&q;Pöbel vorgezogen werden; Pöbel aber heisse ich alles, was schlecht &q;gekleidet geht. Um endlich recht billig zu seyn, biete ich jedem &q;für baare Bezahlung, es sey an Geld, Schmeicheleien, Ver- &q;mächtniß oder Handarbeit, einen hohen Rang an. Nur die &q;beiden ersten Plätze ausgenommen, welche durch mich und die &q;Meinigen zu gut besetzt sind, als daß irgend ein Mensch --"
Schweig alberner Mensch! und höre Gottes Rangordnung. Vor ihm gilt kein Ansehen der Person. Nur wer ihn fürchtet und recht thut, ist ihm angenehm. Der Maaßstab, nach wel- chem du ordnest, ist kindisch, und verräth deine eigennützige Sinnlichkeit. Der Unterschied der Stände ist eine weise Ein- richtung Gottes, nicht für den Himmel, sondern für die Erde. Und auch hier gilt sie nur bis ans Schlafgemach, Krankenbette, oder bis in den Sarg. Es ist eine Verzierung, die nur Einen Aufzug im Vorspiel durchdauert. Dort aber in der Ewigkeit bestimmt nur die Seele den Rang. Tugenden, nicht aber aus- stehende Kapitale; Gottesfurcht, und nicht pergamentne Vorzüge; Menschenliebe, nicht jene, welche in der Geschwindigkeit nach- rechnet, wie hoch sie sich bezahlt machen kan; Lob Gottes, recht- schafnes Leben und seliges Ende: o! das sind Güter (es mag sie der Fürst oder die ärmste Wittwe bringen) gegen welche aller hiesiger Vorzug und Rang, auf der Wage des Richters, in die Luft fliegt. Lieber Einmal Gott angebetet, als tausendmal von eigennützigen Menschen angebetet seyn!
Mein hiesiger Rang heisset nichts. Jch bestimme ihn mir zu hoch, und andre setzen mich zu tief hinab. Mein wahrer Rang ist nur bei dir, heiliger und unpartheiischer Gott! Wenn du mich rühmest, so mag die Welt meine Kleider, Runzeln, und andre vermeinte Gebrechen durchziehen. Bald lege ich meinen Stab zu dem Zepter der Weltbezwingers hin, lege die verschoßne und zusammengeschrumpfte Haut ab, und lebe meines Glaubens. O! wäre ich doch immer recht klein in meinen Augen, wie groß würde ich im Himmel seyn!
Der
Der 11te Junius.
&q;Poͤbel vorgezogen werden; Poͤbel aber heiſſe ich alles, was ſchlecht &q;gekleidet geht. Um endlich recht billig zu ſeyn, biete ich jedem &q;fuͤr baare Bezahlung, es ſey an Geld, Schmeicheleien, Ver- &q;maͤchtniß oder Handarbeit, einen hohen Rang an. Nur die &q;beiden erſten Plaͤtze ausgenommen, welche durch mich und die &q;Meinigen zu gut beſetzt ſind, als daß irgend ein Menſch —„
Schweig alberner Menſch! und hoͤre Gottes Rangordnung. Vor ihm gilt kein Anſehen der Perſon. Nur wer ihn fuͤrchtet und recht thut, iſt ihm angenehm. Der Maaßſtab, nach wel- chem du ordneſt, iſt kindiſch, und verraͤth deine eigennuͤtzige Sinnlichkeit. Der Unterſchied der Staͤnde iſt eine weiſe Ein- richtung Gottes, nicht fuͤr den Himmel, ſondern fuͤr die Erde. Und auch hier gilt ſie nur bis ans Schlafgemach, Krankenbette, oder bis in den Sarg. Es iſt eine Verzierung, die nur Einen Aufzug im Vorſpiel durchdauert. Dort aber in der Ewigkeit beſtimmt nur die Seele den Rang. Tugenden, nicht aber aus- ſtehende Kapitale; Gottesfurcht, und nicht pergamentne Vorzuͤge; Menſchenliebe, nicht jene, welche in der Geſchwindigkeit nach- rechnet, wie hoch ſie ſich bezahlt machen kan; Lob Gottes, recht- ſchafnes Leben und ſeliges Ende: o! das ſind Guͤter (es mag ſie der Fuͤrſt oder die aͤrmſte Wittwe bringen) gegen welche aller hieſiger Vorzug und Rang, auf der Wage des Richters, in die Luft fliegt. Lieber Einmal Gott angebetet, als tauſendmal von eigennuͤtzigen Menſchen angebetet ſeyn!
Mein hieſiger Rang heiſſet nichts. Jch beſtimme ihn mir zu hoch, und andre ſetzen mich zu tief hinab. Mein wahrer Rang iſt nur bei dir, heiliger und unpartheiiſcher Gott! Wenn du mich ruͤhmeſt, ſo mag die Welt meine Kleider, Runzeln, und andre vermeinte Gebrechen durchziehen. Bald lege ich meinen Stab zu dem Zepter der Weltbezwingers hin, lege die verſchoßne und zuſammengeſchrumpfte Haut ab, und lebe meines Glaubens. O! waͤre ich doch immer recht klein in meinen Augen, wie groß wuͤrde ich im Himmel ſeyn!
Der
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Der 11te Junius.
&q;Poͤbel vorgezogen werden; Poͤbel aber heiſſe ich alles, was ſchlecht
&q;gekleidet geht. Um endlich recht billig zu ſeyn, biete ich jedem
&q;fuͤr baare Bezahlung, es ſey an Geld, Schmeicheleien, Ver-
&q;maͤchtniß oder Handarbeit, einen hohen Rang an. Nur die
&q;beiden erſten Plaͤtze ausgenommen, welche durch mich und die
&q;Meinigen zu gut beſetzt ſind, als daß irgend ein Menſch —„
Schweig alberner Menſch! und hoͤre Gottes Rangordnung.
Vor ihm gilt kein Anſehen der Perſon. Nur wer ihn fuͤrchtet
und recht thut, iſt ihm angenehm. Der Maaßſtab, nach wel-
chem du ordneſt, iſt kindiſch, und verraͤth deine eigennuͤtzige
Sinnlichkeit. Der Unterſchied der Staͤnde iſt eine weiſe Ein-
richtung Gottes, nicht fuͤr den Himmel, ſondern fuͤr die Erde.
Und auch hier gilt ſie nur bis ans Schlafgemach, Krankenbette,
oder bis in den Sarg. Es iſt eine Verzierung, die nur Einen
Aufzug im Vorſpiel durchdauert. Dort aber in der Ewigkeit
beſtimmt nur die Seele den Rang. Tugenden, nicht aber aus-
ſtehende Kapitale; Gottesfurcht, und nicht pergamentne Vorzuͤge;
Menſchenliebe, nicht jene, welche in der Geſchwindigkeit nach-
rechnet, wie hoch ſie ſich bezahlt machen kan; Lob Gottes, recht-
ſchafnes Leben und ſeliges Ende: o! das ſind Guͤter (es mag ſie
der Fuͤrſt oder die aͤrmſte Wittwe bringen) gegen welche aller
hieſiger Vorzug und Rang, auf der Wage des Richters, in die
Luft fliegt. Lieber Einmal Gott angebetet, als tauſendmal von
eigennuͤtzigen Menſchen angebetet ſeyn!
Mein hieſiger Rang heiſſet nichts. Jch beſtimme ihn mir
zu hoch, und andre ſetzen mich zu tief hinab. Mein wahrer
Rang iſt nur bei dir, heiliger und unpartheiiſcher Gott! Wenn
du mich ruͤhmeſt, ſo mag die Welt meine Kleider, Runzeln, und
andre vermeinte Gebrechen durchziehen. Bald lege ich meinen
Stab zu dem Zepter der Weltbezwingers hin, lege die verſchoßne
und zuſammengeſchrumpfte Haut ab, und lebe meines Glaubens.
O! waͤre ich doch immer recht klein in meinen Augen, wie groß
wuͤrde ich im Himmel ſeyn!
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 338[368]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/375>, abgerufen am 22.07.2024.
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