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Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776.

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und Fürbitte zuthun ist, wird vom Fürsten eine höhere Geldstrafe zuerlegen sein, als vom Grafen, und von diesem eine größere, als von einem geringern Bürger 3 Mos. 4, 3. 23. 28. 32. Strafgelder, freiwillige Gaben und alle gemeinen Einkünfte sollen als Gotte geweihet angesehen und in den Schaz des Bethauses gebracht werden, das wird jedes Orts oder Landes gemeiner Schaz sein. Vornemlig ists nöthig zum dauerhaften Wolstande eines Gemeinenweses, daß über Zuch und Sitten gehalten werde: Ehebrecher und Ehebrecherin sollen daher hingerichtet werden 3 Mos. 20, 10. kein Hurer und keine Hure sollen geduldet werden, Hurkinder sollen in die Gemeine nicht kommen, auch im zehenten Gliede nicht 5 Mos. 23, 2. 17. Auch der Fürst mus von der Zucht nicht ausgenommen sein, sondern in Fällen, so die Sitten betreffen, wie in andern, von den Landesältesten sich richten lassen.

Wen einzelnen Leuten das Urtheil über die Sitten überlassen wird, so ist solches häufigem groben Misbrauche unterworfen und also die beste Verfassung nicht: doch ist eine unvolkomne Sittenzucht besser, als gar keine, und wird in Absicht auf den guten Gebrauch von den tausend Jahren, zwischen der Aufkunft päpstliger Herschaft und unsers neuen ungesitteten Wesens, gesaget, daß die Heiligen alsdan herschen würden. Gegen das Ende dieses Zeitraums fingen die Fürsten an, sich der Zucht zuentladen; ihnen folgten die Großen und endlig alle: nichts kan unvernünftigers erdacht werden, als der lutherische Beichtstul mit bloßem Löseschlüssel, dessen man vor dem Bindeschlüssel gar nicht bedarf; nichts henget schlechter zusammen, als das Kirchenrecht, wo des Fürsten Wille das höchste Gesez ist; keine Rathschläge können abgeschmakter sein, als wen man Hofprediger u. d. g. Männer belehren wil, bei gewissenhaftem Verhalten doch nicht misfällig zuwerden. Ich füge anhangsweise die oben 844 S. erwente wolfenbüttelsche Begebenheit bei, aus welcher, in Vergleichung mit Mosheims Kirchenrechte, solches theils erhellet, und in welcher sich das Papstthum noch ansehnlig doch auch die fürstlige Ybermacht bereits in völligem Anwachse zeiget. Da in Mosheims Kirchenrechte, in einer Anmerkung, welche der Hr. v. Windheim aus seines Hn.

und Fürbitte zuthun ist, wird vom Fürsten eine höhere Geldstrafe zuerlegen sein, als vom Grafen, und von diesem eine größere, als von einem geringern Bürger 3 Mos. 4, 3. 23. 28. 32. Strafgelder, freiwillige Gaben und alle gemeinen Einkünfte sollen als Gotte geweihet angesehen und in den Schaz des Bethauses gebracht werden, das wird jedes Orts oder Landes gemeiner Schaz sein. Vornemlig ists nöthig zum dauerhaften Wolstande eines Gemeinenweses, daß über Zuch und Sitten gehalten werde: Ehebrecher und Ehebrecherin sollen daher hingerichtet werden 3 Mos. 20, 10. kein Hurer und keine Hure sollen geduldet werden, Hurkinder sollen in die Gemeine nicht kommen, auch im zehenten Gliede nicht 5 Mos. 23, 2. 17. Auch der Fürst mus von der Zucht nicht ausgenommen sein, sondern in Fällen, so die Sitten betreffen, wie in andern, von den Landesältesten sich richten lassen.

Wen einzelnen Leuten das Urtheil über die Sitten überlassen wird, so ist solches häufigem groben Misbrauche unterworfen und also die beste Verfassung nicht: doch ist eine unvolkomne Sittenzucht besser, als gar keine, und wird in Absicht auf den guten Gebrauch von den tausend Jahren, zwischen der Aufkunft päpstliger Herschaft und unsers neuen ungesitteten Wesens, gesaget, daß die Heiligen alsdan herschen würden. Gegen das Ende dieses Zeitraums fingen die Fürsten an, sich der Zucht zuentladen; ihnen folgten die Großen und endlig alle: nichts kan unvernünftigers erdacht werden, als der lutherische Beichtstul mit bloßem Löseschlüssel, dessen man vor dem Bindeschlüssel gar nicht bedarf; nichts henget schlechter zusammen, als das Kirchenrecht, wo des Fürsten Wille das höchste Gesez ist; keine Rathschläge können abgeschmakter sein, als wen man Hofprediger u. d. g. Männer belehren wil, bei gewissenhaftem Verhalten doch nicht misfällig zuwerden. Ich füge anhangsweise die oben 844 S. erwente wolfenbüttelsche Begebenheit bei, aus welcher, in Vergleichung mit Mosheims Kirchenrechte, solches theils erhellet, und in welcher sich das Papstthum noch ansehnlig doch auch die fürstlige Ybermacht bereits in völligem Anwachse zeiget. Da in Mosheims Kirchenrechte, in einer Anmerkung, welche der Hr. v. Windheim aus seines Hn.

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[0952] und Fürbitte zuthun ist, wird vom Fürsten eine höhere Geldstrafe zuerlegen sein, als vom Grafen, und von diesem eine größere, als von einem geringern Bürger 3 Mos. 4, 3. 23. 28. 32. Strafgelder, freiwillige Gaben und alle gemeinen Einkünfte sollen als Gotte geweihet angesehen und in den Schaz des Bethauses gebracht werden, das wird jedes Orts oder Landes gemeiner Schaz sein. Vornemlig ists nöthig zum dauerhaften Wolstande eines Gemeinenweses, daß über Zuch und Sitten gehalten werde: Ehebrecher und Ehebrecherin sollen daher hingerichtet werden 3 Mos. 20, 10. kein Hurer und keine Hure sollen geduldet werden, Hurkinder sollen in die Gemeine nicht kommen, auch im zehenten Gliede nicht 5 Mos. 23, 2. 17. Auch der Fürst mus von der Zucht nicht ausgenommen sein, sondern in Fällen, so die Sitten betreffen, wie in andern, von den Landesältesten sich richten lassen. Wen einzelnen Leuten das Urtheil über die Sitten überlassen wird, so ist solches häufigem groben Misbrauche unterworfen und also die beste Verfassung nicht: doch ist eine unvolkomne Sittenzucht besser, als gar keine, und wird in Absicht auf den guten Gebrauch von den tausend Jahren, zwischen der Aufkunft päpstliger Herschaft und unsers neuen ungesitteten Wesens, gesaget, daß die Heiligen alsdan herschen würden. Gegen das Ende dieses Zeitraums fingen die Fürsten an, sich der Zucht zuentladen; ihnen folgten die Großen und endlig alle: nichts kan unvernünftigers erdacht werden, als der lutherische Beichtstul mit bloßem Löseschlüssel, dessen man vor dem Bindeschlüssel gar nicht bedarf; nichts henget schlechter zusammen, als das Kirchenrecht, wo des Fürsten Wille das höchste Gesez ist; keine Rathschläge können abgeschmakter sein, als wen man Hofprediger u. d. g. Männer belehren wil, bei gewissenhaftem Verhalten doch nicht misfällig zuwerden. Ich füge anhangsweise die oben 844 S. erwente wolfenbüttelsche Begebenheit bei, aus welcher, in Vergleichung mit Mosheims Kirchenrechte, solches theils erhellet, und in welcher sich das Papstthum noch ansehnlig doch auch die fürstlige Ybermacht bereits in völligem Anwachse zeiget. Da in Mosheims Kirchenrechte, in einer Anmerkung, welche der Hr. v. Windheim aus seines Hn.

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Zitationshilfe: Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/952>, abgerufen am 20.05.2024.