Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Der 14te Januar.
Wohlthat, die wohl von wenigen geschätzet wird, und die
allerdings meinen Dank erfodert. Wie, wenn nur Einer un[ - 3 Zeichen fehlen]
Sinne recht geschmeicheit werden müßte, wofern wir ruhig sch[ - 2 Zeichen fehlen]
fen wolten! dann würden viele so lange an dieser nothdürftig[ - 2 Zeichen fehlen]
Kost des Gehörs, Geruchs etc. künsteln, bis ihnen vollend ke[ - 2 Zeichen fehlen]
Almosen für die Armen übrig blieben. Reiche Müßiggäng[ - 2 Zeichen fehlen]
würden schlafen, und müde Arbeiter müßten wachen.

Ich danke dir, Allgütiger! daß du dich, auch bei Einric[ - 1 Zeichen fehlt]
tung meines Schlafes, so liebreich bewiesen hast. Die Nach[ - 1 Zeichen fehlt]
löset meine Verbindungen mit allen Kreaturen auf, ich falle di[ - 1 Zeichen fehlt]
mein Schöpfer! allein anheim, und bedarf weiter nichts als de[i]
ner Obhut. Du bewahrest die Kanäle meines strömenden Bluts
für Stockung; und, leidet ein innerer oder äusserer Theil meines
Körpers, so muß ich mich, ohne mein Wissen, im Schlafe der
gestalt bewegen, damit diesen leidenden Theilen Hülfe wiederfahre.
Was ich öfters mit Geld und Arzeneien nicht erzwingen kan, das
schenkt mir ein wohlthätiger Schlaf, indem er mir neue Kräfte
zuhaucht, und mein schwer schleichendes Blut weit schneller um-
hertreibt. Wie mancher wird jetzt blos durch den Schlaf er-
wärmt, weil er zu arm ist, sich des Frosts am Tage zu erwehren!
Der Schlaf, den Ermüdete nicht für Gold vertauschen würden,
ist auch darin ein Bruder des Todes, daß er nicht erkauft werden
darf. So Schlafende als Sterbende können der Welt und ihrer
Gnade entbehren: nur nicht der deinigen, Herr der Schlafenden
und Todten! Aber auch die giebst du umsonst, und bist jedem
gnädig, der nur nach deiner Gnade schmachtet. Und solte ich
mich nach ihr nicht sehnen, noch ehe ich mich jetzt zur Ruhe be-
gebe? Denn ach! wie leicht könte ich nicht im Tode entschlafen:
und wie unglücklich wäre ich alsdann ohne Gnade Gottes! Er-
wirb sie mir, Herr Jesu! durch dein Leiden; nenne mich den Dei-
nen, mehr bedarf ich zu einem sichern Schlafe nicht. Denn was
fehlet mir noch, wenn ich der Deine bin: und das will ich seyn,
ich mag wachen oder schlafen.

Der

Der 14te Januar.
Wohlthat, die wohl von wenigen geſchaͤtzet wird, und die
allerdings meinen Dank erfodert. Wie, wenn nur Einer un[ – 3 Zeichen fehlen]
Sinne recht geſchmeicheit werden muͤßte, wofern wir ruhig ſch[ – 2 Zeichen fehlen]
fen wolten! dann wuͤrden viele ſo lange an dieſer nothduͤrftig[ – 2 Zeichen fehlen]
Koſt des Gehoͤrs, Geruchs ꝛc. kuͤnſteln, bis ihnen vollend ke[ – 2 Zeichen fehlen]
Almoſen fuͤr die Armen uͤbrig blieben. Reiche Muͤßiggaͤng[ – 2 Zeichen fehlen]
wuͤrden ſchlafen, und muͤde Arbeiter muͤßten wachen.

Ich danke dir, Allguͤtiger! daß du dich, auch bei Einric[ – 1 Zeichen fehlt]
tung meines Schlafes, ſo liebreich bewieſen haſt. Die Nach[ – 1 Zeichen fehlt]
loͤſet meine Verbindungen mit allen Kreaturen auf, ich falle di[ – 1 Zeichen fehlt]
mein Schoͤpfer! allein anheim, und bedarf weiter nichts als de[i]
ner Obhut. Du bewahreſt die Kanaͤle meines ſtroͤmenden Blutſ
fuͤr Stockung; und, leidet ein innerer oder aͤuſſerer Theil meines
Koͤrpers, ſo muß ich mich, ohne mein Wiſſen, im Schlafe der
geſtalt bewegen, damit dieſen leidenden Theilen Huͤlfe wiederfahre.
Was ich oͤfters mit Geld und Arzeneien nicht erzwingen kan, das
ſchenkt mir ein wohlthaͤtiger Schlaf, indem er mir neue Kraͤfte
zuhaucht, und mein ſchwer ſchleichendes Blut weit ſchneller um-
hertreibt. Wie mancher wird jetzt blos durch den Schlaf er-
waͤrmt, weil er zu arm iſt, ſich des Froſts am Tage zu erwehren!
Der Schlaf, den Ermuͤdete nicht fuͤr Gold vertauſchen wuͤrden,
iſt auch darin ein Bruder des Todes, daß er nicht erkauft werden
darf. So Schlafende als Sterbende koͤnnen der Welt und ihrer
Gnade entbehren: nur nicht der deinigen, Herr der Schlafenden
und Todten! Aber auch die giebſt du umſonſt, und biſt jedem
gnaͤdig, der nur nach deiner Gnade ſchmachtet. Und ſolte ich
mich nach ihr nicht ſehnen, noch ehe ich mich jetzt zur Ruhe be-
gebe? Denn ach! wie leicht koͤnte ich nicht im Tode entſchlafen:
und wie ungluͤcklich waͤre ich alsdann ohne Gnade Gottes! Er-
wirb ſie mir, Herr Jeſu! durch dein Leiden; nenne mich den Dei-
nen, mehr bedarf ich zu einem ſichern Schlafe nicht. Denn was
fehlet mir noch, wenn ich der Deine bin: und das will ich ſeyn,
ich mag wachen oder ſchlafen.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0067" n="30[60]"/><fw place="top" type="header">Der 14<hi rendition="#sup">te</hi> Januar.</fw><lb/>
Wohlthat, die wohl von wenigen ge&#x017F;cha&#x0364;tzet wird, und die<lb/>
allerdings meinen Dank erfodert. Wie, wenn nur Einer un<gap unit="chars" quantity="3"/><lb/>
Sinne recht ge&#x017F;chmeicheit werden mu&#x0364;ßte, wofern wir ruhig &#x017F;ch<gap unit="chars" quantity="2"/><lb/>
fen wolten! dann wu&#x0364;rden viele &#x017F;o lange an die&#x017F;er nothdu&#x0364;rftig<gap unit="chars" quantity="2"/><lb/>
Ko&#x017F;t des Geho&#x0364;rs, Geruchs &#xA75B;c. ku&#x0364;n&#x017F;teln, bis ihnen vollend ke<gap unit="chars" quantity="2"/><lb/>
Almo&#x017F;en fu&#x0364;r die Armen u&#x0364;brig blieben. Reiche Mu&#x0364;ßigga&#x0364;ng<gap unit="chars" quantity="2"/><lb/>
wu&#x0364;rden &#x017F;chlafen, und mu&#x0364;de Arbeiter mu&#x0364;ßten wachen.</p><lb/>
            <p>Ich danke dir, Allgu&#x0364;tiger! daß du dich, auch bei Einric<gap unit="chars" quantity="1"/><lb/>
tung meines Schlafes, &#x017F;o liebreich bewie&#x017F;en ha&#x017F;t. Die Nach<gap unit="chars" quantity="1"/><lb/>
lo&#x0364;&#x017F;et meine Verbindungen mit allen Kreaturen auf, ich falle di<gap unit="chars" quantity="1"/><lb/>
mein Scho&#x0364;pfer! allein anheim, und bedarf weiter nichts als de<supplied>i</supplied><lb/>
ner Obhut. Du bewahre&#x017F;t die Kana&#x0364;le meines &#x017F;tro&#x0364;menden Blut&#x017F;<lb/>
fu&#x0364;r Stockung; und, leidet ein innerer oder a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erer Theil meines<lb/>
Ko&#x0364;rpers, &#x017F;o muß ich mich, ohne mein Wi&#x017F;&#x017F;en, im Schlafe der<lb/>
ge&#x017F;talt bewegen, damit die&#x017F;en leidenden Theilen Hu&#x0364;lfe wiederfahre.<lb/>
Was ich o&#x0364;fters mit Geld und Arzeneien nicht erzwingen kan, das<lb/>
&#x017F;chenkt mir ein wohltha&#x0364;tiger Schlaf, indem er mir neue Kra&#x0364;fte<lb/>
zuhaucht, und mein &#x017F;chwer &#x017F;chleichendes Blut weit &#x017F;chneller um-<lb/>
hertreibt. Wie mancher wird jetzt blos durch den Schlaf er-<lb/>
wa&#x0364;rmt, weil er zu arm i&#x017F;t, &#x017F;ich des Fro&#x017F;ts am Tage zu erwehren!<lb/>
Der Schlaf, den Ermu&#x0364;dete nicht fu&#x0364;r Gold vertau&#x017F;chen wu&#x0364;rden,<lb/>
i&#x017F;t auch darin ein Bruder des Todes, daß er nicht erkauft werden<lb/>
darf. So Schlafende als Sterbende ko&#x0364;nnen der Welt und ihrer<lb/>
Gnade entbehren: nur nicht der deinigen, Herr der Schlafenden<lb/>
und Todten! Aber auch die gieb&#x017F;t du um&#x017F;on&#x017F;t, und bi&#x017F;t jedem<lb/>
gna&#x0364;dig, der nur nach deiner Gnade &#x017F;chmachtet. Und &#x017F;olte ich<lb/>
mich nach ihr nicht &#x017F;ehnen, noch ehe ich mich jetzt zur Ruhe be-<lb/>
gebe? Denn ach! wie leicht ko&#x0364;nte ich nicht im Tode ent&#x017F;chlafen:<lb/>
und wie unglu&#x0364;cklich wa&#x0364;re ich alsdann ohne Gnade Gottes! Er-<lb/>
wirb &#x017F;ie mir, Herr Je&#x017F;u! durch dein Leiden; nenne mich den Dei-<lb/>
nen, mehr bedarf ich zu einem &#x017F;ichern Schlafe nicht. Denn was<lb/>
fehlet mir noch, wenn ich der Deine bin: und das will ich &#x017F;eyn,<lb/>
ich mag wachen oder &#x017F;chlafen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30[60]/0067] Der 14te Januar. Wohlthat, die wohl von wenigen geſchaͤtzet wird, und die allerdings meinen Dank erfodert. Wie, wenn nur Einer un___ Sinne recht geſchmeicheit werden muͤßte, wofern wir ruhig ſch__ fen wolten! dann wuͤrden viele ſo lange an dieſer nothduͤrftig__ Koſt des Gehoͤrs, Geruchs ꝛc. kuͤnſteln, bis ihnen vollend ke__ Almoſen fuͤr die Armen uͤbrig blieben. Reiche Muͤßiggaͤng__ wuͤrden ſchlafen, und muͤde Arbeiter muͤßten wachen. Ich danke dir, Allguͤtiger! daß du dich, auch bei Einric_ tung meines Schlafes, ſo liebreich bewieſen haſt. Die Nach_ loͤſet meine Verbindungen mit allen Kreaturen auf, ich falle di_ mein Schoͤpfer! allein anheim, und bedarf weiter nichts als dei ner Obhut. Du bewahreſt die Kanaͤle meines ſtroͤmenden Blutſ fuͤr Stockung; und, leidet ein innerer oder aͤuſſerer Theil meines Koͤrpers, ſo muß ich mich, ohne mein Wiſſen, im Schlafe der geſtalt bewegen, damit dieſen leidenden Theilen Huͤlfe wiederfahre. Was ich oͤfters mit Geld und Arzeneien nicht erzwingen kan, das ſchenkt mir ein wohlthaͤtiger Schlaf, indem er mir neue Kraͤfte zuhaucht, und mein ſchwer ſchleichendes Blut weit ſchneller um- hertreibt. Wie mancher wird jetzt blos durch den Schlaf er- waͤrmt, weil er zu arm iſt, ſich des Froſts am Tage zu erwehren! Der Schlaf, den Ermuͤdete nicht fuͤr Gold vertauſchen wuͤrden, iſt auch darin ein Bruder des Todes, daß er nicht erkauft werden darf. So Schlafende als Sterbende koͤnnen der Welt und ihrer Gnade entbehren: nur nicht der deinigen, Herr der Schlafenden und Todten! Aber auch die giebſt du umſonſt, und biſt jedem gnaͤdig, der nur nach deiner Gnade ſchmachtet. Und ſolte ich mich nach ihr nicht ſehnen, noch ehe ich mich jetzt zur Ruhe be- gebe? Denn ach! wie leicht koͤnte ich nicht im Tode entſchlafen: und wie ungluͤcklich waͤre ich alsdann ohne Gnade Gottes! Er- wirb ſie mir, Herr Jeſu! durch dein Leiden; nenne mich den Dei- nen, mehr bedarf ich zu einem ſichern Schlafe nicht. Denn was fehlet mir noch, wenn ich der Deine bin: und das will ich ſeyn, ich mag wachen oder ſchlafen. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/67
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 30[60]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/67>, abgerufen am 22.07.2024.