Kampfes, zogen die Verbündeten in den Krieg hinaus. Der kaiserliche Hof führte den Feldzug ungern als einen aufgezwungenen Vertheidigungs- krieg; die preußischen Staatsmänner leisteten ebenso widerwillig eine Hilfe, die nach den Verträgen nicht verweigert werden konnte; beide Mächte trösteten sich mit der unbestimmten Hoffnung, das widerwärtige Unter- nehmen werde doch irgend einen Landgewinn abwerfen. Nur König Friedrich Wilhelm schwelgte in ritterlichen Hochgedanken; er sah sich jetzt als den Vorkämpfer des rechtmäßigen Königthums, auch die Gestalten des Arminius und anderer Retter des deutschen Vaterlandes erschienen ihm in seinen Träumen. Welche Ordnung er dem besiegten Frankreich auferlegen sollte blieb ihm freilich selber unklar.
Noch bevor die Heere aufeinander trafen enthüllte sich, außer der Zwietracht der Verbündeten, auch die andere heillose Unwahrheit, daran die Coalition krankte. Da die Redner der Gironde den Principienkrieg für die republikanische Freiheit predigten, so konnten ihre Feinde sich dem Einfluß der contrerevolutionären Partei nicht ganz entziehen. Oesterreich galt in Paris als der Schirm und Träger aller jener alten Staats- gedanken, die man dort mit dem geduldigen Gesammtnamen Feudalismus bezeichnete; gegen diese Macht der Finsterniß fochten die Wortführer der Revolution mit freudigem Eifer. Daß aber der Staat des Philosophen von Sanssouci, der Rebell gegen Kaiser und Reich, jetzt das alte Europa mit seinen Waffen schützte, erschien ihnen ganz ungeheuerlich; sie gaben die Hoffnung nicht auf, diesen Staat der Aufklärung noch zu sich hinüber- zuziehen. Gleichwohl vermochte das preußische Hauptquartier nicht, die immer lauter und zuversichtlicher auftretenden Emigranten von sich fern zu halten. Der Oberbefehlshaber, der Herzog von Braunschweig, unter- schrieb in einem Augenblicke kopfloser Schwäche ein fanatisches Kriegs- manifest, das durch einen Heißsporn des emigrirten Adels seine Färbung erhalten hatte und im preußischen Cabinet Entsetzen erregte: der geist- reiche Schüler der französischen Philosophie, dem der Pariser Kriegsminister vor Kurzem erst die Führung des Revolutionsheeres angeboten hatte, be- drohte in grimmigen Worten das revolutionäre Frankreich mit Verderben und Zerstörung. Die Gironde frohlockte; die contrerevolutionären Pläne der verbündeten Despoten schienen erwiesen, über allen Zweifel hinaus.
Unselig wie die Politik, welche den Kampf begann, war auch die Weise der Kriegführung. Wohl blieben die wohlgedrillten Regimenter Oesterreichs und Preußens den zerlumpten und verwilderten Haufen des Revolutionsheeres noch lange militärisch überlegen. Wo es zum Schlagen kam wurden die Franzosen von den fridericianischen Truppen regelmäßig geworfen; den preußischen Reitern und namentlich dem gefürchteten rothen König, dem Oberst Blücher von den rothen Husaren, wagten sie selten Stand zu halten. Der märkische Bauer spottete noch nach Jahren über die französischen Katzköppe, wie er die Chasseurs nannte. Blücher gab
Der Krieg von 1792.
Kampfes, zogen die Verbündeten in den Krieg hinaus. Der kaiſerliche Hof führte den Feldzug ungern als einen aufgezwungenen Vertheidigungs- krieg; die preußiſchen Staatsmänner leiſteten ebenſo widerwillig eine Hilfe, die nach den Verträgen nicht verweigert werden konnte; beide Mächte tröſteten ſich mit der unbeſtimmten Hoffnung, das widerwärtige Unter- nehmen werde doch irgend einen Landgewinn abwerfen. Nur König Friedrich Wilhelm ſchwelgte in ritterlichen Hochgedanken; er ſah ſich jetzt als den Vorkämpfer des rechtmäßigen Königthums, auch die Geſtalten des Arminius und anderer Retter des deutſchen Vaterlandes erſchienen ihm in ſeinen Träumen. Welche Ordnung er dem beſiegten Frankreich auferlegen ſollte blieb ihm freilich ſelber unklar.
Noch bevor die Heere aufeinander trafen enthüllte ſich, außer der Zwietracht der Verbündeten, auch die andere heilloſe Unwahrheit, daran die Coalition krankte. Da die Redner der Gironde den Principienkrieg für die republikaniſche Freiheit predigten, ſo konnten ihre Feinde ſich dem Einfluß der contrerevolutionären Partei nicht ganz entziehen. Oeſterreich galt in Paris als der Schirm und Träger aller jener alten Staats- gedanken, die man dort mit dem geduldigen Geſammtnamen Feudalismus bezeichnete; gegen dieſe Macht der Finſterniß fochten die Wortführer der Revolution mit freudigem Eifer. Daß aber der Staat des Philoſophen von Sansſouci, der Rebell gegen Kaiſer und Reich, jetzt das alte Europa mit ſeinen Waffen ſchützte, erſchien ihnen ganz ungeheuerlich; ſie gaben die Hoffnung nicht auf, dieſen Staat der Aufklärung noch zu ſich hinüber- zuziehen. Gleichwohl vermochte das preußiſche Hauptquartier nicht, die immer lauter und zuverſichtlicher auftretenden Emigranten von ſich fern zu halten. Der Oberbefehlshaber, der Herzog von Braunſchweig, unter- ſchrieb in einem Augenblicke kopfloſer Schwäche ein fanatiſches Kriegs- manifeſt, das durch einen Heißſporn des emigrirten Adels ſeine Färbung erhalten hatte und im preußiſchen Cabinet Entſetzen erregte: der geiſt- reiche Schüler der franzöſiſchen Philoſophie, dem der Pariſer Kriegsminiſter vor Kurzem erſt die Führung des Revolutionsheeres angeboten hatte, be- drohte in grimmigen Worten das revolutionäre Frankreich mit Verderben und Zerſtörung. Die Gironde frohlockte; die contrerevolutionären Pläne der verbündeten Despoten ſchienen erwieſen, über allen Zweifel hinaus.
Unſelig wie die Politik, welche den Kampf begann, war auch die Weiſe der Kriegführung. Wohl blieben die wohlgedrillten Regimenter Oeſterreichs und Preußens den zerlumpten und verwilderten Haufen des Revolutionsheeres noch lange militäriſch überlegen. Wo es zum Schlagen kam wurden die Franzoſen von den fridericianiſchen Truppen regelmäßig geworfen; den preußiſchen Reitern und namentlich dem gefürchteten rothen König, dem Oberſt Blücher von den rothen Huſaren, wagten ſie ſelten Stand zu halten. Der märkiſche Bauer ſpottete noch nach Jahren über die franzöſiſchen Katzköppe, wie er die Chaſſeurs nannte. Blücher gab
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Der Krieg von 1792.
Kampfes, zogen die Verbündeten in den Krieg hinaus. Der kaiſerliche
Hof führte den Feldzug ungern als einen aufgezwungenen Vertheidigungs-
krieg; die preußiſchen Staatsmänner leiſteten ebenſo widerwillig eine Hilfe,
die nach den Verträgen nicht verweigert werden konnte; beide Mächte
tröſteten ſich mit der unbeſtimmten Hoffnung, das widerwärtige Unter-
nehmen werde doch irgend einen Landgewinn abwerfen. Nur König Friedrich
Wilhelm ſchwelgte in ritterlichen Hochgedanken; er ſah ſich jetzt als den
Vorkämpfer des rechtmäßigen Königthums, auch die Geſtalten des Arminius
und anderer Retter des deutſchen Vaterlandes erſchienen ihm in ſeinen
Träumen. Welche Ordnung er dem beſiegten Frankreich auferlegen ſollte
blieb ihm freilich ſelber unklar.
Noch bevor die Heere aufeinander trafen enthüllte ſich, außer der
Zwietracht der Verbündeten, auch die andere heilloſe Unwahrheit, daran
die Coalition krankte. Da die Redner der Gironde den Principienkrieg
für die republikaniſche Freiheit predigten, ſo konnten ihre Feinde ſich dem
Einfluß der contrerevolutionären Partei nicht ganz entziehen. Oeſterreich
galt in Paris als der Schirm und Träger aller jener alten Staats-
gedanken, die man dort mit dem geduldigen Geſammtnamen Feudalismus
bezeichnete; gegen dieſe Macht der Finſterniß fochten die Wortführer der
Revolution mit freudigem Eifer. Daß aber der Staat des Philoſophen
von Sansſouci, der Rebell gegen Kaiſer und Reich, jetzt das alte Europa
mit ſeinen Waffen ſchützte, erſchien ihnen ganz ungeheuerlich; ſie gaben
die Hoffnung nicht auf, dieſen Staat der Aufklärung noch zu ſich hinüber-
zuziehen. Gleichwohl vermochte das preußiſche Hauptquartier nicht, die
immer lauter und zuverſichtlicher auftretenden Emigranten von ſich fern
zu halten. Der Oberbefehlshaber, der Herzog von Braunſchweig, unter-
ſchrieb in einem Augenblicke kopfloſer Schwäche ein fanatiſches Kriegs-
manifeſt, das durch einen Heißſporn des emigrirten Adels ſeine Färbung
erhalten hatte und im preußiſchen Cabinet Entſetzen erregte: der geiſt-
reiche Schüler der franzöſiſchen Philoſophie, dem der Pariſer Kriegsminiſter
vor Kurzem erſt die Führung des Revolutionsheeres angeboten hatte, be-
drohte in grimmigen Worten das revolutionäre Frankreich mit Verderben
und Zerſtörung. Die Gironde frohlockte; die contrerevolutionären Pläne
der verbündeten Despoten ſchienen erwieſen, über allen Zweifel hinaus.
Unſelig wie die Politik, welche den Kampf begann, war auch die
Weiſe der Kriegführung. Wohl blieben die wohlgedrillten Regimenter
Oeſterreichs und Preußens den zerlumpten und verwilderten Haufen des
Revolutionsheeres noch lange militäriſch überlegen. Wo es zum Schlagen
kam wurden die Franzoſen von den fridericianiſchen Truppen regelmäßig
geworfen; den preußiſchen Reitern und namentlich dem gefürchteten rothen
König, dem Oberſt Blücher von den rothen Huſaren, wagten ſie ſelten
Stand zu halten. Der märkiſche Bauer ſpottete noch nach Jahren über
die franzöſiſchen Katzköppe, wie er die Chaſſeurs nannte. Blücher gab
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/143>, abgerufen am 16.02.2025.
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