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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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ein Jeder als Kaufmann zu handeln verständig ist; und in
diesem Sinne ist gesagt worden, dass die bürgerliche Gesell-
schaft bei jedermann eine encyklopädische Waarenkenntniss
voraussetze: K. Marx, Kapital I, Cap. 1, Anmerk.).

§ 27.

Alles Schaffen, Bilden und Wirken der Menschen
ist etwas wie eine Kunst und gleichsam organische Thätig-
keit, wodurch menschlicher Wille in die fremde Materie,
Form gebend überströmt; und wenn zur Erhaltung, Förde-
rung oder Freude einer Gemeinschaft dienend, wie im
natürlichen und ursprünglichen Verhältnisse, als eine Func-
tion derselben begreifbar, d. i. als ob die Gemeinschaft,
durch diesen Einzelnen (diese Gruppe) ausgedrückt, sich
selber solches leiste. Der Handel als die Geschicklichkeit
Profit zu machen, ist das Gegentheil aller solcher Kunst.
Profit ist kein Werth, er ist nur eine Veränderung in den
Relationen der Vermögen: das Plus des Einen ist das
Minus des Anderen (le proufict de l'un c'est le dommage
d'aultruy:
Montaigne). Die Aneignung ist eine blos
occupatorische, also sofern Andere beeinträchtigt werden eine
räuberische Thätigkeit; nicht Arbeit, welche zum Gute (oder
Gegenstande des Gebrauches) verändert, was vorher nicht
da war, ausser als Stoff in der Natur, oder doch nicht von
solcher guten Beschaffenheit war. Und die "Thätigkeit",
welche Handel in Bezug auf die Gegenstände ver-
nimmt, ist (wenn auch von demselben Subjecte aus irgend-
welche Arbeit hinzukommen mag) ihrer Essenz nach
nichts als Nachfrage, Aneignung, Angebot, Abgabe, also
lauter Handhabungen, welche die Natur der Sache unberührt
lassen. Dagegen ist der Kaufmann, da er einen greifbaren
und doch abstracten Nutzen als den wirklichen und ratio-
nalen Zweck seiner Thätigkeit ausser dieselbe setzt, der
erste (in diesem Sinne) denkende und freie Mensch, wel-
cher in der normalen Entwicklung eines socialen Lebens
erscheint. Er steht isolirt von allen nothwendigen Be-
ziehungen (necessitudines), Pflichten, Vorurtheilen, so sehr
als möglich
(A merchant, it has been said very properly,

ein Jeder als Kaufmann zu handeln verständig ist; und in
diesem Sinne ist gesagt worden, dass die bürgerliche Gesell-
schaft bei jedermann eine encyklopädische Waarenkenntniss
voraussetze: K. Marx, Kapital I, Cap. 1, Anmerk.).

§ 27.

Alles Schaffen, Bilden und Wirken der Menschen
ist etwas wie eine Kunst und gleichsam organische Thätig-
keit, wodurch menschlicher Wille in die fremde Materie,
Form gebend überströmt; und wenn zur Erhaltung, Förde-
rung oder Freude einer Gemeinschaft dienend, wie im
natürlichen und ursprünglichen Verhältnisse, als eine Func-
tion derselben begreifbar, d. i. als ob die Gemeinschaft,
durch diesen Einzelnen (diese Gruppe) ausgedrückt, sich
selber solches leiste. Der Handel als die Geschicklichkeit
Profit zu machen, ist das Gegentheil aller solcher Kunst.
Profit ist kein Werth, er ist nur eine Veränderung in den
Relationen der Vermögen: das Plus des Einen ist das
Minus des Anderen (le proufict de l’un c’est le dommage
d’aultruy:
Montaigne). Die Aneignung ist eine blos
occupatorische, also sofern Andere beeinträchtigt werden eine
räuberische Thätigkeit; nicht Arbeit, welche zum Gute (oder
Gegenstande des Gebrauches) verändert, was vorher nicht
da war, ausser als Stoff in der Natur, oder doch nicht von
solcher guten Beschaffenheit war. Und die »Thätigkeit«,
welche Handel in Bezug auf die Gegenstände ver-
nimmt, ist (wenn auch von demselben Subjecte aus irgend-
welche Arbeit hinzukommen mag) ihrer Essenz nach
nichts als Nachfrage, Aneignung, Angebot, Abgabe, also
lauter Handhabungen, welche die Natur der Sache unberührt
lassen. Dagegen ist der Kaufmann, da er einen greifbaren
und doch abstracten Nutzen als den wirklichen und ratio-
nalen Zweck seiner Thätigkeit ausser dieselbe setzt, der
erste (in diesem Sinne) denkende und freie Mensch, wel-
cher in der normalen Entwicklung eines socialen Lebens
erscheint. Er steht isolirt von allen nothwendigen Be-
ziehungen (necessitudines), Pflichten, Vorurtheilen, so sehr
als möglich
(A merchant, it has been said very properly,

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[66/0102] ein Jeder als Kaufmann zu handeln verständig ist; und in diesem Sinne ist gesagt worden, dass die bürgerliche Gesell- schaft bei jedermann eine encyklopädische Waarenkenntniss voraussetze: K. Marx, Kapital I, Cap. 1, Anmerk.). § 27. Alles Schaffen, Bilden und Wirken der Menschen ist etwas wie eine Kunst und gleichsam organische Thätig- keit, wodurch menschlicher Wille in die fremde Materie, Form gebend überströmt; und wenn zur Erhaltung, Förde- rung oder Freude einer Gemeinschaft dienend, wie im natürlichen und ursprünglichen Verhältnisse, als eine Func- tion derselben begreifbar, d. i. als ob die Gemeinschaft, durch diesen Einzelnen (diese Gruppe) ausgedrückt, sich selber solches leiste. Der Handel als die Geschicklichkeit Profit zu machen, ist das Gegentheil aller solcher Kunst. Profit ist kein Werth, er ist nur eine Veränderung in den Relationen der Vermögen: das Plus des Einen ist das Minus des Anderen (le proufict de l’un c’est le dommage d’aultruy: Montaigne). Die Aneignung ist eine blos occupatorische, also sofern Andere beeinträchtigt werden eine räuberische Thätigkeit; nicht Arbeit, welche zum Gute (oder Gegenstande des Gebrauches) verändert, was vorher nicht da war, ausser als Stoff in der Natur, oder doch nicht von solcher guten Beschaffenheit war. Und die »Thätigkeit«, welche Handel in Bezug auf die Gegenstände ver- nimmt, ist (wenn auch von demselben Subjecte aus irgend- welche Arbeit hinzukommen mag) ihrer Essenz nach nichts als Nachfrage, Aneignung, Angebot, Abgabe, also lauter Handhabungen, welche die Natur der Sache unberührt lassen. Dagegen ist der Kaufmann, da er einen greifbaren und doch abstracten Nutzen als den wirklichen und ratio- nalen Zweck seiner Thätigkeit ausser dieselbe setzt, der erste (in diesem Sinne) denkende und freie Mensch, wel- cher in der normalen Entwicklung eines socialen Lebens erscheint. Er steht isolirt von allen nothwendigen Be- ziehungen (necessitudines), Pflichten, Vorurtheilen, so sehr als möglich (A merchant, it has been said very properly,

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/102>, abgerufen am 23.11.2024.