nungen rein unmöglich war. Am 16. vor Tagesanbruch verließ er selbst das glänzende Ballfest, das die Herzogin von Richmond den englischen Offizieren gab, warf sich aufs Pferd, und eilte auf der Straße nach Char- leroi südwärts bis über Quatrebras hinaus auf die Höhen von Frasnes, dicht gegenüber dem linken Flügel der Franzosen. Von dort schrieb er um 101/2 Uhr früh an Blücher: um 12 Uhr würden seine Reserven in Genappe, nur eine halbe Meile hinter Quatrebras eintreffen, die englische Reiterei in Nivelles, 1 1/3 Meile westlich von Quatrebras. War dies richtig, so durfte Blücher mit Sicherheit auf die Unterstützung der Eng- länder am Nachmittage zählen. Um 1 Uhr hielten die beiden Feld- herren auf dem Windmühlenhügel von Bussy, im Rücken der preußischen Aufstellung eine Zusammenkunft, und hier versprach Wellington, daß er Nachmittags in die Schlacht eingreifen, die Franzosen je nach Umständen über Marbais oder Frasnes im Rücken oder in der Flanke anfallen werde. Mit den Worten "um 4 Uhr werde ich hier sein" trennte sich der Herzog von dem preußischen Feldherrn.
Im Vertrauen auf diese Zusage beschlossen Blücher und Gneisenau die Schlacht anzunehmen. Die beiden Armeecorps von Zieten und Pirch standen mit der Front nach Süden auf dem Höhenzuge von Brye und weiter vorwärts in dem tiefen feuchten Wiesengrunde des Lignebaches, der sich zu den Füßen dieser sanften Bodenerhebung ausdehnt; hier am Bache waren die Dörfer St. Amand la Haye rechts und Ligny links stark besetzt. Thielmann mit dem dritten Armeecorps traf erst um Mittag nach angestrengtem Marsche auf dem Schlachtfelde ein und stellte seine Truppen zwischen Sombreffe und Tongrinne als linken Flügel mit der Front nach Westen auf, so daß die Linien des Centrums und des linken Flügels fast senkrecht aufeinander stießen und die Schlachtstellung einen nach Süden geöffneten Haken bildete. Der äußerste rechte Flügel bei Wagnelee stand überdies völlig ungedeckt, falls etwa vom Westen her, aus der Gegend von Frasnes ein Angriff erfolgte. Nur die bestimmte Erwartung, daß Wellington rechtzeitig zur Unterstützung des rechten Flü- gels herankommen werde, bewog die preußischen Heerführer, sich in so un- vortheilhafter Stellung auf eine Schlacht einzulassen; sie hofften das Gefecht den Nachmittag über hinzuhalten, bis gegen Abend 40,000 Mann vom englischen Heere die Entscheidung brächten.
Aber der englische Feldherr konnte sein Wort nicht halten. Er sah sich selbst bei Quatrebras mit überlegener Macht angegriffen und hatte dort noch um 3 Uhr Nachmittags nur 7000 Mann zur Stelle; dann erst trafen neue Zuzüge ein. Erst am späten Abend standen etwas über 30,000 Mann bei Quatrebras versammelt, grade genug um den Angriff nothdürftig ab- zuschlagen; an die verheißene Unterstützung war also nicht mehr zu denken. Wellington hatte das Unmögliche versprochen, sicherlich nur aus Irrthum, in gutem Glauben; aber was verschlug es ihm auch, wenn er sein Wort
Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 47
Wellingtons Verſprechungen.
nungen rein unmöglich war. Am 16. vor Tagesanbruch verließ er ſelbſt das glänzende Ballfeſt, das die Herzogin von Richmond den engliſchen Offizieren gab, warf ſich aufs Pferd, und eilte auf der Straße nach Char- leroi ſüdwärts bis über Quatrebras hinaus auf die Höhen von Frasnes, dicht gegenüber dem linken Flügel der Franzoſen. Von dort ſchrieb er um 10½ Uhr früh an Blücher: um 12 Uhr würden ſeine Reſerven in Genappe, nur eine halbe Meile hinter Quatrebras eintreffen, die engliſche Reiterei in Nivelles, 1⅓ Meile weſtlich von Quatrebras. War dies richtig, ſo durfte Blücher mit Sicherheit auf die Unterſtützung der Eng- länder am Nachmittage zählen. Um 1 Uhr hielten die beiden Feld- herren auf dem Windmühlenhügel von Buſſy, im Rücken der preußiſchen Aufſtellung eine Zuſammenkunft, und hier verſprach Wellington, daß er Nachmittags in die Schlacht eingreifen, die Franzoſen je nach Umſtänden über Marbais oder Frasnes im Rücken oder in der Flanke anfallen werde. Mit den Worten „um 4 Uhr werde ich hier ſein“ trennte ſich der Herzog von dem preußiſchen Feldherrn.
Im Vertrauen auf dieſe Zuſage beſchloſſen Blücher und Gneiſenau die Schlacht anzunehmen. Die beiden Armeecorps von Zieten und Pirch ſtanden mit der Front nach Süden auf dem Höhenzuge von Brye und weiter vorwärts in dem tiefen feuchten Wieſengrunde des Lignebaches, der ſich zu den Füßen dieſer ſanften Bodenerhebung ausdehnt; hier am Bache waren die Dörfer St. Amand la Haye rechts und Ligny links ſtark beſetzt. Thielmann mit dem dritten Armeecorps traf erſt um Mittag nach angeſtrengtem Marſche auf dem Schlachtfelde ein und ſtellte ſeine Truppen zwiſchen Sombreffe und Tongrinne als linken Flügel mit der Front nach Weſten auf, ſo daß die Linien des Centrums und des linken Flügels faſt ſenkrecht aufeinander ſtießen und die Schlachtſtellung einen nach Süden geöffneten Haken bildete. Der äußerſte rechte Flügel bei Wagnelée ſtand überdies völlig ungedeckt, falls etwa vom Weſten her, aus der Gegend von Frasnes ein Angriff erfolgte. Nur die beſtimmte Erwartung, daß Wellington rechtzeitig zur Unterſtützung des rechten Flü- gels herankommen werde, bewog die preußiſchen Heerführer, ſich in ſo un- vortheilhafter Stellung auf eine Schlacht einzulaſſen; ſie hofften das Gefecht den Nachmittag über hinzuhalten, bis gegen Abend 40,000 Mann vom engliſchen Heere die Entſcheidung brächten.
Aber der engliſche Feldherr konnte ſein Wort nicht halten. Er ſah ſich ſelbſt bei Quatrebras mit überlegener Macht angegriffen und hatte dort noch um 3 Uhr Nachmittags nur 7000 Mann zur Stelle; dann erſt trafen neue Zuzüge ein. Erſt am ſpäten Abend ſtanden etwas über 30,000 Mann bei Quatrebras verſammelt, grade genug um den Angriff nothdürftig ab- zuſchlagen; an die verheißene Unterſtützung war alſo nicht mehr zu denken. Wellington hatte das Unmögliche verſprochen, ſicherlich nur aus Irrthum, in gutem Glauben; aber was verſchlug es ihm auch, wenn er ſein Wort
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. I. 47
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Wellingtons Verſprechungen.
nungen rein unmöglich war. Am 16. vor Tagesanbruch verließ er ſelbſt
das glänzende Ballfeſt, das die Herzogin von Richmond den engliſchen
Offizieren gab, warf ſich aufs Pferd, und eilte auf der Straße nach Char-
leroi ſüdwärts bis über Quatrebras hinaus auf die Höhen von Frasnes,
dicht gegenüber dem linken Flügel der Franzoſen. Von dort ſchrieb er
um 10½ Uhr früh an Blücher: um 12 Uhr würden ſeine Reſerven in
Genappe, nur eine halbe Meile hinter Quatrebras eintreffen, die engliſche
Reiterei in Nivelles, 1⅓ Meile weſtlich von Quatrebras. War dies
richtig, ſo durfte Blücher mit Sicherheit auf die Unterſtützung der Eng-
länder am Nachmittage zählen. Um 1 Uhr hielten die beiden Feld-
herren auf dem Windmühlenhügel von Buſſy, im Rücken der preußiſchen
Aufſtellung eine Zuſammenkunft, und hier verſprach Wellington, daß er
Nachmittags in die Schlacht eingreifen, die Franzoſen je nach Umſtänden
über Marbais oder Frasnes im Rücken oder in der Flanke anfallen
werde. Mit den Worten „um 4 Uhr werde ich hier ſein“ trennte ſich
der Herzog von dem preußiſchen Feldherrn.
Im Vertrauen auf dieſe Zuſage beſchloſſen Blücher und Gneiſenau
die Schlacht anzunehmen. Die beiden Armeecorps von Zieten und Pirch
ſtanden mit der Front nach Süden auf dem Höhenzuge von Brye und
weiter vorwärts in dem tiefen feuchten Wieſengrunde des Lignebaches,
der ſich zu den Füßen dieſer ſanften Bodenerhebung ausdehnt; hier am
Bache waren die Dörfer St. Amand la Haye rechts und Ligny links
ſtark beſetzt. Thielmann mit dem dritten Armeecorps traf erſt um Mittag
nach angeſtrengtem Marſche auf dem Schlachtfelde ein und ſtellte ſeine
Truppen zwiſchen Sombreffe und Tongrinne als linken Flügel mit der
Front nach Weſten auf, ſo daß die Linien des Centrums und des linken
Flügels faſt ſenkrecht aufeinander ſtießen und die Schlachtſtellung einen
nach Süden geöffneten Haken bildete. Der äußerſte rechte Flügel bei
Wagnelée ſtand überdies völlig ungedeckt, falls etwa vom Weſten her,
aus der Gegend von Frasnes ein Angriff erfolgte. Nur die beſtimmte
Erwartung, daß Wellington rechtzeitig zur Unterſtützung des rechten Flü-
gels herankommen werde, bewog die preußiſchen Heerführer, ſich in ſo un-
vortheilhafter Stellung auf eine Schlacht einzulaſſen; ſie hofften das
Gefecht den Nachmittag über hinzuhalten, bis gegen Abend 40,000 Mann
vom engliſchen Heere die Entſcheidung brächten.
Aber der engliſche Feldherr konnte ſein Wort nicht halten. Er ſah ſich
ſelbſt bei Quatrebras mit überlegener Macht angegriffen und hatte dort
noch um 3 Uhr Nachmittags nur 7000 Mann zur Stelle; dann erſt trafen
neue Zuzüge ein. Erſt am ſpäten Abend ſtanden etwas über 30,000 Mann
bei Quatrebras verſammelt, grade genug um den Angriff nothdürftig ab-
zuſchlagen; an die verheißene Unterſtützung war alſo nicht mehr zu denken.
Wellington hatte das Unmögliche verſprochen, ſicherlich nur aus Irrthum,
in gutem Glauben; aber was verſchlug es ihm auch, wenn er ſein Wort
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/753>, abgerufen am 25.11.2024.
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