aufnehmend oder zu seinem Nutzen sich solcher bemäch- tigend. So ist er, den Anderen gegenüber, durchaus ein Verkaufender, für sich aber ein Geniessender, insoweit es ihm möglich ist.
§ 42.
Das Volk ist auch in dieser Beziehung gleich Frauen und Kindern, dass ihm das Familienleben Leben schlecht- hin ist; dazu was unmittelbar an diese Enge sich anschliesst, Nachbarschaft und Freundschaft. Unter den Gebildeten, sofern dieselben vom Volke sich losgemacht haben und gänzlich auf eigene Faust ihre Einrichtungen treffen (was theils schwer sich in allen Stücken vollbringt, theils durch conventionelle Erhaltung und Erneuerung überwundener Ideen verhüllt wird), treten diese Zusammenhänge hinter der willkürlichen Freiheit der Individuen mehr und mehr zurück. Familie wird eine zufällige Form zur Befriedigung natürlicher Bedürfnisse, Nachbarschaft und Freundschaft werden durch Interessen-Verknüpfungen und durch con- ventionelle Geselligkeit ersetzt. So erfüllt sich auch das volkheitliche Leben in Haus, Dorf und Stadt; der Gebildete ist grosstädtisch, national, international. Von fernerer Ausführung dieser Contraste möge hier nur der eine Punkt hervorgehoben werden. Der Handel ist in aller ursprüng- lichen einheimisch-sesshaften Cultur eine fremde und leicht verhasste Erscheinung. Und der Händler ist zugleich der typische Gebildete: heimathlos, ein Reisender, fremde Sitten und Künste kennend, ohne Liebe und Pietät für diejenigen eines bestimmten Landes, mehrerer Sprachen mächtig, zungen- fertig und doppelzüngig, ein Gewandter, sich Accommo- dirender, und doch überall seine Zwecke im Auge Be- haltender, bewegt er, geschwind und geschmeidig, sich hin und her, wechselt Charakter und Denkungsart (Glauben oder Meinungen) wie eine Kleidermode, trägt das Eine wie das Andere über die Grenzen der Gebiete, ein Mischer und Ausgleicher, Altes und Neues zu seinem Vortheile Wen- dender: so stellt er den entschiedenen Widerspruch gegen
aufnehmend oder zu seinem Nutzen sich solcher bemäch- tigend. So ist er, den Anderen gegenüber, durchaus ein Verkaufender, für sich aber ein Geniessender, insoweit es ihm möglich ist.
§ 42.
Das Volk ist auch in dieser Beziehung gleich Frauen und Kindern, dass ihm das Familienleben Leben schlecht- hin ist; dazu was unmittelbar an diese Enge sich anschliesst, Nachbarschaft und Freundschaft. Unter den Gebildeten, sofern dieselben vom Volke sich losgemacht haben und gänzlich auf eigene Faust ihre Einrichtungen treffen (was theils schwer sich in allen Stücken vollbringt, theils durch conventionelle Erhaltung und Erneuerung überwundener Ideen verhüllt wird), treten diese Zusammenhänge hinter der willkürlichen Freiheit der Individuen mehr und mehr zurück. Familie wird eine zufällige Form zur Befriedigung natürlicher Bedürfnisse, Nachbarschaft und Freundschaft werden durch Interessen-Verknüpfungen und durch con- ventionelle Geselligkeit ersetzt. So erfüllt sich auch das volkheitliche Leben in Haus, Dorf und Stadt; der Gebildete ist grosstädtisch, national, international. Von fernerer Ausführung dieser Contraste möge hier nur der eine Punkt hervorgehoben werden. Der Handel ist in aller ursprüng- lichen einheimisch-sesshaften Cultur eine fremde und leicht verhasste Erscheinung. Und der Händler ist zugleich der typische Gebildete: heimathlos, ein Reisender, fremde Sitten und Künste kennend, ohne Liebe und Pietät für diejenigen eines bestimmten Landes, mehrerer Sprachen mächtig, zungen- fertig und doppelzüngig, ein Gewandter, sich Accommo- dirender, und doch überall seine Zwecke im Auge Be- haltender, bewegt er, geschwind und geschmeidig, sich hin und her, wechselt Charakter und Denkungsart (Glauben oder Meinungen) wie eine Kleidermode, trägt das Eine wie das Andere über die Grenzen der Gebiete, ein Mischer und Ausgleicher, Altes und Neues zu seinem Vortheile Wen- dender: so stellt er den entschiedenen Widerspruch gegen
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aufnehmend oder zu seinem Nutzen sich solcher bemäch-
tigend. So ist er, den Anderen gegenüber, durchaus ein
Verkaufender, für sich aber ein Geniessender, insoweit es
ihm möglich ist.
§ 42.
Das Volk ist auch in dieser Beziehung gleich Frauen
und Kindern, dass ihm das Familienleben Leben schlecht-
hin ist; dazu was unmittelbar an diese Enge sich anschliesst,
Nachbarschaft und Freundschaft. Unter den Gebildeten,
sofern dieselben vom Volke sich losgemacht haben und
gänzlich auf eigene Faust ihre Einrichtungen treffen (was
theils schwer sich in allen Stücken vollbringt, theils durch
conventionelle Erhaltung und Erneuerung überwundener
Ideen verhüllt wird), treten diese Zusammenhänge hinter
der willkürlichen Freiheit der Individuen mehr und mehr
zurück. Familie wird eine zufällige Form zur Befriedigung
natürlicher Bedürfnisse, Nachbarschaft und Freundschaft
werden durch Interessen-Verknüpfungen und durch con-
ventionelle Geselligkeit ersetzt. So erfüllt sich auch das
volkheitliche Leben in Haus, Dorf und Stadt; der Gebildete
ist grosstädtisch, national, international. Von fernerer
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hervorgehoben werden. Der Handel ist in aller ursprüng-
lichen einheimisch-sesshaften Cultur eine fremde und leicht
verhasste Erscheinung. Und der Händler ist zugleich der
typische Gebildete: heimathlos, ein Reisender, fremde Sitten
und Künste kennend, ohne Liebe und Pietät für diejenigen
eines bestimmten Landes, mehrerer Sprachen mächtig, zungen-
fertig und doppelzüngig, ein Gewandter, sich Accommo-
dirender, und doch überall seine Zwecke im Auge Be-
haltender, bewegt er, geschwind und geschmeidig, sich hin
und her, wechselt Charakter und Denkungsart (Glauben
oder Meinungen) wie eine Kleidermode, trägt das Eine wie
das Andere über die Grenzen der Gebiete, ein Mischer und
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dender: so stellt er den entschiedenen Widerspruch gegen
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/227>, abgerufen am 22.11.2024.
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