eine Weltordnung, auch diese aber nicht nothwendig als Wirklichkeit, sondern als ein Mittel zum vernünftigen Leben, welches der Denkende setzen und bejahen muss. Je mehr daher die Menschen "als Menschen schlechthin" zusammen- kommen oder, was dasselbe ist, je mehr Menschen von allerlei Art zusammenkommen und einander als vernünftige Menschen oder als Gleiche anerkennen, desto wahrschein- licher, und endlich nothwendig, wird unter ihnen die Dar- stellung und Errichtung einer universalen Gesellschaft und Ordnung. Diese Vermischung geschieht in Wirklichkeit durch Handel und Wandel; die Herrschaft Roms über den Orbis Terrarum, welche selber im Handel und Wandel ihre materielle Basis hat, nähert alle Städte der Einen Stadt, bringt alle bewussten, feilschenden, reichen Individuen, den ganzen Herrenstand des unermesslichen Reiches auf dem Fo- rum zusammen, schleift ihre Unterschiede und Unebenheiten gegen einander ab, gibt Allen die gleichen Mienen, die gleiche Sprache und Aussprache, das gleiche Geld, die gleiche Bildung, gleiche Habsucht, gleiche Neugier -- der abstracte Mensch, die künstlichste, regelmässigste, raffi- nirteste aller Maschinen, ist construirt und erfunden, und ist anzuschauen wie ein Gespenst in nüchterner, heller Tages-Wahrheit.
§ 19.
Das allgemeine und natürliche Recht in diesem neuen, auflösenden, umwälzenden, nivellirenden Sinne ist durch und durch gesellschaftliche Ordnung, am reinsten sich dar- stellend als Verkehrs- oder Handelsrecht. In seinen An- fängen tritt es durchaus unschuldig auf, es ist nichts als Fortschritt, Verfeinerung, Veredlung, Erleichterung, es ist Billigkeit, Vernunft, Aufklärung. Und bleibt dasselbe, der Form nach, im vollen Marasmus des Kaiserreichs. Beide Entwicklungen, die Ausbildung, Mobilisirung, Universali- sirung -- endlich als Systematisirung und Codification ab- schliessend -- des Rechtes, auf der einen Seite; auf der anderen der Verfall des Lebens und der Sitten innerhalb der glänzenden Staatsbildung und grossen friedlichen Ad- ministration, raschen, sicheren, freisinnigen Rechtsprechung --
eine Weltordnung, auch diese aber nicht nothwendig als Wirklichkeit, sondern als ein Mittel zum vernünftigen Leben, welches der Denkende setzen und bejahen muss. Je mehr daher die Menschen »als Menschen schlechthin« zusammen- kommen oder, was dasselbe ist, je mehr Menschen von allerlei Art zusammenkommen und einander als vernünftige Menschen oder als Gleiche anerkennen, desto wahrschein- licher, und endlich nothwendig, wird unter ihnen die Dar- stellung und Errichtung einer universalen Gesellschaft und Ordnung. Diese Vermischung geschieht in Wirklichkeit durch Handel und Wandel; die Herrschaft Roms über den Orbis Terrarum, welche selber im Handel und Wandel ihre materielle Basis hat, nähert alle Städte der Einen Stadt, bringt alle bewussten, feilschenden, reichen Individuen, den ganzen Herrenstand des unermesslichen Reiches auf dem Fo- rum zusammen, schleift ihre Unterschiede und Unebenheiten gegen einander ab, gibt Allen die gleichen Mienen, die gleiche Sprache und Aussprache, das gleiche Geld, die gleiche Bildung, gleiche Habsucht, gleiche Neugier — der abstracte Mensch, die künstlichste, regelmässigste, raffi- nirteste aller Maschinen, ist construirt und erfunden, und ist anzuschauen wie ein Gespenst in nüchterner, heller Tages-Wahrheit.
§ 19.
Das allgemeine und natürliche Recht in diesem neuen, auflösenden, umwälzenden, nivellirenden Sinne ist durch und durch gesellschaftliche Ordnung, am reinsten sich dar- stellend als Verkehrs- oder Handelsrecht. In seinen An- fängen tritt es durchaus unschuldig auf, es ist nichts als Fortschritt, Verfeinerung, Veredlung, Erleichterung, es ist Billigkeit, Vernunft, Aufklärung. Und bleibt dasselbe, der Form nach, im vollen Marasmus des Kaiserreichs. Beide Entwicklungen, die Ausbildung, Mobilisirung, Universali- sirung — endlich als Systematisirung und Codification ab- schliessend — des Rechtes, auf der einen Seite; auf der anderen der Verfall des Lebens und der Sitten innerhalb der glänzenden Staatsbildung und grossen friedlichen Ad- ministration, raschen, sicheren, freisinnigen Rechtsprechung —
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eine Weltordnung, auch diese aber nicht nothwendig als
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welches der Denkende setzen und bejahen muss. Je mehr
daher die Menschen »als Menschen schlechthin« zusammen-
kommen oder, was dasselbe ist, je mehr Menschen von
allerlei Art zusammenkommen und einander als vernünftige
Menschen oder als Gleiche anerkennen, desto wahrschein-
licher, und endlich nothwendig, wird unter ihnen die Dar-
stellung und Errichtung einer universalen Gesellschaft und
Ordnung. Diese Vermischung geschieht in Wirklichkeit
durch Handel und Wandel; die Herrschaft Roms über den
Orbis Terrarum, welche selber im Handel und Wandel ihre
materielle Basis hat, nähert alle Städte der Einen Stadt,
bringt alle bewussten, feilschenden, reichen Individuen, den
ganzen Herrenstand des unermesslichen Reiches auf dem Fo-
rum zusammen, schleift ihre Unterschiede und Unebenheiten
gegen einander ab, gibt Allen die gleichen Mienen, die
gleiche Sprache und Aussprache, das gleiche Geld, die
gleiche Bildung, gleiche Habsucht, gleiche Neugier — der
abstracte Mensch, die künstlichste, regelmässigste, raffi-
nirteste aller Maschinen, ist construirt und erfunden, und
ist anzuschauen wie ein Gespenst in nüchterner, heller
Tages-Wahrheit.
§ 19.
Das allgemeine und natürliche Recht in diesem neuen,
auflösenden, umwälzenden, nivellirenden Sinne ist durch
und durch gesellschaftliche Ordnung, am reinsten sich dar-
stellend als Verkehrs- oder Handelsrecht. In seinen An-
fängen tritt es durchaus unschuldig auf, es ist nichts als
Fortschritt, Verfeinerung, Veredlung, Erleichterung, es ist
Billigkeit, Vernunft, Aufklärung. Und bleibt dasselbe, der
Form nach, im vollen Marasmus des Kaiserreichs. Beide
Entwicklungen, die Ausbildung, Mobilisirung, Universali-
sirung — endlich als Systematisirung und Codification ab-
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/278>, abgerufen am 27.11.2024.
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