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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Karl Friedrich und Karl von Baden.
Aufhebung der Leibeigenschaft gesendet. Und welch ein Jubel vollends, als
Karl Friedrich dem wackeren Holzhändler Anton Rindeschwender, dem
Wohlthäter des Murgthals, der Landesherr dem Unterthan, ein Denkmal
errichtete. Herder meinte, das sei der erste Fürst ganz ohne Fürstenmiene.

Daher fand die Propaganda der Franzosen, als sie von Basel aus die
Verfassungsurkunde der Deutschen Republik im Oberlande verbreiteten, in
den zufriedenen Markgrafenlanden nur vereinzelte Anhänger, ungleich
weniger als in Württemberg und Baiern. Auch in den neuen Landes-
theilen verfuhr der Organisator der badischen Verwaltung Geh. Rath
Brauer weit schonender als die harten Bureaukraten der Nachbarstaaten;
nur der Clerus beklagte, daß selbst dieser fromme Christ das Mißtrauen
gegen die katholische Kirche, das allen altbadischen Beamten eigen war,
nicht überwinden konnte. Da der Adel in der Pfalz und im Breisgau
den neuen Staat mit stillem Grolle ansah, so bewahrte sich das Be-
amtenthum seinen überwiegend bürgerlichen Charakter; auch die thörichte
rheinbündische Erfindung des Personaladels für Ordensritter, die in
Baiern und Württemberg manchen eitlen Kopf verdrehte, blieb hier un-
bekannt. Die neue Ordnung fand ihren Abschluß durch die Einführung
des badischen Landrechts, einer geschickten Bearbeitung des Code Napoleon.
Alles in diesem Staate war modern.

Erst nach Karl Friedrichs Ableben traten die Mächte des Zerfalls,
welche der neue Staat umschloß, drohend hervor. Sein Enkel, der junge
Großherzog Karl war durch eine herrschsüchtige Mutter aller ernsten
Arbeit entfremdet worden und hatte sich früh in Ausschweifungen ge-
stürzt, in der Blüthe der Jahre die Lebenskraft verloren. Begabt und
liebenswürdig von Natur versank er bald in ein dumpfes, träges Brüten;
ganze Zimmer seines Schlosses lagen angefüllt mit Akten, Briefen, Zu-
sendungen aller Art, die er weder selbst erledigen noch irgend einem
Menschen anvertrauen wollte. So lebte der arme Kranke dahin, freund-
los, verschlossen, unergründlich, immer mit seinen schönen schlauen Augen
um sich spähend, wer ihn wohl betrügen wolle; nur seine Gemahlin
Stephanie Beauharnais, die er einst auf Napoleons Befehl widerwillig
geheirathet hatte, trat ihm jetzt näher, da er einem frühen Tode entgegen-
welkte, und beglückte ihn durch den Reichthum ihres fröhlichen Herzens.

Unter einem solchen Fürsten ward Alles unberechenbar. Unter-
stützt durch den französischen Gesandten Bignon gelangte eine bonapar-
tistische Partei ans Ruder, und unternahm, den kleinen Staat sofort nach
dem Pariser Muster umzugestalten; durch Härte und Willkür ging alles
Vertrauen, das sich die neue Landesherrschaft mühsam erworben hatte,
wieder verloren. Die Beamten verwilderten erstaunlich schnell; sie hatten
sich schon in der guten alten Zeit durch ihren bureaukratischen Bevor-
mundungseifer ausgezeichnet, jetzt wurde Baden neben Darmstadt und
Nassau das classische Land des unnützen Vielregierens. Auf mancher

Karl Friedrich und Karl von Baden.
Aufhebung der Leibeigenſchaft geſendet. Und welch ein Jubel vollends, als
Karl Friedrich dem wackeren Holzhändler Anton Rindeſchwender, dem
Wohlthäter des Murgthals, der Landesherr dem Unterthan, ein Denkmal
errichtete. Herder meinte, das ſei der erſte Fürſt ganz ohne Fürſtenmiene.

Daher fand die Propaganda der Franzoſen, als ſie von Baſel aus die
Verfaſſungsurkunde der Deutſchen Republik im Oberlande verbreiteten, in
den zufriedenen Markgrafenlanden nur vereinzelte Anhänger, ungleich
weniger als in Württemberg und Baiern. Auch in den neuen Landes-
theilen verfuhr der Organiſator der badiſchen Verwaltung Geh. Rath
Brauer weit ſchonender als die harten Bureaukraten der Nachbarſtaaten;
nur der Clerus beklagte, daß ſelbſt dieſer fromme Chriſt das Mißtrauen
gegen die katholiſche Kirche, das allen altbadiſchen Beamten eigen war,
nicht überwinden konnte. Da der Adel in der Pfalz und im Breisgau
den neuen Staat mit ſtillem Grolle anſah, ſo bewahrte ſich das Be-
amtenthum ſeinen überwiegend bürgerlichen Charakter; auch die thörichte
rheinbündiſche Erfindung des Perſonaladels für Ordensritter, die in
Baiern und Württemberg manchen eitlen Kopf verdrehte, blieb hier un-
bekannt. Die neue Ordnung fand ihren Abſchluß durch die Einführung
des badiſchen Landrechts, einer geſchickten Bearbeitung des Code Napoleon.
Alles in dieſem Staate war modern.

Erſt nach Karl Friedrichs Ableben traten die Mächte des Zerfalls,
welche der neue Staat umſchloß, drohend hervor. Sein Enkel, der junge
Großherzog Karl war durch eine herrſchſüchtige Mutter aller ernſten
Arbeit entfremdet worden und hatte ſich früh in Ausſchweifungen ge-
ſtürzt, in der Blüthe der Jahre die Lebenskraft verloren. Begabt und
liebenswürdig von Natur verſank er bald in ein dumpfes, träges Brüten;
ganze Zimmer ſeines Schloſſes lagen angefüllt mit Akten, Briefen, Zu-
ſendungen aller Art, die er weder ſelbſt erledigen noch irgend einem
Menſchen anvertrauen wollte. So lebte der arme Kranke dahin, freund-
los, verſchloſſen, unergründlich, immer mit ſeinen ſchönen ſchlauen Augen
um ſich ſpähend, wer ihn wohl betrügen wolle; nur ſeine Gemahlin
Stephanie Beauharnais, die er einſt auf Napoleons Befehl widerwillig
geheirathet hatte, trat ihm jetzt näher, da er einem frühen Tode entgegen-
welkte, und beglückte ihn durch den Reichthum ihres fröhlichen Herzens.

Unter einem ſolchen Fürſten ward Alles unberechenbar. Unter-
ſtützt durch den franzöſiſchen Geſandten Bignon gelangte eine bonapar-
tiſtiſche Partei ans Ruder, und unternahm, den kleinen Staat ſofort nach
dem Pariſer Muſter umzugeſtalten; durch Härte und Willkür ging alles
Vertrauen, das ſich die neue Landesherrſchaft mühſam erworben hatte,
wieder verloren. Die Beamten verwilderten erſtaunlich ſchnell; ſie hatten
ſich ſchon in der guten alten Zeit durch ihren bureaukratiſchen Bevor-
mundungseifer ausgezeichnet, jetzt wurde Baden neben Darmſtadt und
Naſſau das claſſiſche Land des unnützen Vielregierens. Auf mancher

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[359/0373] Karl Friedrich und Karl von Baden. Aufhebung der Leibeigenſchaft geſendet. Und welch ein Jubel vollends, als Karl Friedrich dem wackeren Holzhändler Anton Rindeſchwender, dem Wohlthäter des Murgthals, der Landesherr dem Unterthan, ein Denkmal errichtete. Herder meinte, das ſei der erſte Fürſt ganz ohne Fürſtenmiene. Daher fand die Propaganda der Franzoſen, als ſie von Baſel aus die Verfaſſungsurkunde der Deutſchen Republik im Oberlande verbreiteten, in den zufriedenen Markgrafenlanden nur vereinzelte Anhänger, ungleich weniger als in Württemberg und Baiern. Auch in den neuen Landes- theilen verfuhr der Organiſator der badiſchen Verwaltung Geh. Rath Brauer weit ſchonender als die harten Bureaukraten der Nachbarſtaaten; nur der Clerus beklagte, daß ſelbſt dieſer fromme Chriſt das Mißtrauen gegen die katholiſche Kirche, das allen altbadiſchen Beamten eigen war, nicht überwinden konnte. Da der Adel in der Pfalz und im Breisgau den neuen Staat mit ſtillem Grolle anſah, ſo bewahrte ſich das Be- amtenthum ſeinen überwiegend bürgerlichen Charakter; auch die thörichte rheinbündiſche Erfindung des Perſonaladels für Ordensritter, die in Baiern und Württemberg manchen eitlen Kopf verdrehte, blieb hier un- bekannt. Die neue Ordnung fand ihren Abſchluß durch die Einführung des badiſchen Landrechts, einer geſchickten Bearbeitung des Code Napoleon. Alles in dieſem Staate war modern. Erſt nach Karl Friedrichs Ableben traten die Mächte des Zerfalls, welche der neue Staat umſchloß, drohend hervor. Sein Enkel, der junge Großherzog Karl war durch eine herrſchſüchtige Mutter aller ernſten Arbeit entfremdet worden und hatte ſich früh in Ausſchweifungen ge- ſtürzt, in der Blüthe der Jahre die Lebenskraft verloren. Begabt und liebenswürdig von Natur verſank er bald in ein dumpfes, träges Brüten; ganze Zimmer ſeines Schloſſes lagen angefüllt mit Akten, Briefen, Zu- ſendungen aller Art, die er weder ſelbſt erledigen noch irgend einem Menſchen anvertrauen wollte. So lebte der arme Kranke dahin, freund- los, verſchloſſen, unergründlich, immer mit ſeinen ſchönen ſchlauen Augen um ſich ſpähend, wer ihn wohl betrügen wolle; nur ſeine Gemahlin Stephanie Beauharnais, die er einſt auf Napoleons Befehl widerwillig geheirathet hatte, trat ihm jetzt näher, da er einem frühen Tode entgegen- welkte, und beglückte ihn durch den Reichthum ihres fröhlichen Herzens. Unter einem ſolchen Fürſten ward Alles unberechenbar. Unter- ſtützt durch den franzöſiſchen Geſandten Bignon gelangte eine bonapar- tiſtiſche Partei ans Ruder, und unternahm, den kleinen Staat ſofort nach dem Pariſer Muſter umzugeſtalten; durch Härte und Willkür ging alles Vertrauen, das ſich die neue Landesherrſchaft mühſam erworben hatte, wieder verloren. Die Beamten verwilderten erſtaunlich ſchnell; ſie hatten ſich ſchon in der guten alten Zeit durch ihren bureaukratiſchen Bevor- mundungseifer ausgezeichnet, jetzt wurde Baden neben Darmſtadt und Naſſau das claſſiſche Land des unnützen Vielregierens. Auf mancher

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/373>, abgerufen am 25.11.2024.