Auch im Lande hatte sich der freimüthige Held bald alle Herzen gewonnen; als er die Mosel hinauf fuhr, kamen aus jedem Dorfe singende Landleute herangerudert und reichten ihm den Ehrenwein.
Das fröhliche Nachspiel der großen Kriegszeit sollte nicht lange währen. Gneisenau hatte schon als die Schmalzische Schrift erschien den Staats- kanzler gewarnt, diesem ersten Schlage würden schwerere folgen, und mußte nun erfahren, daß man bei Hofe ihn selber als das Haupt des Tugend- bundes anschwärzte, seine heitere Tafelrunde "Wallensteins Lager" nannte. Die Verleumdung verstimmte ihn um so tiefer, da er eben jetzt von jener krankhaften Abspannung befallen wurde, welche die Männer der That beim Eintritt ruhiger Zeiten so häufig heimsucht; er fühlte sich im Friedens- dienste wie der Fisch auf dem Sande und legte schon im Sommer 1816 sein rheinisches Commando nieder, theils seiner Gesundheit wegen, theils um den Gegnern zu beweisen, daß er keine ehrgeizigen Absichten hege.*) Auch dann noch hörten die Afterreden am Hofe nicht auf; der König aber blieb den Einflüsterungen unzugänglich, und kaum zwei Jahre später übernahm Gneisenau, nachdem sein Körper sich in den schlesischen Bergen wieder er- holt hatte, die Stelle des Gouverneurs von Berlin.
In denselben Tagen wurde der Oberpräsident Sack vom Rheine nach Stettin versetzt. Anderthalb Jahre lang hatte er die provisorische Ver- waltung in seiner rheinischen Heimath mit Geschick und Umsicht geleitet; aber wie er einst als brandenburgischer Oberpräsident mit dem feudalen Adel zusammengerathen war, so konnte es dem derben, durchgreifenden Beamten auch jetzt nicht an Feinden fehlen. Die Minister Wittgenstein, Schuckmann, Bülow beschwerten sich über seine Unbotmäßigkeit; mit dem Militärgouverneur General Dobschütz lebte er in offener Fehde. Freiherr v. Mirbach und Andere aus dem stolzen niederrheinischen Adel verklagten ihn wegen bureaukratischer Härte und Zurücksetzung der Edelleute; selbst seine Freunde konnten nicht leugnen, daß er sich in den Zeitungen mehr als für einen preußischen Beamten schicklich war loben ließ und seine zahlreiche Vetterschaft, "die Säcke", doch gar zu sorgsam in der rheinischen Verwaltung untergebracht hatte. Nach so zahlreichen Klagen fand es Har- denberg gerathen, dem verdienten Manne einen andern Wirkungskreis an- zuweisen; er blieb bei seinem Entschlusse, obgleich Sack sich schwer beleidigt fühlte, die große Mehrzahl der Rheinländer ihren Landsmann ungern ziehen sah, und zahlreiche Gemeinden der Provinz dringend um Zurück- nahme der Versetzung baten.**)
Auch der feurige Patriot Justus Gruner, der bisher im Namen der verbündeten Mächte das bergische Land verwaltet hatte, fand eine laue
*) Gneisenau an Hardenberg, 26. März und 21. April 1816, 6. Febr. 1821.
**) Kircheisen an Hardenberg 5. Juni; Kabinetsordres an Sack 15. Januar und 13. März; Sack an den König 24. März, an Hardenberg 24. März und 16. Mai 1816. Mirbach an Hardenberg 29. Novbr. 1815.
Gneiſenau. Sack. Gruner.
Auch im Lande hatte ſich der freimüthige Held bald alle Herzen gewonnen; als er die Moſel hinauf fuhr, kamen aus jedem Dorfe ſingende Landleute herangerudert und reichten ihm den Ehrenwein.
Das fröhliche Nachſpiel der großen Kriegszeit ſollte nicht lange währen. Gneiſenau hatte ſchon als die Schmalziſche Schrift erſchien den Staats- kanzler gewarnt, dieſem erſten Schlage würden ſchwerere folgen, und mußte nun erfahren, daß man bei Hofe ihn ſelber als das Haupt des Tugend- bundes anſchwärzte, ſeine heitere Tafelrunde „Wallenſteins Lager“ nannte. Die Verleumdung verſtimmte ihn um ſo tiefer, da er eben jetzt von jener krankhaften Abſpannung befallen wurde, welche die Männer der That beim Eintritt ruhiger Zeiten ſo häufig heimſucht; er fühlte ſich im Friedens- dienſte wie der Fiſch auf dem Sande und legte ſchon im Sommer 1816 ſein rheiniſches Commando nieder, theils ſeiner Geſundheit wegen, theils um den Gegnern zu beweiſen, daß er keine ehrgeizigen Abſichten hege.*) Auch dann noch hörten die Afterreden am Hofe nicht auf; der König aber blieb den Einflüſterungen unzugänglich, und kaum zwei Jahre ſpäter übernahm Gneiſenau, nachdem ſein Körper ſich in den ſchleſiſchen Bergen wieder er- holt hatte, die Stelle des Gouverneurs von Berlin.
In denſelben Tagen wurde der Oberpräſident Sack vom Rheine nach Stettin verſetzt. Anderthalb Jahre lang hatte er die proviſoriſche Ver- waltung in ſeiner rheiniſchen Heimath mit Geſchick und Umſicht geleitet; aber wie er einſt als brandenburgiſcher Oberpräſident mit dem feudalen Adel zuſammengerathen war, ſo konnte es dem derben, durchgreifenden Beamten auch jetzt nicht an Feinden fehlen. Die Miniſter Wittgenſtein, Schuckmann, Bülow beſchwerten ſich über ſeine Unbotmäßigkeit; mit dem Militärgouverneur General Dobſchütz lebte er in offener Fehde. Freiherr v. Mirbach und Andere aus dem ſtolzen niederrheiniſchen Adel verklagten ihn wegen bureaukratiſcher Härte und Zurückſetzung der Edelleute; ſelbſt ſeine Freunde konnten nicht leugnen, daß er ſich in den Zeitungen mehr als für einen preußiſchen Beamten ſchicklich war loben ließ und ſeine zahlreiche Vetterſchaft, „die Säcke“, doch gar zu ſorgſam in der rheiniſchen Verwaltung untergebracht hatte. Nach ſo zahlreichen Klagen fand es Har- denberg gerathen, dem verdienten Manne einen andern Wirkungskreis an- zuweiſen; er blieb bei ſeinem Entſchluſſe, obgleich Sack ſich ſchwer beleidigt fühlte, die große Mehrzahl der Rheinländer ihren Landsmann ungern ziehen ſah, und zahlreiche Gemeinden der Provinz dringend um Zurück- nahme der Verſetzung baten.**)
Auch der feurige Patriot Juſtus Gruner, der bisher im Namen der verbündeten Mächte das bergiſche Land verwaltet hatte, fand eine laue
*) Gneiſenau an Hardenberg, 26. März und 21. April 1816, 6. Febr. 1821.
**) Kircheiſen an Hardenberg 5. Juni; Kabinetsordres an Sack 15. Januar und 13. März; Sack an den König 24. März, an Hardenberg 24. März und 16. Mai 1816. Mirbach an Hardenberg 29. Novbr. 1815.
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Gneiſenau. Sack. Gruner.
Auch im Lande hatte ſich der freimüthige Held bald alle Herzen gewonnen;
als er die Moſel hinauf fuhr, kamen aus jedem Dorfe ſingende Landleute
herangerudert und reichten ihm den Ehrenwein.
Das fröhliche Nachſpiel der großen Kriegszeit ſollte nicht lange währen.
Gneiſenau hatte ſchon als die Schmalziſche Schrift erſchien den Staats-
kanzler gewarnt, dieſem erſten Schlage würden ſchwerere folgen, und mußte
nun erfahren, daß man bei Hofe ihn ſelber als das Haupt des Tugend-
bundes anſchwärzte, ſeine heitere Tafelrunde „Wallenſteins Lager“ nannte.
Die Verleumdung verſtimmte ihn um ſo tiefer, da er eben jetzt von jener
krankhaften Abſpannung befallen wurde, welche die Männer der That
beim Eintritt ruhiger Zeiten ſo häufig heimſucht; er fühlte ſich im Friedens-
dienſte wie der Fiſch auf dem Sande und legte ſchon im Sommer 1816
ſein rheiniſches Commando nieder, theils ſeiner Geſundheit wegen, theils um
den Gegnern zu beweiſen, daß er keine ehrgeizigen Abſichten hege. *) Auch
dann noch hörten die Afterreden am Hofe nicht auf; der König aber blieb
den Einflüſterungen unzugänglich, und kaum zwei Jahre ſpäter übernahm
Gneiſenau, nachdem ſein Körper ſich in den ſchleſiſchen Bergen wieder er-
holt hatte, die Stelle des Gouverneurs von Berlin.
In denſelben Tagen wurde der Oberpräſident Sack vom Rheine nach
Stettin verſetzt. Anderthalb Jahre lang hatte er die proviſoriſche Ver-
waltung in ſeiner rheiniſchen Heimath mit Geſchick und Umſicht geleitet;
aber wie er einſt als brandenburgiſcher Oberpräſident mit dem feudalen
Adel zuſammengerathen war, ſo konnte es dem derben, durchgreifenden
Beamten auch jetzt nicht an Feinden fehlen. Die Miniſter Wittgenſtein,
Schuckmann, Bülow beſchwerten ſich über ſeine Unbotmäßigkeit; mit dem
Militärgouverneur General Dobſchütz lebte er in offener Fehde. Freiherr
v. Mirbach und Andere aus dem ſtolzen niederrheiniſchen Adel verklagten
ihn wegen bureaukratiſcher Härte und Zurückſetzung der Edelleute; ſelbſt
ſeine Freunde konnten nicht leugnen, daß er ſich in den Zeitungen mehr
als für einen preußiſchen Beamten ſchicklich war loben ließ und ſeine
zahlreiche Vetterſchaft, „die Säcke“, doch gar zu ſorgſam in der rheiniſchen
Verwaltung untergebracht hatte. Nach ſo zahlreichen Klagen fand es Har-
denberg gerathen, dem verdienten Manne einen andern Wirkungskreis an-
zuweiſen; er blieb bei ſeinem Entſchluſſe, obgleich Sack ſich ſchwer beleidigt
fühlte, die große Mehrzahl der Rheinländer ihren Landsmann ungern
ziehen ſah, und zahlreiche Gemeinden der Provinz dringend um Zurück-
nahme der Verſetzung baten. **)
Auch der feurige Patriot Juſtus Gruner, der bisher im Namen der
verbündeten Mächte das bergiſche Land verwaltet hatte, fand eine laue
*) Gneiſenau an Hardenberg, 26. März und 21. April 1816, 6. Febr. 1821.
**) Kircheiſen an Hardenberg 5. Juni; Kabinetsordres an Sack 15. Januar und
13. März; Sack an den König 24. März, an Hardenberg 24. März und 16. Mai 1816.
Mirbach an Hardenberg 29. Novbr. 1815.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/205>, abgerufen am 24.11.2024.
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