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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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Keiner wird für den Anderen etwas thun und leisten, Keiner
dem Anderen etwas gönnen und geben wollen, es sei denn
um einer Gegenleistung oder Gegengabe willen, welche er
seinem Gegebenen wenigstens gleich achtet. Es ist sogar
nothwendig, dass sie ihm willkommener sei, als was er hätte
behalten können, denn nur die Erlangung eines Besser-
Scheinenden wird ihn bewegen, ein Gutes von sich zu lösen.
Wenn aber ein Jeder solchen Willens theilhaftig ist, so ist
durch sich selber deutlich, dass zwar die Sache a für das
Subject B besser sein kann als die Sache b, und ebenso
die Sache b für das Subject A besser als die Sache a;
aber nicht ohne diese Relationen zugleich a besser als b,
und b besser als a. Es macht nun die Frage sich geltend,
in welchem Sinne überhaupt von Güte oder Werth von
Sachen, der von solchen Relationen unabhängig sei, geredet
werden könne. Worauf zu antworten. In der hier ge-
botenen Vorstellung werden alle Güter als getrennte voraus-
gesetzt, wie ihre Subjecte; was Einer hat und geniesst, das
hat und geniesst er mit Ausschliessung aller Uebrigen;
es gibt kein Gemeinsam-Gutes in Wirklichkeit. Es kann
solches geben, durch Fiction der Subjecte; welche aber
nicht anders möglich ist, als indem zugleich ein gemeinsames
Subject und dessen Wille fingirt oder gemacht wird,
worauf dieser gemeinsame Werth bezogen werden muss.
Solche Fictionen werden aber nicht ohne zureichenden
Grund erfunden. Zureichender Grund dafür ist schon in
dem einfachen Acte der Hingabe und Annahme eines Gegen-
standes vorhanden, insofern als dadurch eine Berührung
und Entstehung eines gemeinsamen Gebietes statt-
findet, das von beiden Subjecten gewollt wird, und während
der Zeitdauer der "Transaction" beharrt; welche Dauer
sowohl als eine verschwindende oder gleich Null gesetzt
werden, als auch in der Vorstellung zu beliebiger Länge
ausgedehnt werden kann. In dieser Zeit hat solches aus
dem Gebiete, sage des A sich ablösende Stück aufgehört,
ganz und gar unter diesem Willen oder dieser Herrschaft
zu stehen; es hat noch nicht angefangen, ganz und gar
unter dem Willen und der Herrschaft, sage des B zu stehen:
es steht noch unter einer partiellen Herrschaft des A

Keiner wird für den Anderen etwas thun und leisten, Keiner
dem Anderen etwas gönnen und geben wollen, es sei denn
um einer Gegenleistung oder Gegengabe willen, welche er
seinem Gegebenen wenigstens gleich achtet. Es ist sogar
nothwendig, dass sie ihm willkommener sei, als was er hätte
behalten können, denn nur die Erlangung eines Besser-
Scheinenden wird ihn bewegen, ein Gutes von sich zu lösen.
Wenn aber ein Jeder solchen Willens theilhaftig ist, so ist
durch sich selber deutlich, dass zwar die Sache a für das
Subject B besser sein kann als die Sache b, und ebenso
die Sache b für das Subject A besser als die Sache a;
aber nicht ohne diese Relationen zugleich a besser als b,
und b besser als a. Es macht nun die Frage sich geltend,
in welchem Sinne überhaupt von Güte oder Werth von
Sachen, der von solchen Relationen unabhängig sei, geredet
werden könne. Worauf zu antworten. In der hier ge-
botenen Vorstellung werden alle Güter als getrennte voraus-
gesetzt, wie ihre Subjecte; was Einer hat und geniesst, das
hat und geniesst er mit Ausschliessung aller Uebrigen;
es gibt kein Gemeinsam-Gutes in Wirklichkeit. Es kann
solches geben, durch Fiction der Subjecte; welche aber
nicht anders möglich ist, als indem zugleich ein gemeinsames
Subject und dessen Wille fingirt oder gemacht wird,
worauf dieser gemeinsame Werth bezogen werden muss.
Solche Fictionen werden aber nicht ohne zureichenden
Grund erfunden. Zureichender Grund dafür ist schon in
dem einfachen Acte der Hingabe und Annahme eines Gegen-
standes vorhanden, insofern als dadurch eine Berührung
und Entstehung eines gemeinsamen Gebietes statt-
findet, das von beiden Subjecten gewollt wird, und während
der Zeitdauer der »Transaction« beharrt; welche Dauer
sowohl als eine verschwindende oder gleich Null gesetzt
werden, als auch in der Vorstellung zu beliebiger Länge
ausgedehnt werden kann. In dieser Zeit hat solches aus
dem Gebiete, sage des A sich ablösende Stück aufgehört,
ganz und gar unter diesem Willen oder dieser Herrschaft
zu stehen; es hat noch nicht angefangen, ganz und gar
unter dem Willen und der Herrschaft, sage des B zu stehen:
es steht noch unter einer partiellen Herrschaft des A

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[47/0083] Keiner wird für den Anderen etwas thun und leisten, Keiner dem Anderen etwas gönnen und geben wollen, es sei denn um einer Gegenleistung oder Gegengabe willen, welche er seinem Gegebenen wenigstens gleich achtet. Es ist sogar nothwendig, dass sie ihm willkommener sei, als was er hätte behalten können, denn nur die Erlangung eines Besser- Scheinenden wird ihn bewegen, ein Gutes von sich zu lösen. Wenn aber ein Jeder solchen Willens theilhaftig ist, so ist durch sich selber deutlich, dass zwar die Sache a für das Subject B besser sein kann als die Sache b, und ebenso die Sache b für das Subject A besser als die Sache a; aber nicht ohne diese Relationen zugleich a besser als b, und b besser als a. Es macht nun die Frage sich geltend, in welchem Sinne überhaupt von Güte oder Werth von Sachen, der von solchen Relationen unabhängig sei, geredet werden könne. Worauf zu antworten. In der hier ge- botenen Vorstellung werden alle Güter als getrennte voraus- gesetzt, wie ihre Subjecte; was Einer hat und geniesst, das hat und geniesst er mit Ausschliessung aller Uebrigen; es gibt kein Gemeinsam-Gutes in Wirklichkeit. Es kann solches geben, durch Fiction der Subjecte; welche aber nicht anders möglich ist, als indem zugleich ein gemeinsames Subject und dessen Wille fingirt oder gemacht wird, worauf dieser gemeinsame Werth bezogen werden muss. Solche Fictionen werden aber nicht ohne zureichenden Grund erfunden. Zureichender Grund dafür ist schon in dem einfachen Acte der Hingabe und Annahme eines Gegen- standes vorhanden, insofern als dadurch eine Berührung und Entstehung eines gemeinsamen Gebietes statt- findet, das von beiden Subjecten gewollt wird, und während der Zeitdauer der »Transaction« beharrt; welche Dauer sowohl als eine verschwindende oder gleich Null gesetzt werden, als auch in der Vorstellung zu beliebiger Länge ausgedehnt werden kann. In dieser Zeit hat solches aus dem Gebiete, sage des A sich ablösende Stück aufgehört, ganz und gar unter diesem Willen oder dieser Herrschaft zu stehen; es hat noch nicht angefangen, ganz und gar unter dem Willen und der Herrschaft, sage des B zu stehen: es steht noch unter einer partiellen Herrschaft des A

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/83>, abgerufen am 22.11.2024.