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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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Abhängigen, zu einem ähnlichen Stande mit seinen Hörigen,
ihr Eigenthum zu einer von seiner Gnade gegebenen blossen
Nutzungs-Gerechtsame (dominum utile) hinabzudrücken; wozu
diese wohl selber (die Freien) ihm, des Schutzes und leich-
terer Pflichten gegen die höheren Verbände bedürfend, ent-
gegenkommen. So dass als letztes Extrem ein nicht mehr
relatives, gemeinschaftliches und getheiltes, sondern absolutes,
individuelles und alleiniges Eigenthum des Herren an der
Mark erscheinen kann (woraus mithin auch alle Merkmale
der blossen Gebiets-Hoheit ausgelöscht sind), und diesem
gegenüber dann, nachdem alle Bande der Gemeinschaft mit
seinen Abhängigen gelöst sind, entweder die vollkommene
Leibeigenschaft derselben, oder ein freies contract-
liches Verhältniss der Pachtung resultirt, welches seinem
thatsächlichen Gehalte nach möglicher Weise allerdings,
nämlich durch Capital und Bildung des Pächters, zum
völligen Gegensatze gegen jene sich entwickeln kann; unter
anderen Umständen hingegen nur veränderter Name und
neue rechtliche Form desselben Zustandes ist. Jedoch
andererseits kann wohl auch, sei es durch eigenen Willen
des Herrn, sei es durch überlegene Wirkung einer ihn
nöthigenden Gesetzgebung, alle Abhängigkeit des unteren
oder bäuerlichen Eigenthums aufgehoben, und dasselbe im
gleichen Sinne als individuelles und absolutes erklärt werden,
wie es das obere geworden ist. In jedem dieser Fälle wird
eine einfache und rationale, mithin abstracte Gestaltung für
die complicirten lebendig-concreten Verhältnisse eingesetzt;
oder vielmehr unternommen, das wirkliche Leben nach
logisch-theoretischen Modellen zuzuschneiden; was die that-
sächlichen Zustände mehr oder weniger an die Hand geben
oder doch erleichtern können.

§ 17.

Die ungeheure Mannigfachheit jener Verhältnisse
aber, welche wieder modificirt werden, wenn an der Stelle
des Feudalherren ein (geistliches) Collegium, Kloster oder
andere Corporation steht, kann hier nicht einmal in Andeu-
tungen befasst werden. Wichtig ist nur überall zu bemerken,

Abhängigen, zu einem ähnlichen Stande mit seinen Hörigen,
ihr Eigenthum zu einer von seiner Gnade gegebenen blossen
Nutzungs-Gerechtsame (dominum utile) hinabzudrücken; wozu
diese wohl selber (die Freien) ihm, des Schutzes und leich-
terer Pflichten gegen die höheren Verbände bedürfend, ent-
gegenkommen. So dass als letztes Extrem ein nicht mehr
relatives, gemeinschaftliches und getheiltes, sondern absolutes,
individuelles und alleiniges Eigenthum des Herren an der
Mark erscheinen kann (woraus mithin auch alle Merkmale
der blossen Gebiets-Hoheit ausgelöscht sind), und diesem
gegenüber dann, nachdem alle Bande der Gemeinschaft mit
seinen Abhängigen gelöst sind, entweder die vollkommene
Leibeigenschaft derselben, oder ein freies contract-
liches Verhältniss der Pachtung resultirt, welches seinem
thatsächlichen Gehalte nach möglicher Weise allerdings,
nämlich durch Capital und Bildung des Pächters, zum
völligen Gegensatze gegen jene sich entwickeln kann; unter
anderen Umständen hingegen nur veränderter Name und
neue rechtliche Form desselben Zustandes ist. Jedoch
andererseits kann wohl auch, sei es durch eigenen Willen
des Herrn, sei es durch überlegene Wirkung einer ihn
nöthigenden Gesetzgebung, alle Abhängigkeit des unteren
oder bäuerlichen Eigenthums aufgehoben, und dasselbe im
gleichen Sinne als individuelles und absolutes erklärt werden,
wie es das obere geworden ist. In jedem dieser Fälle wird
eine einfache und rationale, mithin abstracte Gestaltung für
die complicirten lebendig-concreten Verhältnisse eingesetzt;
oder vielmehr unternommen, das wirkliche Leben nach
logisch-theoretischen Modellen zuzuschneiden; was die that-
sächlichen Zustände mehr oder weniger an die Hand geben
oder doch erleichtern können.

§ 17.

Die ungeheure Mannigfachheit jener Verhältnisse
aber, welche wieder modificirt werden, wenn an der Stelle
des Feudalherren ein (geistliches) Collegium, Kloster oder
andere Corporation steht, kann hier nicht einmal in Andeu-
tungen befasst werden. Wichtig ist nur überall zu bemerken,

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[38/0074] Abhängigen, zu einem ähnlichen Stande mit seinen Hörigen, ihr Eigenthum zu einer von seiner Gnade gegebenen blossen Nutzungs-Gerechtsame (dominum utile) hinabzudrücken; wozu diese wohl selber (die Freien) ihm, des Schutzes und leich- terer Pflichten gegen die höheren Verbände bedürfend, ent- gegenkommen. So dass als letztes Extrem ein nicht mehr relatives, gemeinschaftliches und getheiltes, sondern absolutes, individuelles und alleiniges Eigenthum des Herren an der Mark erscheinen kann (woraus mithin auch alle Merkmale der blossen Gebiets-Hoheit ausgelöscht sind), und diesem gegenüber dann, nachdem alle Bande der Gemeinschaft mit seinen Abhängigen gelöst sind, entweder die vollkommene Leibeigenschaft derselben, oder ein freies contract- liches Verhältniss der Pachtung resultirt, welches seinem thatsächlichen Gehalte nach möglicher Weise allerdings, nämlich durch Capital und Bildung des Pächters, zum völligen Gegensatze gegen jene sich entwickeln kann; unter anderen Umständen hingegen nur veränderter Name und neue rechtliche Form desselben Zustandes ist. Jedoch andererseits kann wohl auch, sei es durch eigenen Willen des Herrn, sei es durch überlegene Wirkung einer ihn nöthigenden Gesetzgebung, alle Abhängigkeit des unteren oder bäuerlichen Eigenthums aufgehoben, und dasselbe im gleichen Sinne als individuelles und absolutes erklärt werden, wie es das obere geworden ist. In jedem dieser Fälle wird eine einfache und rationale, mithin abstracte Gestaltung für die complicirten lebendig-concreten Verhältnisse eingesetzt; oder vielmehr unternommen, das wirkliche Leben nach logisch-theoretischen Modellen zuzuschneiden; was die that- sächlichen Zustände mehr oder weniger an die Hand geben oder doch erleichtern können. § 17. Die ungeheure Mannigfachheit jener Verhältnisse aber, welche wieder modificirt werden, wenn an der Stelle des Feudalherren ein (geistliches) Collegium, Kloster oder andere Corporation steht, kann hier nicht einmal in Andeu- tungen befasst werden. Wichtig ist nur überall zu bemerken,

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/74>, abgerufen am 24.11.2024.