Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite
Erschütternd ist der Untergang des Geschlechts.
In dieser Stunde füllen sich die Augen des Schauenden
Mit dem Gold seiner Sterne.
Am Abend versinkt ein Glockenspiel, das nicht mehr tönt
Verfallen die schwarzen Mauern am Platz,
Ruft der tote Soldat zum Gebet.
Ein bleicher Engel
Tritt der Sohn ins leere Haus seiner Väter.
Die Schwestern sind ferne zu weißen Greisen gegangen
Nachts fand sie der Schläfer unter den Säulen im Hausflur,
Zurückgekehrt von traurigen Pilgerschaften.
O wie starrt von Kot und Würmern ihr Haar,
Da er darein mit silbernen Füßen steht,
Und jene verstorben aus kahlen Zimmern treten.
O ihr Psalmen in feurigen Mitternachtsregen,
Da die Knechte mit Nesseln die sanften Augen schlugen,
Die kindlichen Früchte des Holunders
Sich staunend neigen über ein leeres Grab.
Leise rollen vergilbte Monde
Über die Fieberlinnen des Jünglings,
Eh dem Schweigen des Winters folgt.
Erschütternd ist der Untergang des Geschlechts.
In dieser Stunde füllen sich die Augen des Schauenden
Mit dem Gold seiner Sterne.
Am Abend versinkt ein Glockenspiel, das nicht mehr tönt
Verfallen die schwarzen Mauern am Platz,
Ruft der tote Soldat zum Gebet.
Ein bleicher Engel
Tritt der Sohn ins leere Haus seiner Väter.
Die Schwestern sind ferne zu weißen Greisen gegangen
Nachts fand sie der Schläfer unter den Säulen im Hausflur,
Zurückgekehrt von traurigen Pilgerschaften.
O wie starrt von Kot und Würmern ihr Haar,
Da er darein mit silbernen Füßen steht,
Und jene verstorben aus kahlen Zimmern treten.
O ihr Psalmen in feurigen Mitternachtsregen,
Da die Knechte mit Nesseln die sanften Augen schlugen,
Die kindlichen Früchte des Holunders
Sich staunend neigen über ein leeres Grab.
Leise rollen vergilbte Monde
Über die Fieberlinnen des Jünglings,
Eh dem Schweigen des Winters folgt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0061" n="63"/>
          <lg n="13">
            <l>Erschütternd ist der Untergang des Geschlechts.</l><lb/>
            <l>In dieser Stunde füllen sich die Augen des Schauenden</l><lb/>
            <l>Mit dem Gold seiner Sterne.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="14">
            <l>Am Abend versinkt ein Glockenspiel, das nicht mehr tönt</l><lb/>
            <l>Verfallen die schwarzen Mauern am Platz,</l><lb/>
            <l>Ruft der tote Soldat zum Gebet.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="15">
            <l>Ein bleicher Engel</l><lb/>
            <l>Tritt der Sohn ins leere Haus seiner Väter.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="16">
            <l>Die Schwestern sind ferne zu weißen Greisen gegangen</l><lb/>
            <l>Nachts fand sie der Schläfer unter den Säulen im Hausflur,</l><lb/>
            <l>Zurückgekehrt von traurigen Pilgerschaften.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="17">
            <l>O wie starrt von Kot und Würmern ihr Haar,</l><lb/>
            <l>Da er darein mit silbernen Füßen steht,</l><lb/>
            <l>Und jene verstorben aus kahlen Zimmern treten.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="18">
            <l>O ihr Psalmen in feurigen Mitternachtsregen,</l><lb/>
            <l>Da die Knechte mit Nesseln die sanften Augen schlugen,</l><lb/>
            <l>Die kindlichen Früchte des Holunders</l><lb/>
            <l>Sich staunend neigen über ein leeres Grab.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="19">
            <l>Leise rollen vergilbte Monde</l><lb/>
            <l>Über die Fieberlinnen des Jünglings,</l><lb/>
            <l>Eh dem Schweigen des Winters folgt.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0061] Erschütternd ist der Untergang des Geschlechts. In dieser Stunde füllen sich die Augen des Schauenden Mit dem Gold seiner Sterne. Am Abend versinkt ein Glockenspiel, das nicht mehr tönt Verfallen die schwarzen Mauern am Platz, Ruft der tote Soldat zum Gebet. Ein bleicher Engel Tritt der Sohn ins leere Haus seiner Väter. Die Schwestern sind ferne zu weißen Greisen gegangen Nachts fand sie der Schläfer unter den Säulen im Hausflur, Zurückgekehrt von traurigen Pilgerschaften. O wie starrt von Kot und Würmern ihr Haar, Da er darein mit silbernen Füßen steht, Und jene verstorben aus kahlen Zimmern treten. O ihr Psalmen in feurigen Mitternachtsregen, Da die Knechte mit Nesseln die sanften Augen schlugen, Die kindlichen Früchte des Holunders Sich staunend neigen über ein leeres Grab. Leise rollen vergilbte Monde Über die Fieberlinnen des Jünglings, Eh dem Schweigen des Winters folgt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-14T09:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-14T09:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-14T09:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/61
Zitationshilfe: Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/61>, abgerufen am 06.05.2024.