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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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Stadt innerhalb der Grosstadt, was diese durch ihren
Namen kundgibt -- so dauern überhaupt die gemeinschaft-
lichen Lebensweisen, als die alleinigen realen, innerhalb der
gesellschaftlichen, wenn auch verkümmernd, ja absterbend,
fort. Und hingegen: je allgemeiner der gesellschaftliche
Zustand in einer Nation oder in einer Gruppe von Nationen
wird, desto mehr tendirt dieses gesammte "Land" oder diese
ganze "Welt" dahin, einer einzigen Grosstadt ähnlich zu
werden. In der Grosstadt aber, und mithin im gesellschaft-
lichen Zustande überhaupt, sind nur die Oberen, Reichen,
Gebildeten eigentlich wirksam und lebendig, das Maas
gebend, wonach die unteren Schichten, theils mit dem
Willen jene zu verdrängen, theils ihnen ähnlich zu werden,
sich richten müssen, um selber gesellschaftliche und will-
kürliche Macht zu gewinnen. Die Grosstadt besteht, in
jenen wie in diesen Massen, ebenso daher die "Nation",
und die "Welt", aus lauter freien Personen, welche im
Verkehre einander fortwährend berühren, mit einander
tauschen und zusammenwirken, ohne dass Gemeinschaft und
gemeinschaftlicher Wille zwischen ihnen entstünde; anders
als sporadisch oder als Ueberlebsel der früheren und noch
zu Grunde liegenden Zustände. Vielmehr werden durch
diese zahlreichen äusseren Beziehungen, Contracte und
contractlichen Verhältnisse, ebenso viele innere Feindselig-
keiten und antagonistische Interessen, nur überdeckt, zumal
jener berufene Gegensatz der Reichen oder der herrschaft-
lichen Classe, und der Armen oder der dienstbaren Classe,
welche einander zu hemmen und zu verderben trachten;
ein Gegensatz, der, nach dem Ausdrucke des Platon, die
Stadt zu einer doppelten, und zwar in ihrem Körper selber
gespaltenen, eben dadurch aber (nach unserem Begriffe)
zu einer Grosstadt macht. Während daher das gemeine städ-
tische Leben durchaus innerhalb der Gemeinschaft des Fami-
lienlebens und des Landes beharrend, wohl auch dem Acker-
bau, aber besonders der in diesen natürlichen Bedürfnissen
und Anschauungen beruhenden Kunst sich hingibt, so
hebt seine Steigerung zur Grosstadt sich scharf dagegen
ab, um jene ihre Basis nur noch als Mittel und Werkzeug
für ihre Zwecke zu erkennen, zu gebrauchen. Die Gross-

Stadt innerhalb der Grosstadt, was diese durch ihren
Namen kundgibt — so dauern überhaupt die gemeinschaft-
lichen Lebensweisen, als die alleinigen realen, innerhalb der
gesellschaftlichen, wenn auch verkümmernd, ja absterbend,
fort. Und hingegen: je allgemeiner der gesellschaftliche
Zustand in einer Nation oder in einer Gruppe von Nationen
wird, desto mehr tendirt dieses gesammte »Land« oder diese
ganze »Welt« dahin, einer einzigen Grosstadt ähnlich zu
werden. In der Grosstadt aber, und mithin im gesellschaft-
lichen Zustande überhaupt, sind nur die Oberen, Reichen,
Gebildeten eigentlich wirksam und lebendig, das Maas
gebend, wonach die unteren Schichten, theils mit dem
Willen jene zu verdrängen, theils ihnen ähnlich zu werden,
sich richten müssen, um selber gesellschaftliche und will-
kürliche Macht zu gewinnen. Die Grosstadt besteht, in
jenen wie in diesen Massen, ebenso daher die »Nation«,
und die »Welt«, aus lauter freien Personen, welche im
Verkehre einander fortwährend berühren, mit einander
tauschen und zusammenwirken, ohne dass Gemeinschaft und
gemeinschaftlicher Wille zwischen ihnen entstünde; anders
als sporadisch oder als Ueberlebsel der früheren und noch
zu Grunde liegenden Zustände. Vielmehr werden durch
diese zahlreichen äusseren Beziehungen, Contracte und
contractlichen Verhältnisse, ebenso viele innere Feindselig-
keiten und antagonistische Interessen, nur überdeckt, zumal
jener berufene Gegensatz der Reichen oder der herrschaft-
lichen Classe, und der Armen oder der dienstbaren Classe,
welche einander zu hemmen und zu verderben trachten;
ein Gegensatz, der, nach dem Ausdrucke des Platon, die
Stadt zu einer doppelten, und zwar in ihrem Körper selber
gespaltenen, eben dadurch aber (nach unserem Begriffe)
zu einer Grosstadt macht. Während daher das gemeine städ-
tische Leben durchaus innerhalb der Gemeinschaft des Fami-
lienlebens und des Landes beharrend, wohl auch dem Acker-
bau, aber besonders der in diesen natürlichen Bedürfnissen
und Anschauungen beruhenden Kunst sich hingibt, so
hebt seine Steigerung zur Grosstadt sich scharf dagegen
ab, um jene ihre Basis nur noch als Mittel und Werkzeug
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[283/0319] Stadt innerhalb der Grosstadt, was diese durch ihren Namen kundgibt — so dauern überhaupt die gemeinschaft- lichen Lebensweisen, als die alleinigen realen, innerhalb der gesellschaftlichen, wenn auch verkümmernd, ja absterbend, fort. Und hingegen: je allgemeiner der gesellschaftliche Zustand in einer Nation oder in einer Gruppe von Nationen wird, desto mehr tendirt dieses gesammte »Land« oder diese ganze »Welt« dahin, einer einzigen Grosstadt ähnlich zu werden. In der Grosstadt aber, und mithin im gesellschaft- lichen Zustande überhaupt, sind nur die Oberen, Reichen, Gebildeten eigentlich wirksam und lebendig, das Maas gebend, wonach die unteren Schichten, theils mit dem Willen jene zu verdrängen, theils ihnen ähnlich zu werden, sich richten müssen, um selber gesellschaftliche und will- kürliche Macht zu gewinnen. Die Grosstadt besteht, in jenen wie in diesen Massen, ebenso daher die »Nation«, und die »Welt«, aus lauter freien Personen, welche im Verkehre einander fortwährend berühren, mit einander tauschen und zusammenwirken, ohne dass Gemeinschaft und gemeinschaftlicher Wille zwischen ihnen entstünde; anders als sporadisch oder als Ueberlebsel der früheren und noch zu Grunde liegenden Zustände. Vielmehr werden durch diese zahlreichen äusseren Beziehungen, Contracte und contractlichen Verhältnisse, ebenso viele innere Feindselig- keiten und antagonistische Interessen, nur überdeckt, zumal jener berufene Gegensatz der Reichen oder der herrschaft- lichen Classe, und der Armen oder der dienstbaren Classe, welche einander zu hemmen und zu verderben trachten; ein Gegensatz, der, nach dem Ausdrucke des Platon, die Stadt zu einer doppelten, und zwar in ihrem Körper selber gespaltenen, eben dadurch aber (nach unserem Begriffe) zu einer Grosstadt macht. Während daher das gemeine städ- tische Leben durchaus innerhalb der Gemeinschaft des Fami- lienlebens und des Landes beharrend, wohl auch dem Acker- bau, aber besonders der in diesen natürlichen Bedürfnissen und Anschauungen beruhenden Kunst sich hingibt, so hebt seine Steigerung zur Grosstadt sich scharf dagegen ab, um jene ihre Basis nur noch als Mittel und Werkzeug für ihre Zwecke zu erkennen, zu gebrauchen. Die Gross-

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/319>, abgerufen am 25.11.2024.