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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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aus der Essenz der menschlichen Grosshirnrinde verstanden
werden, vermöge deren eine bestimmte Thätigkeit der Coordi-
nation gefasster Eindrücke nothwendig ist und mit ihrem
Wachsthum sich ausbildet, und ein bestimmtes Verhältniss, in
welches der empfundene innere Gesammtzustand zu diesen
besonderen Empfindungen sich setzt. Denn jener ist das ab-
solute A priori, und er kann nur gedacht werden als die
Existenz der gesammten Natur durch allgemeine und dunkle
Beziehungen auf sich involvirend, von welchen dann einige
durch Entwickelung und Actionen des Gehirnes und der Sinnes-
organe, d. h. des verstehenden (davorstehenden) Geistes, all-
mählich klarer und deutlicher werden. Jede folgende Erfah-
rung, gleich jeder anderen Thätigkeit, geschieht durch das
ganze Wesen mit seinen bis dahin ausgebildeten Organen
dafür; aber hieraus ergibt sich ein regressus in infinitum, zu
den Anfängen des organischen Lebens hinaufführend, welche
auch, als psychische begriffen, die Incorporisirung einer ge-
wissen Erfahrung genannt werden müssen, da jede Thätigkeit
oder Leidenheit (denn Leiden ist nur die andere Art des
Thuns), mithin das Leben selber, Erfahrung ist, wie alle Er-
fahrung Thätigkeit oder Leidenheit ist. Thätigkeit ist die
Veränderung des Organismus; sie hinterlässt irgendwelche
Spuren, sei es in gleicher, in entgegengesetzter oder in in-
differenter Richtung zu der Tendenz seines Wachsthums und
anderen Entwicklung, und dies ist, was als Gedächtniss
verstanden wird, insbesondere sofern es die bleibende Arbeit
und Kraft (denn Kraft ist nur vorräthige Arbeit) sinnlicher,
d. i. schon in Gestalt von coordinirten Complexen, fertiger Em-
pfindungen ist, welche doch selber erst durch Gedächtniss ge-
leistet werden. Jede mögliche Veränderung eines Organes ist
aber allerdings wesentlich bedingt durch den Zusammenhang
und Zustand des bestehenden Organes, inwiefern es dieselbe
anzunehmen geneigt, also wahrscheinlich (likely) ist oder
nicht. In diesem Sinne lehre ich (im zweiten Buche dieser
Schrift) die Einheit und Verschiedenheit von Gefallen, Ge-
wohnheit und Gedächtniss als von elementaren Modificationen
des Willens und geistiger Kraft, in Bezug auf alle men-
tale Production, und diese Ausführung soll auch auf das
Problem des Ursprunges und der Geschichte menschlicher Er-

II*

aus der Essenz der menschlichen Grosshirnrinde verstanden
werden, vermöge deren eine bestimmte Thätigkeit der Coordi-
nation gefasster Eindrücke nothwendig ist und mit ihrem
Wachsthum sich ausbildet, und ein bestimmtes Verhältniss, in
welches der empfundene innere Gesammtzustand zu diesen
besonderen Empfindungen sich setzt. Denn jener ist das ab-
solute A priori, und er kann nur gedacht werden als die
Existenz der gesammten Natur durch allgemeine und dunkle
Beziehungen auf sich involvirend, von welchen dann einige
durch Entwickelung und Actionen des Gehirnes und der Sinnes-
organe, d. h. des verstehenden (davorstehenden) Geistes, all-
mählich klarer und deutlicher werden. Jede folgende Erfah-
rung, gleich jeder anderen Thätigkeit, geschieht durch das
ganze Wesen mit seinen bis dahin ausgebildeten Organen
dafür; aber hieraus ergibt sich ein regressus in infinitum, zu
den Anfängen des organischen Lebens hinaufführend, welche
auch, als psychische begriffen, die Incorporisirung einer ge-
wissen Erfahrung genannt werden müssen, da jede Thätigkeit
oder Leidenheit (denn Leiden ist nur die andere Art des
Thuns), mithin das Leben selber, Erfahrung ist, wie alle Er-
fahrung Thätigkeit oder Leidenheit ist. Thätigkeit ist die
Veränderung des Organismus; sie hinterlässt irgendwelche
Spuren, sei es in gleicher, in entgegengesetzter oder in in-
differenter Richtung zu der Tendenz seines Wachsthums und
anderen Entwicklung, und dies ist, was als Gedächtniss
verstanden wird, insbesondere sofern es die bleibende Arbeit
und Kraft (denn Kraft ist nur vorräthige Arbeit) sinnlicher,
d. i. schon in Gestalt von coordinirten Complexen, fertiger Em-
pfindungen ist, welche doch selber erst durch Gedächtniss ge-
leistet werden. Jede mögliche Veränderung eines Organes ist
aber allerdings wesentlich bedingt durch den Zusammenhang
und Zustand des bestehenden Organes, inwiefern es dieselbe
anzunehmen geneigt, also wahrscheinlich (likely) ist oder
nicht. In diesem Sinne lehre ich (im zweiten Buche dieser
Schrift) die Einheit und Verschiedenheit von Gefallen, Ge-
wohnheit und Gedächtniss als von elementaren Modificationen
des Willens und geistiger Kraft, in Bezug auf alle men-
tale Production, und diese Ausführung soll auch auf das
Problem des Ursprunges und der Geschichte menschlicher Er-

II*
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[XIX/0025] aus der Essenz der menschlichen Grosshirnrinde verstanden werden, vermöge deren eine bestimmte Thätigkeit der Coordi- nation gefasster Eindrücke nothwendig ist und mit ihrem Wachsthum sich ausbildet, und ein bestimmtes Verhältniss, in welches der empfundene innere Gesammtzustand zu diesen besonderen Empfindungen sich setzt. Denn jener ist das ab- solute A priori, und er kann nur gedacht werden als die Existenz der gesammten Natur durch allgemeine und dunkle Beziehungen auf sich involvirend, von welchen dann einige durch Entwickelung und Actionen des Gehirnes und der Sinnes- organe, d. h. des verstehenden (davorstehenden) Geistes, all- mählich klarer und deutlicher werden. Jede folgende Erfah- rung, gleich jeder anderen Thätigkeit, geschieht durch das ganze Wesen mit seinen bis dahin ausgebildeten Organen dafür; aber hieraus ergibt sich ein regressus in infinitum, zu den Anfängen des organischen Lebens hinaufführend, welche auch, als psychische begriffen, die Incorporisirung einer ge- wissen Erfahrung genannt werden müssen, da jede Thätigkeit oder Leidenheit (denn Leiden ist nur die andere Art des Thuns), mithin das Leben selber, Erfahrung ist, wie alle Er- fahrung Thätigkeit oder Leidenheit ist. Thätigkeit ist die Veränderung des Organismus; sie hinterlässt irgendwelche Spuren, sei es in gleicher, in entgegengesetzter oder in in- differenter Richtung zu der Tendenz seines Wachsthums und anderen Entwicklung, und dies ist, was als Gedächtniss verstanden wird, insbesondere sofern es die bleibende Arbeit und Kraft (denn Kraft ist nur vorräthige Arbeit) sinnlicher, d. i. schon in Gestalt von coordinirten Complexen, fertiger Em- pfindungen ist, welche doch selber erst durch Gedächtniss ge- leistet werden. Jede mögliche Veränderung eines Organes ist aber allerdings wesentlich bedingt durch den Zusammenhang und Zustand des bestehenden Organes, inwiefern es dieselbe anzunehmen geneigt, also wahrscheinlich (likely) ist oder nicht. In diesem Sinne lehre ich (im zweiten Buche dieser Schrift) die Einheit und Verschiedenheit von Gefallen, Ge- wohnheit und Gedächtniss als von elementaren Modificationen des Willens und geistiger Kraft, in Bezug auf alle men- tale Production, und diese Ausführung soll auch auf das Problem des Ursprunges und der Geschichte menschlicher Er- II*

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/25>, abgerufen am 24.11.2024.