Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

gegebener Stoffe bestimmt ist: die Theilung der Arbeit
innerhalb der Manufactur oder fabricirenden Agricultur.
Oder gar die Werkzeuge, als Maschinen in Systeme ver-
bunden, sind thätig, von den arbeitenden Menschen be-
dient
, dieselben beherrschend, so dass diese nicht mehr
so unmittelbar von einem gegenwärtigen, fremden mensch-
lichen Willen, der ihnen Vorschriften macht, als vielmehr
von der gegebenen Beschaffenheit eines "todten Ungeheuers"
abhängig sind, gegen welches sie sich, reagirend, als ein
collectives Ganzes verhalten, und folglich auch um so eher
als solches ihrem Anwender gegenüberstehen. Für die
reale und objective Ansicht
ist aber immer und
nothwendiger Weise menschliche Arbeit allein, wenn
auch noch so gewaltiger Instrumente sich bedienend, Ur-
sache menschlicher Werke
, individuelle Arbeit indi-
vidueller, collective Arbeit collectiver Werke. Nicht die
Actiengesellschaft, sondern die Arbeitergesellschaft, bringt
die Sachen und Werthe hervor. Und da nur Werke natür-
lichen Werth haben, so gilt auch aus diesem Gesichtspunkte
der Satz: dass Arbeit Quelle aller Werthe. In der
Manufactur ist sie nur verbunden durch gemeinsames
Endziel und die Handhabung gemeinsamer Methode, welche
aber allerdings (weil blosse Gedankendinge) noch als Pro-
ducte und somit als echtes Eigenthum der unternehmenden
und leitenden Person mit Grund gedacht werden können.
In der eigentlichen Fabrik ist sie wesentlich durch ihr
gemeinsames und nothwendiges Verhältniss zur Maschinerie
geeint, die den sichtbaren Körper derselben bildet. In
jedem Falle ist erkennbar, dass nur ihre Einheit, und zwar
dieselbe durch vernünftigen Gebrauch von Stoffen, Plänen,
Instrumenten, das wirkliche productive Princip ausmacht.
Auf dem Arbeitsmarkte können sie zwar als Verkäufer
von Arbeitskraft sich vereinigen und durch Ausschluss der
Concurrenz sich einen höheren gemeinsamen Preis erzwingen.
Aber als Eigenthümer aller Anstalten u. s. w., denen that-
sächlich die Arbeitskräfte nur einverleibt und subordinirt
werden, bleibt die fabricirende Person ebenso natürlicher
-- nämlich auf folgerichtige Weise erschlossener -- als un-
natürlicher
, nämlich durch die sinnliche Erfahrung ver-

gegebener Stoffe bestimmt ist: die Theilung der Arbeit
innerhalb der Manufactur oder fabricirenden Agricultur.
Oder gar die Werkzeuge, als Maschinen in Systeme ver-
bunden, sind thätig, von den arbeitenden Menschen be-
dient
, dieselben beherrschend, so dass diese nicht mehr
so unmittelbar von einem gegenwärtigen, fremden mensch-
lichen Willen, der ihnen Vorschriften macht, als vielmehr
von der gegebenen Beschaffenheit eines »todten Ungeheuers«
abhängig sind, gegen welches sie sich, reagirend, als ein
collectives Ganzes verhalten, und folglich auch um so eher
als solches ihrem Anwender gegenüberstehen. Für die
reale und objective Ansicht
ist aber immer und
nothwendiger Weise menschliche Arbeit allein, wenn
auch noch so gewaltiger Instrumente sich bedienend, Ur-
sache menschlicher Werke
, individuelle Arbeit indi-
vidueller, collective Arbeit collectiver Werke. Nicht die
Actiengesellschaft, sondern die Arbeitergesellschaft, bringt
die Sachen und Werthe hervor. Und da nur Werke natür-
lichen Werth haben, so gilt auch aus diesem Gesichtspunkte
der Satz: dass Arbeit Quelle aller Werthe. In der
Manufactur ist sie nur verbunden durch gemeinsames
Endziel und die Handhabung gemeinsamer Methode, welche
aber allerdings (weil blosse Gedankendinge) noch als Pro-
ducte und somit als echtes Eigenthum der unternehmenden
und leitenden Person mit Grund gedacht werden können.
In der eigentlichen Fabrik ist sie wesentlich durch ihr
gemeinsames und nothwendiges Verhältniss zur Maschinerie
geeint, die den sichtbaren Körper derselben bildet. In
jedem Falle ist erkennbar, dass nur ihre Einheit, und zwar
dieselbe durch vernünftigen Gebrauch von Stoffen, Plänen,
Instrumenten, das wirkliche productive Princip ausmacht.
Auf dem Arbeitsmarkte können sie zwar als Verkäufer
von Arbeitskraft sich vereinigen und durch Ausschluss der
Concurrenz sich einen höheren gemeinsamen Preis erzwingen.
Aber als Eigenthümer aller Anstalten u. s. w., denen that-
sächlich die Arbeitskräfte nur einverleibt und subordinirt
werden, bleibt die fabricirende Person ebenso natürlicher
— nämlich auf folgerichtige Weise erschlossener — als un-
natürlicher
, nämlich durch die sinnliche Erfahrung ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0128" n="92"/>
gegebener Stoffe bestimmt ist: die Theilung der Arbeit<lb/>
innerhalb der Manufactur oder fabricirenden Agricultur.<lb/>
Oder gar die Werkzeuge, als Maschinen in Systeme ver-<lb/>
bunden, sind thätig, von den arbeitenden Menschen <hi rendition="#g">be-<lb/>
dient</hi>, dieselben beherrschend, so dass diese nicht mehr<lb/>
so unmittelbar von einem gegenwärtigen, fremden mensch-<lb/>
lichen Willen, der ihnen Vorschriften macht, als vielmehr<lb/>
von der gegebenen Beschaffenheit eines »todten Ungeheuers«<lb/>
abhängig sind, gegen welches sie sich, reagirend, als ein<lb/>
collectives Ganzes verhalten, und folglich auch um so eher<lb/><hi rendition="#g">als solches</hi> ihrem Anwender gegenüberstehen. <hi rendition="#g">Für die<lb/>
reale und objective Ansicht</hi> ist aber immer und<lb/>
nothwendiger Weise <hi rendition="#g">menschliche Arbeit allein</hi>, wenn<lb/>
auch noch so gewaltiger Instrumente <hi rendition="#g">sich</hi> bedienend, <hi rendition="#g">Ur-<lb/>
sache menschlicher Werke</hi>, individuelle Arbeit indi-<lb/>
vidueller, collective Arbeit collectiver Werke. Nicht die<lb/>
Actiengesellschaft, sondern die Arbeitergesellschaft, bringt<lb/>
die Sachen und Werthe hervor. Und da nur Werke natür-<lb/>
lichen Werth haben, so gilt auch aus diesem Gesichtspunkte<lb/>
der Satz: dass <hi rendition="#g">Arbeit Quelle aller Werthe</hi>. In der<lb/><hi rendition="#g">Manufactur</hi> ist sie nur verbunden durch gemeinsames<lb/>
Endziel und die Handhabung gemeinsamer Methode, welche<lb/>
aber allerdings (weil blosse Gedankendinge) noch als Pro-<lb/>
ducte und somit als echtes Eigenthum der unternehmenden<lb/>
und leitenden Person mit Grund gedacht werden können.<lb/>
In der eigentlichen Fabrik ist sie wesentlich durch ihr<lb/>
gemeinsames und nothwendiges Verhältniss zur Maschinerie<lb/>
geeint, die den sichtbaren Körper derselben bildet. In<lb/>
jedem Falle ist erkennbar, dass <hi rendition="#g">nur</hi> ihre Einheit, und zwar<lb/>
dieselbe durch vernünftigen Gebrauch von Stoffen, Plänen,<lb/>
Instrumenten, das wirkliche productive Princip ausmacht.<lb/>
Auf dem Arbeitsmarkte können sie zwar als Verkäufer<lb/>
von Arbeitskraft sich vereinigen und durch Ausschluss der<lb/>
Concurrenz sich einen höheren gemeinsamen Preis erzwingen.<lb/>
Aber als Eigenthümer aller Anstalten u. s. w., denen that-<lb/>
sächlich die Arbeitskräfte nur einverleibt und subordinirt<lb/>
werden, bleibt die fabricirende Person ebenso <hi rendition="#g">natürlicher</hi><lb/>
&#x2014; nämlich auf folgerichtige Weise erschlossener &#x2014; als <hi rendition="#g">un-<lb/>
natürlicher</hi>, nämlich durch die sinnliche Erfahrung ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0128] gegebener Stoffe bestimmt ist: die Theilung der Arbeit innerhalb der Manufactur oder fabricirenden Agricultur. Oder gar die Werkzeuge, als Maschinen in Systeme ver- bunden, sind thätig, von den arbeitenden Menschen be- dient, dieselben beherrschend, so dass diese nicht mehr so unmittelbar von einem gegenwärtigen, fremden mensch- lichen Willen, der ihnen Vorschriften macht, als vielmehr von der gegebenen Beschaffenheit eines »todten Ungeheuers« abhängig sind, gegen welches sie sich, reagirend, als ein collectives Ganzes verhalten, und folglich auch um so eher als solches ihrem Anwender gegenüberstehen. Für die reale und objective Ansicht ist aber immer und nothwendiger Weise menschliche Arbeit allein, wenn auch noch so gewaltiger Instrumente sich bedienend, Ur- sache menschlicher Werke, individuelle Arbeit indi- vidueller, collective Arbeit collectiver Werke. Nicht die Actiengesellschaft, sondern die Arbeitergesellschaft, bringt die Sachen und Werthe hervor. Und da nur Werke natür- lichen Werth haben, so gilt auch aus diesem Gesichtspunkte der Satz: dass Arbeit Quelle aller Werthe. In der Manufactur ist sie nur verbunden durch gemeinsames Endziel und die Handhabung gemeinsamer Methode, welche aber allerdings (weil blosse Gedankendinge) noch als Pro- ducte und somit als echtes Eigenthum der unternehmenden und leitenden Person mit Grund gedacht werden können. In der eigentlichen Fabrik ist sie wesentlich durch ihr gemeinsames und nothwendiges Verhältniss zur Maschinerie geeint, die den sichtbaren Körper derselben bildet. In jedem Falle ist erkennbar, dass nur ihre Einheit, und zwar dieselbe durch vernünftigen Gebrauch von Stoffen, Plänen, Instrumenten, das wirkliche productive Princip ausmacht. Auf dem Arbeitsmarkte können sie zwar als Verkäufer von Arbeitskraft sich vereinigen und durch Ausschluss der Concurrenz sich einen höheren gemeinsamen Preis erzwingen. Aber als Eigenthümer aller Anstalten u. s. w., denen that- sächlich die Arbeitskräfte nur einverleibt und subordinirt werden, bleibt die fabricirende Person ebenso natürlicher — nämlich auf folgerichtige Weise erschlossener — als un- natürlicher, nämlich durch die sinnliche Erfahrung ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/128
Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/128>, abgerufen am 21.11.2024.