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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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tigen Contracte, fähig gedacht. Hierdurch wäre zugleich
der Begriff der Herrschaft, als Gegenpol, auf die reinste
Weise ausgedrückt. Zugleich aber wäre der Begriff der
(allgemeinen, menschlichen) Gesellschaft verneint. Zwischen
den Herren und Sklaven wäre kein gesellschaftliches Ver-
hältniss, folglich überhaupt kein Verhältniss vorhanden.
Oder hingegen: die Sklaven sind Personen, freie Subjecte
ihrer Willkür, des Tausches und der Verträge, daher Sub-
jecte der Gesellschaft selbst und der Convention. Und dies
ist das natürliche und normale System allein. Im gesell-
schaftlichen Begriffe des Naturrechts sind alle Menschen als
Vernünftige und Handlungsfähige, a priori gleich. Jeder
ist und hat eine gewisse Macht als seine Freiheit und
Sphäre seiner Willkür. Jeder kann den Anderen tödten,
wenn er es für gut hält. Jeder kann herrenlose Güter sich
aneignen und sie geniessen; gegen Angriffe darauf sich
wehren. Jeder kann, wenn er Stoff und Geräthe hat, neue
Dinge als seine eigenen machen durch eigene Thätigkeit:
Arbeit. Und so kann Jeder seine eigene Thätigkeit zur
Sache machen und verkaufen. Er kann sie zum Gegen-
stande eines Versprechens, also Contractes machen. Die
Anerkennung dieser allgemeinen und nothwendigen Fähig-
keiten, als jedem wenigstens erwachsenen, Menschen zuge-
höriger, macht die rechtliche Sklaverei zum Unding,
hebt sie auf.

§ 29.

Die natürliche Herrschaft der freien Kaufleute oder
Kapitalisten in der Gesellschaft, also in Bezug auf und über
die freien Arbeiter (wie wir die ganze Masse nennen
mögen) verwirklicht sich -- wird zur actuellen Herrschaft
trotz dieser letzteren Freiheit -- in dem Maasse, als die
Arbeiter des Eigenthums -- als des Besitzes von Arbeits- und
Genussmitteln -- baar werden, als sie zu blossen Inhabern
von einfacher Arbeits-Kraft ("Händen") sich differen-
ziren und zugleich verallgemeinern, welche durch die Um-
stände
, d. i. durch die Unmöglichkeit auf andere Weise
zu leben, gezwungen (und also bereit) sind, dieselbe um
Geld zu veräussern (quanquam coacti tamen volunt). Diese

tigen Contracte, fähig gedacht. Hierdurch wäre zugleich
der Begriff der Herrschaft, als Gegenpol, auf die reinste
Weise ausgedrückt. Zugleich aber wäre der Begriff der
(allgemeinen, menschlichen) Gesellschaft verneint. Zwischen
den Herren und Sklaven wäre kein gesellschaftliches Ver-
hältniss, folglich überhaupt kein Verhältniss vorhanden.
Oder hingegen: die Sklaven sind Personen, freie Subjecte
ihrer Willkür, des Tausches und der Verträge, daher Sub-
jecte der Gesellschaft selbst und der Convention. Und dies
ist das natürliche und normale System allein. Im gesell-
schaftlichen Begriffe des Naturrechts sind alle Menschen als
Vernünftige und Handlungsfähige, a priori gleich. Jeder
ist und hat eine gewisse Macht als seine Freiheit und
Sphäre seiner Willkür. Jeder kann den Anderen tödten,
wenn er es für gut hält. Jeder kann herrenlose Güter sich
aneignen und sie geniessen; gegen Angriffe darauf sich
wehren. Jeder kann, wenn er Stoff und Geräthe hat, neue
Dinge als seine eigenen machen durch eigene Thätigkeit:
Arbeit. Und so kann Jeder seine eigene Thätigkeit zur
Sache machen und verkaufen. Er kann sie zum Gegen-
stande eines Versprechens, also Contractes machen. Die
Anerkennung dieser allgemeinen und nothwendigen Fähig-
keiten, als jedem wenigstens erwachsenen, Menschen zuge-
höriger, macht die rechtliche Sklaverei zum Unding,
hebt sie auf.

§ 29.

Die natürliche Herrschaft der freien Kaufleute oder
Kapitalisten in der Gesellschaft, also in Bezug auf und über
die freien Arbeiter (wie wir die ganze Masse nennen
mögen) verwirklicht sich — wird zur actuellen Herrschaft
trotz dieser letzteren Freiheit — in dem Maasse, als die
Arbeiter des Eigenthums — als des Besitzes von Arbeits- und
Genussmitteln — baar werden, als sie zu blossen Inhabern
von einfacher Arbeits-Kraft (»Händen«) sich differen-
ziren und zugleich verallgemeinern, welche durch die Um-
stände
, d. i. durch die Unmöglichkeit auf andere Weise
zu leben, gezwungen (und also bereit) sind, dieselbe um
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[71/0107] tigen Contracte, fähig gedacht. Hierdurch wäre zugleich der Begriff der Herrschaft, als Gegenpol, auf die reinste Weise ausgedrückt. Zugleich aber wäre der Begriff der (allgemeinen, menschlichen) Gesellschaft verneint. Zwischen den Herren und Sklaven wäre kein gesellschaftliches Ver- hältniss, folglich überhaupt kein Verhältniss vorhanden. Oder hingegen: die Sklaven sind Personen, freie Subjecte ihrer Willkür, des Tausches und der Verträge, daher Sub- jecte der Gesellschaft selbst und der Convention. Und dies ist das natürliche und normale System allein. Im gesell- schaftlichen Begriffe des Naturrechts sind alle Menschen als Vernünftige und Handlungsfähige, a priori gleich. Jeder ist und hat eine gewisse Macht als seine Freiheit und Sphäre seiner Willkür. Jeder kann den Anderen tödten, wenn er es für gut hält. Jeder kann herrenlose Güter sich aneignen und sie geniessen; gegen Angriffe darauf sich wehren. Jeder kann, wenn er Stoff und Geräthe hat, neue Dinge als seine eigenen machen durch eigene Thätigkeit: Arbeit. Und so kann Jeder seine eigene Thätigkeit zur Sache machen und verkaufen. Er kann sie zum Gegen- stande eines Versprechens, also Contractes machen. Die Anerkennung dieser allgemeinen und nothwendigen Fähig- keiten, als jedem wenigstens erwachsenen, Menschen zuge- höriger, macht die rechtliche Sklaverei zum Unding, hebt sie auf. § 29. Die natürliche Herrschaft der freien Kaufleute oder Kapitalisten in der Gesellschaft, also in Bezug auf und über die freien Arbeiter (wie wir die ganze Masse nennen mögen) verwirklicht sich — wird zur actuellen Herrschaft trotz dieser letzteren Freiheit — in dem Maasse, als die Arbeiter des Eigenthums — als des Besitzes von Arbeits- und Genussmitteln — baar werden, als sie zu blossen Inhabern von einfacher Arbeits-Kraft (»Händen«) sich differen- ziren und zugleich verallgemeinern, welche durch die Um- stände, d. i. durch die Unmöglichkeit auf andere Weise zu leben, gezwungen (und also bereit) sind, dieselbe um Geld zu veräussern (quanquam coacti tamen volunt). Diese

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/107>, abgerufen am 23.11.2024.