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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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durchaus ein wissenschaftliches Denken, welches von
aller subjectiven Beimischung frei sein muss, Zusammen-
setzung (Synthese) und Trennung (Analyse) von willkürlich
begrenzten (definirten), aber schlechthin als wirklich ge-
dachten Elementen. Die Methodik, Technik oder Theorie
alles solchen Verfahrens ist es eigentlich, was unter dem
Namen der Logik vorgetragen werden muss: ein Organon
der Wissenschaft, die Lehre, wie man mit begrifflichen
Gegenständen (Entia rationis) operiren oder wie man den-
ken, rechnen müsse, um zu richtigen Resultaten zu gelangen.
Diese Regeln werden gerade im eigentlichen Rechnen und
den verwandten mathematischen Disciplinen am meisten
auf bewusste Weise gebraucht, können aber auf alles wissen-
schaftliche Denken, mithin auch auf jede Art des egoisti-
schen Calcüls angewandt werden. Rechnen aber ist nichts
anderes als "mechanische" (äusserliche) Zusammenfügung
und Zertheilung eines fictiven Stoffes, der Zahlen oder
algebraischen Symbole.

§ 29.

Und so wird nun hier versucht, auch das Willkür-
formen bildende Denken mit mechanischer Arbeit und
seine Vollkommenheit mit durchaus klüglich angewandter
Arbeit zu vergleichen, und diesem entspricht auch die
Gleichnisskraft unserer Sprache, durch welche gesagt wird:
Pläne schmieden, Ränke schmieden, Machinationen anzetteln,
eine weitausgesponnene Unternehmung, ein dichtes Gewebe
von Lug und Trug u. dergl. m.; -- so ist hingegen schon
Entstehung und Dasein der Formen des Wesenwillens mit
organischer und -- wie wir gewahren, fast unversehens
-- das Ideal derselben mit einer künstlerischen Thätig-
keit verglichen worden. Denn in der That: so ist das
Reden und das Denken selber, als worin menschliches
Wesen und die Beschaffenheit der individuellen Seele am
deutlichsten in ihrer besondersten und eigensten Ausbildung
sich offenbart, die gemeine Kunst des Menschen, wie das
Netzespinnen des Insectes, Nestbauen und Gesang des
Vogels ist. Die Frage erhebt sich hier immer: wie kömmt

durchaus ein wissenschaftliches Denken, welches von
aller subjectiven Beimischung frei sein muss, Zusammen-
setzung (Synthese) und Trennung (Analyse) von willkürlich
begrenzten (definirten), aber schlechthin als wirklich ge-
dachten Elementen. Die Methodik, Technik oder Theorie
alles solchen Verfahrens ist es eigentlich, was unter dem
Namen der Logik vorgetragen werden muss: ein Organon
der Wissenschaft, die Lehre, wie man mit begrifflichen
Gegenständen (Entia rationis) operiren oder wie man den-
ken, rechnen müsse, um zu richtigen Resultaten zu gelangen.
Diese Regeln werden gerade im eigentlichen Rechnen und
den verwandten mathematischen Disciplinen am meisten
auf bewusste Weise gebraucht, können aber auf alles wissen-
schaftliche Denken, mithin auch auf jede Art des egoisti-
schen Calcüls angewandt werden. Rechnen aber ist nichts
anderes als »mechanische« (äusserliche) Zusammenfügung
und Zertheilung eines fictiven Stoffes, der Zahlen oder
algebraischen Symbole.

§ 29.

Und so wird nun hier versucht, auch das Willkür-
formen bildende Denken mit mechanischer Arbeit und
seine Vollkommenheit mit durchaus klüglich angewandter
Arbeit zu vergleichen, und diesem entspricht auch die
Gleichnisskraft unserer Sprache, durch welche gesagt wird:
Pläne schmieden, Ränke schmieden, Machinationen anzetteln,
eine weitausgesponnene Unternehmung, ein dichtes Gewebe
von Lug und Trug u. dergl. m.; — so ist hingegen schon
Entstehung und Dasein der Formen des Wesenwillens mit
organischer und — wie wir gewahren, fast unversehens
— das Ideal derselben mit einer künstlerischen Thätig-
keit verglichen worden. Denn in der That: so ist das
Reden und das Denken selber, als worin menschliches
Wesen und die Beschaffenheit der individuellen Seele am
deutlichsten in ihrer besondersten und eigensten Ausbildung
sich offenbart, die gemeine Kunst des Menschen, wie das
Netzespinnen des Insectes, Nestbauen und Gesang des
Vogels ist. Die Frage erhebt sich hier immer: wie kömmt

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[160/0196] durchaus ein wissenschaftliches Denken, welches von aller subjectiven Beimischung frei sein muss, Zusammen- setzung (Synthese) und Trennung (Analyse) von willkürlich begrenzten (definirten), aber schlechthin als wirklich ge- dachten Elementen. Die Methodik, Technik oder Theorie alles solchen Verfahrens ist es eigentlich, was unter dem Namen der Logik vorgetragen werden muss: ein Organon der Wissenschaft, die Lehre, wie man mit begrifflichen Gegenständen (Entia rationis) operiren oder wie man den- ken, rechnen müsse, um zu richtigen Resultaten zu gelangen. Diese Regeln werden gerade im eigentlichen Rechnen und den verwandten mathematischen Disciplinen am meisten auf bewusste Weise gebraucht, können aber auf alles wissen- schaftliche Denken, mithin auch auf jede Art des egoisti- schen Calcüls angewandt werden. Rechnen aber ist nichts anderes als »mechanische« (äusserliche) Zusammenfügung und Zertheilung eines fictiven Stoffes, der Zahlen oder algebraischen Symbole. § 29. Und so wird nun hier versucht, auch das Willkür- formen bildende Denken mit mechanischer Arbeit und seine Vollkommenheit mit durchaus klüglich angewandter Arbeit zu vergleichen, und diesem entspricht auch die Gleichnisskraft unserer Sprache, durch welche gesagt wird: Pläne schmieden, Ränke schmieden, Machinationen anzetteln, eine weitausgesponnene Unternehmung, ein dichtes Gewebe von Lug und Trug u. dergl. m.; — so ist hingegen schon Entstehung und Dasein der Formen des Wesenwillens mit organischer und — wie wir gewahren, fast unversehens — das Ideal derselben mit einer künstlerischen Thätig- keit verglichen worden. Denn in der That: so ist das Reden und das Denken selber, als worin menschliches Wesen und die Beschaffenheit der individuellen Seele am deutlichsten in ihrer besondersten und eigensten Ausbildung sich offenbart, die gemeine Kunst des Menschen, wie das Netzespinnen des Insectes, Nestbauen und Gesang des Vogels ist. Die Frage erhebt sich hier immer: wie kömmt

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/196>, abgerufen am 25.11.2024.