erzpfäffiſchen, geradehin jeſuitiſchen Katho-
licismus“. Gleichwohl hielt er ein günſtiges Concordat für möglich, wenn
der Staat ſich nur in Formfragen nachgiebig zeige und der Curie ohne
Mißtrauen begegne; dann könne man ſelbſt zu einer Verſtändigung über
die gemiſchten Ehen gelangen.
Da die Anſichten im Schooße der Regierung ſelbſt noch ſo wirr durch-
einander gährten, ſo ſchien es dem Staatskanzler rathſam, die Vereinba-
rung mit dem römiſchen Stuhle nicht zu übereilen. Auch die Arbeits-
laſt der erſten Uebergangsjahre und die Einrichtung des neuen Cultus-
miniſteriums verzögerten den Beginn der Verhandlungen. Niebuhr frei-
lich befand ſich in dieſer langen Zwiſchenzeit ſehr unbehaglich, auch die
Biſchöfe von Paderborn und Corvey beſchwerten ſich lebhaft über die end-
loſe Ungewißheit. Der Krone aber gereichte dies Zaudern zum Vortheil,
denn ſie gewann Zeit, ſich in der neuen Lage zurechtzufinden und aus
den Erfahrungen der andern Staaten, die in Rom unterhandelten, die
Geſinnung des heiligen Stuhles kennen zu lernen. Und dieſe Erfah-
rungen waren in der That ſehr lehrreich. Baiern verſtand ſich zu jenem
unglücklichen Concordate, deſſen Ausführung noch jahrelang ſtreitig blieb;
bald darauf ſchloß Neapel einen Vertrag mit Rom, der die Rechte der
Staatsgewalt ſogar noch enger begrenzte, und das neue durch Graf Blacas
vereinbarte franzöſiſche Concordat erregte in den Kammern ſo ſtürmiſchen
Unwillen, daß die Krone ſelbſt es nicht aufrecht zu halten wagte. Noch
deutlicher redete eine Denkſchrift, welche Cardinal Conſalvi am 2. Sept.
1817 dem hannöverſchen Geſandten übergab. Hier ward dem Staate
jedes Recht der Oberaufſicht über die Kirche als „eine reine politiſche Er-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/219>, abgerufen am 24.11.2024.
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