Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.die gesammte individuelle Willkür nur ideell von den Im- Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. 18
die gesammte individuelle Willkür nur ideell von den Im- Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. 18
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die gesammte individuelle Willkür nur ideell von den Im-
pulsen des Lebens und Wesenwillens getrennt werden kann
und unter dem objectiven Aspect vielmehr als ein Product
des Gedächtnisses erscheint, so verhält es sich auch mit
der socialen Willkür. Alle ihre Satzungen und Normen be-
halten eine gewisse Aehnlichkeit mit den Geboten der Re-
ligion, indem sie, wie diese, dem intellectuellen oder men-
talen Ausdrucke des Gesammtgeistes entspringen und die
nunmehr vorausgesetzte Isolation und Selbständigkeit des-
selben vielleicht niemals als eine vollkommene und allge-
meine in der Wirklichkeit angetroffen wird. So ist der
Eid ursprüngliche Gewähr des Vertrages, und von Treue
und Glauben löst sich nicht leicht die »bindende Kraft« der
Verträge in der Bewusstheit der Menschen ab, wenn
auch in Wirklichkeit dergleichen keineswegs erfordert wird
sondern eine einfache Reflexion auf das eigene Interesse
genügt, um die Nothwendigkeit, diese Grundbedingung des
gesellschaftlichen Lebens zu erfüllen, dem vernünftigen Sub-
jecte vorzustellen. — Diesen Punkt deutlich zu machen, ist
nicht leicht, noch ihn zu verstehen. Aber in der Einsicht
und Durchdringung desselben wird der Schlüssel entdeckt
werden zur Lösung der bedeutendsten Probleme des Werdens
und Vergehens menschlicher Cultur.
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