Kunst erscheint, macht sich solche Würde als die des Meisters gegen Jünger, Schüler, Lehrlinge geltend. -- Der Würde des Alters ist aber die richterliche Thätig- keit und der Charakter der Gerechtigkeit vorzüglich angemessen; denn aus jugendlicher Hitze, Jähzorn und Leidenschaften aller Art entspringt Gewaltthat, Rache und Zwist. Der Greis steht darüber als ruhiger Beobachter, und ist am wenigsten geneigt, aus Vorliebe oder Hass dem Einen zu helfen wider den Anderen, sondern wird zu er- kennen versuchen, von welcher Seite das Uebel begonnen wurde; und ob der Grund dazu stark genug war für einen richtigen und mässigen Menschen; oder durch welches Thun oder Leiden, was einer Uebermässiges sich herausgenommen hat, ausgeglichen werden könne. -- Die Würde der Kraft muss sich im Kampfe auszeichnen; durch Muth und Tapfer- keit bewährt sie sich. Darum hat sie ihre Vollendung als herzogliche Würde: welcher die streitbaren Kräfte zu sammeln, zu ordnen, dem Zuge wider den Feind voran- zugehen, und für die Gesammtwirkung alles Nützliche zu gebieten, das Schädliche zu verwehren geziemt. -- Wenn aber in den meisten Entscheidungen und Massregeln das Richtige und Heilsame mehr zu errathen und zu ahnen dem Kundigen gegeben, als mit Gewissheit zu sehen einem Jeden möglich ist; und wenn das Zukünftige verborgen, oft drohend und fürchterlich vor uns steht: so scheint unter allen Kün- sten jener der Vorrang zuzukommen, welche den Willen der Unsichtbaren zu erkennen, zu deuten oder zu bewegen weiss. Und so erhebt sich die Würde der Weisheit über alle anderen als priesterliche Würde, in welcher die Gestalt des Gottes selber unter den Lebenden zu wandeln, der Unsterblich-Ewige den von Gefahren und Todesangst Umgebenen sich zu offenbaren und mitzutheilen endlich geglaubt wird. -- Diese verschiedenen waltenden, führenden Thätigkeiten und Tugenden fordern und ergänzen einander; und die bezeichneten Würden können ihrer Anlage nach als in jeder überlegenen Stellung, sofern dieselbe aus der Einheit einer Gemeinschaft abgeleitet wird, verbunden ge- dacht werden; so aber, dass die richterliche Würde als die ursprüngliche dem Stande des Haus-Vaters natürlich ist, die
Kunst erscheint, macht sich solche Würde als die des Meisters gegen Jünger, Schüler, Lehrlinge geltend. — Der Würde des Alters ist aber die richterliche Thätig- keit und der Charakter der Gerechtigkeit vorzüglich angemessen; denn aus jugendlicher Hitze, Jähzorn und Leidenschaften aller Art entspringt Gewaltthat, Rache und Zwist. Der Greis steht darüber als ruhiger Beobachter, und ist am wenigsten geneigt, aus Vorliebe oder Hass dem Einen zu helfen wider den Anderen, sondern wird zu er- kennen versuchen, von welcher Seite das Uebel begonnen wurde; und ob der Grund dazu stark genug war für einen richtigen und mässigen Menschen; oder durch welches Thun oder Leiden, was einer Uebermässiges sich herausgenommen hat, ausgeglichen werden könne. — Die Würde der Kraft muss sich im Kampfe auszeichnen; durch Muth und Tapfer- keit bewährt sie sich. Darum hat sie ihre Vollendung als herzogliche Würde: welcher die streitbaren Kräfte zu sammeln, zu ordnen, dem Zuge wider den Feind voran- zugehen, und für die Gesammtwirkung alles Nützliche zu gebieten, das Schädliche zu verwehren geziemt. — Wenn aber in den meisten Entscheidungen und Massregeln das Richtige und Heilsame mehr zu errathen und zu ahnen dem Kundigen gegeben, als mit Gewissheit zu sehen einem Jeden möglich ist; und wenn das Zukünftige verborgen, oft drohend und fürchterlich vor uns steht: so scheint unter allen Kün- sten jener der Vorrang zuzukommen, welche den Willen der Unsichtbaren zu erkennen, zu deuten oder zu bewegen weiss. Und so erhebt sich die Würde der Weisheit über alle anderen als priesterliche Würde, in welcher die Gestalt des Gottes selber unter den Lebenden zu wandeln, der Unsterblich-Ewige den von Gefahren und Todesangst Umgebenen sich zu offenbaren und mitzutheilen endlich geglaubt wird. — Diese verschiedenen waltenden, führenden Thätigkeiten und Tugenden fordern und ergänzen einander; und die bezeichneten Würden können ihrer Anlage nach als in jeder überlegenen Stellung, sofern dieselbe aus der Einheit einer Gemeinschaft abgeleitet wird, verbunden ge- dacht werden; so aber, dass die richterliche Würde als die ursprüngliche dem Stande des Haus-Vaters natürlich ist, die
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Kunst erscheint, macht sich solche Würde als die des
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Der Würde des Alters ist aber die richterliche Thätig-
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angemessen; denn aus jugendlicher Hitze, Jähzorn und
Leidenschaften aller Art entspringt Gewaltthat, Rache und
Zwist. Der Greis steht darüber als ruhiger Beobachter,
und ist am wenigsten geneigt, aus Vorliebe oder Hass dem
Einen zu helfen wider den Anderen, sondern wird zu er-
kennen versuchen, von welcher Seite das Uebel begonnen
wurde; und ob der Grund dazu stark genug war für einen
richtigen und mässigen Menschen; oder durch welches Thun
oder Leiden, was einer Uebermässiges sich herausgenommen
hat, ausgeglichen werden könne. — Die Würde der Kraft
muss sich im Kampfe auszeichnen; durch Muth und Tapfer-
keit bewährt sie sich. Darum hat sie ihre Vollendung als
herzogliche Würde: welcher die streitbaren Kräfte zu
sammeln, zu ordnen, dem Zuge wider den Feind voran-
zugehen, und für die Gesammtwirkung alles Nützliche zu
gebieten, das Schädliche zu verwehren geziemt. — Wenn
aber in den meisten Entscheidungen und Massregeln das
Richtige und Heilsame mehr zu errathen und zu ahnen dem
Kundigen gegeben, als mit Gewissheit zu sehen einem Jeden
möglich ist; und wenn das Zukünftige verborgen, oft drohend
und fürchterlich vor uns steht: so scheint unter allen Kün-
sten jener der Vorrang zuzukommen, welche den Willen
der Unsichtbaren zu erkennen, zu deuten oder zu bewegen
weiss. Und so erhebt sich die Würde der Weisheit über
alle anderen als priesterliche Würde, in welcher die
Gestalt des Gottes selber unter den Lebenden zu wandeln,
der Unsterblich-Ewige den von Gefahren und Todesangst
Umgebenen sich zu offenbaren und mitzutheilen endlich
geglaubt wird. — Diese verschiedenen waltenden, führenden
Thätigkeiten und Tugenden fordern und ergänzen einander;
und die bezeichneten Würden können ihrer Anlage nach
als in jeder überlegenen Stellung, sofern dieselbe aus der
Einheit einer Gemeinschaft abgeleitet wird, verbunden ge-
dacht werden; so aber, dass die richterliche Würde als die
ursprüngliche dem Stande des Haus-Vaters natürlich ist, die
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/56>, abgerufen am 22.11.2024.
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