Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nerin, die ihre Tabaksdose oder dergleichen vergessen hat, ich will hinabgehen. Es läutete wieder und heftiger -- Rosi ging gegen die Thüre. Das wäre ein boshafter Streich des Schicksals, wenn Sie jetzt fort müßten, sprach der Hofrichter. Als gönnte der liebe Gott dem Herrn Pfarrer die fröhliche Stunde nicht, schalt Rosi, die Thüre öffnend. Da fuhr Peter Malachias, der mit gesenktem Haupte dagesessen war, wie aus einem Traume auf. Bleib da, Rosi -- ich geh' selbst -- unterhalte du die Herren -- und husch war er aus dem Zimmer. Der Hofrichter hielt aber das hübsche Mädchen mit allerlei süßen Reden zurück, während der Pfarrer unten die Hausthure öffnete. Wer da? I bin's, schluchzte Rosi's Bruder, ein zwanzigjähriger stumpfsinniger Bursche, der beschneit und fröstelnd sich die Hände rieb. Was willst du? D' Muarda läßt in Herrn Pfarrer um Goiteswölln bid'n, er soll mit unsern Herrgott zan Vadern kema*). Ist ihm ein Unglück begegnet? Na, aber sterb'n thut er. War er doch noch heute in der Kirche. *) Volksthümliche Bezeichnung für die Spendung der Sterbesacramente.
nerin, die ihre Tabaksdose oder dergleichen vergessen hat, ich will hinabgehen. Es läutete wieder und heftiger — Rosi ging gegen die Thüre. Das wäre ein boshafter Streich des Schicksals, wenn Sie jetzt fort müßten, sprach der Hofrichter. Als gönnte der liebe Gott dem Herrn Pfarrer die fröhliche Stunde nicht, schalt Rosi, die Thüre öffnend. Da fuhr Peter Malachias, der mit gesenktem Haupte dagesessen war, wie aus einem Traume auf. Bleib da, Rosi — ich geh' selbst — unterhalte du die Herren — und husch war er aus dem Zimmer. Der Hofrichter hielt aber das hübsche Mädchen mit allerlei süßen Reden zurück, während der Pfarrer unten die Hausthure öffnete. Wer da? I bin's, schluchzte Rosi's Bruder, ein zwanzigjähriger stumpfsinniger Bursche, der beschneit und fröstelnd sich die Hände rieb. Was willst du? D' Muarda läßt in Herrn Pfarrer um Goiteswölln bid'n, er soll mit unsern Herrgott zan Vadern kema*). Ist ihm ein Unglück begegnet? Na, aber sterb'n thut er. War er doch noch heute in der Kirche. *) Volksthümliche Bezeichnung für die Spendung der Sterbesacramente.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020"/> nerin, die ihre Tabaksdose oder dergleichen vergessen hat, ich will hinabgehen.</p><lb/> <p>Es läutete wieder und heftiger — Rosi ging gegen die Thüre. </p><lb/> <p>Das wäre ein boshafter Streich des Schicksals, wenn Sie jetzt fort müßten, sprach der Hofrichter.</p><lb/> <p>Als gönnte der liebe Gott dem Herrn Pfarrer die fröhliche Stunde nicht, schalt Rosi, die Thüre öffnend.</p><lb/> <p>Da fuhr Peter Malachias, der mit gesenktem Haupte dagesessen war, wie aus einem Traume auf. Bleib da, Rosi — ich geh' selbst — unterhalte du die Herren — und husch war er aus dem Zimmer. Der Hofrichter hielt aber das hübsche Mädchen mit allerlei süßen Reden zurück, während der Pfarrer unten die Hausthure öffnete.</p><lb/> <p>Wer da?</p><lb/> <p>I bin's, schluchzte Rosi's Bruder, ein zwanzigjähriger stumpfsinniger Bursche, der beschneit und fröstelnd sich die Hände rieb.</p><lb/> <p>Was willst du?</p><lb/> <p>D' Muarda läßt in Herrn Pfarrer um Goiteswölln bid'n, er soll mit unsern Herrgott zan Vadern kema<note place="foot" n="*)">Volksthümliche Bezeichnung für die Spendung der Sterbesacramente.</note>.</p><lb/> <p>Ist ihm ein Unglück begegnet?</p><lb/> <p>Na, aber sterb'n thut er.</p><lb/> <p>War er doch noch heute in der Kirche.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
nerin, die ihre Tabaksdose oder dergleichen vergessen hat, ich will hinabgehen.
Es läutete wieder und heftiger — Rosi ging gegen die Thüre.
Das wäre ein boshafter Streich des Schicksals, wenn Sie jetzt fort müßten, sprach der Hofrichter.
Als gönnte der liebe Gott dem Herrn Pfarrer die fröhliche Stunde nicht, schalt Rosi, die Thüre öffnend.
Da fuhr Peter Malachias, der mit gesenktem Haupte dagesessen war, wie aus einem Traume auf. Bleib da, Rosi — ich geh' selbst — unterhalte du die Herren — und husch war er aus dem Zimmer. Der Hofrichter hielt aber das hübsche Mädchen mit allerlei süßen Reden zurück, während der Pfarrer unten die Hausthure öffnete.
Wer da?
I bin's, schluchzte Rosi's Bruder, ein zwanzigjähriger stumpfsinniger Bursche, der beschneit und fröstelnd sich die Hände rieb.
Was willst du?
D' Muarda läßt in Herrn Pfarrer um Goiteswölln bid'n, er soll mit unsern Herrgott zan Vadern kema *).
Ist ihm ein Unglück begegnet?
Na, aber sterb'n thut er.
War er doch noch heute in der Kirche.
*) Volksthümliche Bezeichnung für die Spendung der Sterbesacramente.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/traun_gebirgspfarrer_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/traun_gebirgspfarrer_1910/20 |
Zitationshilfe: | Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/traun_gebirgspfarrer_1910/20>, abgerufen am 16.02.2025. |