Solches alles ist Mannes Werk, welchem der Stoff fremd, wenn nicht feindlich ist, den er umwandeln, wenn nicht bezwingen muss. Und doch ist alle Arbeit dem Wesenwillen angehörig, so lange sie nicht mit lauter Wider- willen geschieht und dennoch um des Zweckes willen durch Denken gewollt wird. So ist alle Arbeit ihrer Natur nach gemeinschaftlich, aber andere mehr, andere weniger, taugt dazu, als blosses Mittel begriffen zu werden; mehr weil sie mit Bitterkeit gemengt ist, daher alle männliche und harte eher als weibliche und weiche. Die Momente dieser Dia- lektik sind mithin theils im Objecte, theils im menschlichen Geiste enthalten. Aber alle Kunst entfällt ihrer Natur nach, gleich den ländlichen und häuslichen Betrieben, in das Gebiet der warmen, weichen und feuchten, das ist organisch- lebendigen und eben dadurch auch weiblich-natürlichen Arbeit und ist folglich gemeinschaftlich. Wiederum bildet Gemein- schaft, so lange als sie dessen kräftig ist, auch widrige Arbeit sich gemäss zu einer Art von Kunst, indem sie ihr Stil, Würde und Anmuth verleiht und einen Rang in ihrer Gliederung, als Beruf und Ehre. Aber durch die Be- lohnung mit Geld, ebenso wie durch Feilhaltung fertiger Sachen, vollends durch die Arbeit auf Vorrath, tendirt dieser Process fortwährend, in sein Gegentheil umzuschlagen; das Individuum zu seinem alleinigen Subjecte zu machen, neben dem Gedankendinge, das mit ihm gesetzt ist, der Gesellschaft. Seiner ganzen Beschaffenheit nach und mit voller Bewusstheit ist solches Subject, wie früher betrachtet wurde, der Händler oder Kaufmann. Die Opposition und gegenseitige Negation von Mitteln und Zweck ist um so deutlicher, weil die Mittel nicht Arbeit sind, wenn auch unerquickliche, dürre, trockene Thätigkeit. Sondern, was viel ärger, eine freiwillige Verminderung, wenn auch nur als möglich gedachte, seines Vermögens, ein Risico, das eben so sehr seiner Natur nach unlustig, als der Profit seiner Natur nach lustig ist. (So begibt auch der Krieger sich in Gefahr: er setzt sein Leben auf's Spiel; einen Lorbeerzweig kann er gewinnen. Ein verrückter Speculant, in der That.) Wir verstehen hieraus, wie sehr der Handel
§ 40.
Solches alles ist Mannes Werk, welchem der Stoff fremd, wenn nicht feindlich ist, den er umwandeln, wenn nicht bezwingen muss. Und doch ist alle Arbeit dem Wesenwillen angehörig, so lange sie nicht mit lauter Wider- willen geschieht und dennoch um des Zweckes willen durch Denken gewollt wird. So ist alle Arbeit ihrer Natur nach gemeinschaftlich, aber andere mehr, andere weniger, taugt dazu, als blosses Mittel begriffen zu werden; mehr weil sie mit Bitterkeit gemengt ist, daher alle männliche und harte eher als weibliche und weiche. Die Momente dieser Dia- lektik sind mithin theils im Objecte, theils im menschlichen Geiste enthalten. Aber alle Kunst entfällt ihrer Natur nach, gleich den ländlichen und häuslichen Betrieben, in das Gebiet der warmen, weichen und feuchten, das ist organisch- lebendigen und eben dadurch auch weiblich-natürlichen Arbeit und ist folglich gemeinschaftlich. Wiederum bildet Gemein- schaft, so lange als sie dessen kräftig ist, auch widrige Arbeit sich gemäss zu einer Art von Kunst, indem sie ihr Stil, Würde und Anmuth verleiht und einen Rang in ihrer Gliederung, als Beruf und Ehre. Aber durch die Be- lohnung mit Geld, ebenso wie durch Feilhaltung fertiger Sachen, vollends durch die Arbeit auf Vorrath, tendirt dieser Process fortwährend, in sein Gegentheil umzuschlagen; das Individuum zu seinem alleinigen Subjecte zu machen, neben dem Gedankendinge, das mit ihm gesetzt ist, der Gesellschaft. Seiner ganzen Beschaffenheit nach und mit voller Bewusstheit ist solches Subject, wie früher betrachtet wurde, der Händler oder Kaufmann. Die Opposition und gegenseitige Negation von Mitteln und Zweck ist um so deutlicher, weil die Mittel nicht Arbeit sind, wenn auch unerquickliche, dürre, trockene Thätigkeit. Sondern, was viel ärger, eine freiwillige Verminderung, wenn auch nur als möglich gedachte, seines Vermögens, ein Risico, das eben so sehr seiner Natur nach unlustig, als der Profit seiner Natur nach lustig ist. (So begibt auch der Krieger sich in Gefahr: er setzt sein Leben auf’s Spiel; einen Lorbeerzweig kann er gewinnen. Ein verrückter Speculant, in der That.) Wir verstehen hieraus, wie sehr der Handel
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§ 40.
Solches alles ist Mannes Werk, welchem der Stoff
fremd, wenn nicht feindlich ist, den er umwandeln, wenn
nicht bezwingen muss. Und doch ist alle Arbeit dem
Wesenwillen angehörig, so lange sie nicht mit lauter Wider-
willen geschieht und dennoch um des Zweckes willen durch
Denken gewollt wird. So ist alle Arbeit ihrer Natur nach
gemeinschaftlich, aber andere mehr, andere weniger, taugt
dazu, als blosses Mittel begriffen zu werden; mehr weil sie
mit Bitterkeit gemengt ist, daher alle männliche und harte
eher als weibliche und weiche. Die Momente dieser Dia-
lektik sind mithin theils im Objecte, theils im menschlichen
Geiste enthalten. Aber alle Kunst entfällt ihrer Natur nach,
gleich den ländlichen und häuslichen Betrieben, in das
Gebiet der warmen, weichen und feuchten, das ist organisch-
lebendigen und eben dadurch auch weiblich-natürlichen Arbeit
und ist folglich gemeinschaftlich. Wiederum bildet Gemein-
schaft, so lange als sie dessen kräftig ist, auch widrige
Arbeit sich gemäss zu einer Art von Kunst, indem sie ihr
Stil, Würde und Anmuth verleiht und einen Rang in ihrer
Gliederung, als Beruf und Ehre. Aber durch die Be-
lohnung mit Geld, ebenso wie durch Feilhaltung fertiger
Sachen, vollends durch die Arbeit auf Vorrath, tendirt
dieser Process fortwährend, in sein Gegentheil umzuschlagen;
das Individuum zu seinem alleinigen Subjecte zu machen,
neben dem Gedankendinge, das mit ihm gesetzt ist, der
Gesellschaft. Seiner ganzen Beschaffenheit nach und mit
voller Bewusstheit ist solches Subject, wie früher betrachtet
wurde, der Händler oder Kaufmann. Die Opposition und
gegenseitige Negation von Mitteln und Zweck ist um so
deutlicher, weil die Mittel nicht Arbeit sind, wenn auch
unerquickliche, dürre, trockene Thätigkeit. Sondern, was
viel ärger, eine freiwillige Verminderung, wenn auch nur
als möglich gedachte, seines Vermögens, ein Risico, das
eben so sehr seiner Natur nach unlustig, als der Profit
seiner Natur nach lustig ist. (So begibt auch der Krieger
sich in Gefahr: er setzt sein Leben auf’s Spiel; einen
Lorbeerzweig kann er gewinnen. Ein verrückter Speculant,
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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