und schrieb dem Staatskanzler, der alle kirchlichen Händel mit gespann- ter Aufmerksamkeit verfolgte: "der Clerus wird die diesem Boden erst seit ganz neuer Zeit zu theil gewordene Aufklärung wieder in das Dunkel und Verderben des Aberglaubens herunterstürzen."*) Die Curie froh- lockte und sprach dem Könige "gebührendes Lob" aus. Max Joseph aber vergaß seiner Würde so gänzlich, daß er brieflich beim Papste den Car- dinalshut für den ungetreuen Gesandten Häffelin erbat. Die Bitte ward erfüllt, unter dem Unwillen aller guten Baiern; selbst die Cardinäle klagten, auf solchen Schultern werde der Purpur entweiht.
Einen so glänzenden Triumph konnte der Vatican der Welt nicht lange vorenthalten. Schon im December wurde das Concordat durch die Curie einseitig veröffentlicht, und sofort veranlaßte der Eichstädter Bund die höchsten geistlichen Behörden, der Krone ihren Dank auszu- sprechen. Das Generalvicariat in Bamberg verlangte das Einschreiten der Behörden gegen eine fränkische Zeitung, die sich der Sache Wessen- bergs annahm; unter den Heißspornen der clericalen Partei vernahm man bereits die Forderung: alle Kinder gemischter Ehen und alle Find- linge sollten der römischen Kirche überwiesen und der Uebertritt zum Katholicismus Jedem ohne Unterschied des Alters freigestellt werden. Unerhörte Ansprüche, die sich doch mit gutem Grunde auf die Eingangs- worte des Concordats berufen konnten! Die Protestanten sahen das Dasein ihrer Kirche selbst bedroht; welches Recht der Evangelischen stand denn noch fest, wenn wirklich die kanonischen Vorschriften allen bairischen Staats- gesetzen vorgingen? Die Consistorien und viele protestantische Städte be- schworen den König in beweglichen Bittschriften um Aufrechterhaltung der paritätischen Grundsätze des Religionsedikts von 1809; auch der Hof- prediger der Königin Schmitt erhob seine mächtige Stimme, Niemand aber schürte die Bewegung eifriger als Anselm Feuerbach, der seinem Beinamen Vesuvius wieder einmal Ehre machte. Unter den Katholiken trat Ignaz Rudhart mit gewohntem Freimuth für die bedrohte Parität auf; selbst viele Geistliche verhehlten ihre Besorgnisse nicht.
Die Aufregung hielt an und wuchs, da gleichzeitig in Frankreich ein Sturm gegen das neue von Blacas abgeschlossene Concordat losbrach, und die Süddeutschen bereits anfingen jedem Wellenschlage der öffentlichen Meinung im Nachbarlande gelehrig zu folgen. Auch der Kronprinz begann, trotz seiner romantischen Phantasien, doch bedenklich zu werden und er- innerte den Vater an das Vorbild seines Ahnherrn Ludwigs des Baiern. Max Joseph selbst schämte sich seiner Schwäche; er konnte es nicht leugnen, dies Concordat war ein Abfall nicht blos von den Grundsätzen seiner eigenen Kirchenpolitik, sondern auch von allen guten Traditionen der alten Wittelsbacher. Aber nachdem er sein königliches Wort feierlich ver-
*) Zastrows Bericht 10. Decbr. 1817.
II. 6. Süddeutſche Verfaſſungskämpfe.
und ſchrieb dem Staatskanzler, der alle kirchlichen Händel mit geſpann- ter Aufmerkſamkeit verfolgte: „der Clerus wird die dieſem Boden erſt ſeit ganz neuer Zeit zu theil gewordene Aufklärung wieder in das Dunkel und Verderben des Aberglaubens herunterſtürzen.“*) Die Curie froh- lockte und ſprach dem Könige „gebührendes Lob“ aus. Max Joſeph aber vergaß ſeiner Würde ſo gänzlich, daß er brieflich beim Papſte den Car- dinalshut für den ungetreuen Geſandten Häffelin erbat. Die Bitte ward erfüllt, unter dem Unwillen aller guten Baiern; ſelbſt die Cardinäle klagten, auf ſolchen Schultern werde der Purpur entweiht.
Einen ſo glänzenden Triumph konnte der Vatican der Welt nicht lange vorenthalten. Schon im December wurde das Concordat durch die Curie einſeitig veröffentlicht, und ſofort veranlaßte der Eichſtädter Bund die höchſten geiſtlichen Behörden, der Krone ihren Dank auszu- ſprechen. Das Generalvicariat in Bamberg verlangte das Einſchreiten der Behörden gegen eine fränkiſche Zeitung, die ſich der Sache Weſſen- bergs annahm; unter den Heißſpornen der clericalen Partei vernahm man bereits die Forderung: alle Kinder gemiſchter Ehen und alle Find- linge ſollten der römiſchen Kirche überwieſen und der Uebertritt zum Katholicismus Jedem ohne Unterſchied des Alters freigeſtellt werden. Unerhörte Anſprüche, die ſich doch mit gutem Grunde auf die Eingangs- worte des Concordats berufen konnten! Die Proteſtanten ſahen das Daſein ihrer Kirche ſelbſt bedroht; welches Recht der Evangeliſchen ſtand denn noch feſt, wenn wirklich die kanoniſchen Vorſchriften allen bairiſchen Staats- geſetzen vorgingen? Die Conſiſtorien und viele proteſtantiſche Städte be- ſchworen den König in beweglichen Bittſchriften um Aufrechterhaltung der paritätiſchen Grundſätze des Religionsedikts von 1809; auch der Hof- prediger der Königin Schmitt erhob ſeine mächtige Stimme, Niemand aber ſchürte die Bewegung eifriger als Anſelm Feuerbach, der ſeinem Beinamen Veſuvius wieder einmal Ehre machte. Unter den Katholiken trat Ignaz Rudhart mit gewohntem Freimuth für die bedrohte Parität auf; ſelbſt viele Geiſtliche verhehlten ihre Beſorgniſſe nicht.
Die Aufregung hielt an und wuchs, da gleichzeitig in Frankreich ein Sturm gegen das neue von Blacas abgeſchloſſene Concordat losbrach, und die Süddeutſchen bereits anfingen jedem Wellenſchlage der öffentlichen Meinung im Nachbarlande gelehrig zu folgen. Auch der Kronprinz begann, trotz ſeiner romantiſchen Phantaſien, doch bedenklich zu werden und er- innerte den Vater an das Vorbild ſeines Ahnherrn Ludwigs des Baiern. Max Joſeph ſelbſt ſchämte ſich ſeiner Schwäche; er konnte es nicht leugnen, dies Concordat war ein Abfall nicht blos von den Grundſätzen ſeiner eigenen Kirchenpolitik, ſondern auch von allen guten Traditionen der alten Wittelsbacher. Aber nachdem er ſein königliches Wort feierlich ver-
*) Zaſtrows Bericht 10. Decbr. 1817.
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II. 6. Süddeutſche Verfaſſungskämpfe.
und ſchrieb dem Staatskanzler, der alle kirchlichen Händel mit geſpann-
ter Aufmerkſamkeit verfolgte: „der Clerus wird die dieſem Boden erſt
ſeit ganz neuer Zeit zu theil gewordene Aufklärung wieder in das Dunkel
und Verderben des Aberglaubens herunterſtürzen.“ *) Die Curie froh-
lockte und ſprach dem Könige „gebührendes Lob“ aus. Max Joſeph aber
vergaß ſeiner Würde ſo gänzlich, daß er brieflich beim Papſte den Car-
dinalshut für den ungetreuen Geſandten Häffelin erbat. Die Bitte ward
erfüllt, unter dem Unwillen aller guten Baiern; ſelbſt die Cardinäle
klagten, auf ſolchen Schultern werde der Purpur entweiht.
Einen ſo glänzenden Triumph konnte der Vatican der Welt nicht
lange vorenthalten. Schon im December wurde das Concordat durch
die Curie einſeitig veröffentlicht, und ſofort veranlaßte der Eichſtädter
Bund die höchſten geiſtlichen Behörden, der Krone ihren Dank auszu-
ſprechen. Das Generalvicariat in Bamberg verlangte das Einſchreiten
der Behörden gegen eine fränkiſche Zeitung, die ſich der Sache Weſſen-
bergs annahm; unter den Heißſpornen der clericalen Partei vernahm
man bereits die Forderung: alle Kinder gemiſchter Ehen und alle Find-
linge ſollten der römiſchen Kirche überwieſen und der Uebertritt zum
Katholicismus Jedem ohne Unterſchied des Alters freigeſtellt werden.
Unerhörte Anſprüche, die ſich doch mit gutem Grunde auf die Eingangs-
worte des Concordats berufen konnten! Die Proteſtanten ſahen das Daſein
ihrer Kirche ſelbſt bedroht; welches Recht der Evangeliſchen ſtand denn
noch feſt, wenn wirklich die kanoniſchen Vorſchriften allen bairiſchen Staats-
geſetzen vorgingen? Die Conſiſtorien und viele proteſtantiſche Städte be-
ſchworen den König in beweglichen Bittſchriften um Aufrechterhaltung der
paritätiſchen Grundſätze des Religionsedikts von 1809; auch der Hof-
prediger der Königin Schmitt erhob ſeine mächtige Stimme, Niemand aber
ſchürte die Bewegung eifriger als Anſelm Feuerbach, der ſeinem Beinamen
Veſuvius wieder einmal Ehre machte. Unter den Katholiken trat Ignaz
Rudhart mit gewohntem Freimuth für die bedrohte Parität auf; ſelbſt
viele Geiſtliche verhehlten ihre Beſorgniſſe nicht.
Die Aufregung hielt an und wuchs, da gleichzeitig in Frankreich ein
Sturm gegen das neue von Blacas abgeſchloſſene Concordat losbrach, und
die Süddeutſchen bereits anfingen jedem Wellenſchlage der öffentlichen
Meinung im Nachbarlande gelehrig zu folgen. Auch der Kronprinz begann,
trotz ſeiner romantiſchen Phantaſien, doch bedenklich zu werden und er-
innerte den Vater an das Vorbild ſeines Ahnherrn Ludwigs des Baiern.
Max Joſeph ſelbſt ſchämte ſich ſeiner Schwäche; er konnte es nicht leugnen,
dies Concordat war ein Abfall nicht blos von den Grundſätzen ſeiner
eigenen Kirchenpolitik, ſondern auch von allen guten Traditionen der
alten Wittelsbacher. Aber nachdem er ſein königliches Wort feierlich ver-
*) Zaſtrows Bericht 10. Decbr. 1817.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/364>, abgerufen am 25.11.2024.
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