Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

zur ersten Auflage.
haber gefunden? O! mögten doch von allen unsern
Kanzeln die Religionswarheiten in mehrerer Verbindung
mit der Geschichte, Naturlehre und Kentniß des menschli-
chen Herzens erschallen! Der Befehl Gottes dazu ist da.
Gesch. 14, 17. k. 17, 27. 1 Cor. 10, 31. vergl. mit Röm. 1, 20.
Ps. 148. Der gähnenden Christen und witzelnden Spöt-
ter würde weniger werden. In der Kirche will man er-
bauet seyn, und dazu gehören Warheiten, die nicht nur
den Kopf erhellen, sondern auch das Herz erwärmen.
Exegesis und Polemik ist höchst nöthig: aber mehr auf
Kathedern und in Schriften. Auf der Kanzel können sie
sich nie in ihrer ganzen Stärke zeigen, und das ist die Ur-
sache, warum so wenig Zweifler und Gegner durch solche
Predigten besieget werden. Es hat Atheisten gegeben,
welche allen Demonstrationen widerstanden, und durch
Betrachtung der Bildung ihrer Hand überwunden wur-
den. Der Naturforscher, Zergliederer, Sternkundige
und Kräuterkenner solten als Mißionarien unter die Frei-
geister gehen.

Man hat Luthers Ausdruck: daß auch der Einfäl-
tige hinter der Thüre die Predigt verstehen müsse, sehr be-
quem gefunden, so schlecht als möglich und doch erbaulich
zu predigen. Aber die Herren, die sich darauf berufen,
solten auch bedenken, daß er in eben den Tischreden lange

Pre-

zur erſten Auflage.
haber gefunden? O! moͤgten doch von allen unſern
Kanzeln die Religionswarheiten in mehrerer Verbindung
mit der Geſchichte, Naturlehre und Kentniß des menſchli-
chen Herzens erſchallen! Der Befehl Gottes dazu iſt da.
Geſch. 14, 17. k. 17, 27. 1 Cor. 10, 31. vergl. mit Roͤm. 1, 20.
Pſ. 148. Der gaͤhnenden Chriſten und witzelnden Spoͤt-
ter wuͤrde weniger werden. In der Kirche will man er-
bauet ſeyn, und dazu gehoͤren Warheiten, die nicht nur
den Kopf erhellen, ſondern auch das Herz erwaͤrmen.
Exegeſis und Polemik iſt hoͤchſt noͤthig: aber mehr auf
Kathedern und in Schriften. Auf der Kanzel koͤnnen ſie
ſich nie in ihrer ganzen Staͤrke zeigen, und das iſt die Ur-
ſache, warum ſo wenig Zweifler und Gegner durch ſolche
Predigten beſieget werden. Es hat Atheiſten gegeben,
welche allen Demonſtrationen widerſtanden, und durch
Betrachtung der Bildung ihrer Hand uͤberwunden wur-
den. Der Naturforſcher, Zergliederer, Sternkundige
und Kraͤuterkenner ſolten als Mißionarien unter die Frei-
geiſter gehen.

Man hat Luthers Ausdruck: daß auch der Einfaͤl-
tige hinter der Thuͤre die Predigt verſtehen muͤſſe, ſehr be-
quem gefunden, ſo ſchlecht als moͤglich und doch erbaulich
zu predigen. Aber die Herren, die ſich darauf berufen,
ſolten auch bedenken, daß er in eben den Tiſchreden lange

Pre-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="27"/><fw place="top" type="header">zur er&#x017F;ten Auflage.</fw><lb/>
haber gefunden? O! mo&#x0364;gten doch von allen un&#x017F;ern<lb/>
Kanzeln die Religionswarheiten in mehrerer Verbindung<lb/>
mit der Ge&#x017F;chichte, Naturlehre und Kentniß des men&#x017F;chli-<lb/>
chen Herzens er&#x017F;challen! Der Befehl Gottes dazu i&#x017F;t da.<lb/>
Ge&#x017F;ch. 14, 17. k. 17, 27. 1 Cor. 10, 31. vergl. mit Ro&#x0364;m. 1, 20.<lb/>
P&#x017F;. 148. Der ga&#x0364;hnenden Chri&#x017F;ten und witzelnden Spo&#x0364;t-<lb/>
ter wu&#x0364;rde weniger werden. In der Kirche will man er-<lb/>
bauet &#x017F;eyn, und dazu geho&#x0364;ren Warheiten, die nicht nur<lb/>
den Kopf erhellen, &#x017F;ondern auch das Herz erwa&#x0364;rmen.<lb/>
Exege&#x017F;is und Polemik i&#x017F;t ho&#x0364;ch&#x017F;t no&#x0364;thig: aber mehr auf<lb/>
Kathedern und in Schriften. Auf der Kanzel ko&#x0364;nnen &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich nie in ihrer ganzen Sta&#x0364;rke zeigen, und das i&#x017F;t die Ur-<lb/>
&#x017F;ache, warum &#x017F;o wenig Zweifler und Gegner durch &#x017F;olche<lb/>
Predigten be&#x017F;ieget werden. Es hat Athei&#x017F;ten gegeben,<lb/>
welche allen Demon&#x017F;trationen wider&#x017F;tanden, und durch<lb/>
Betrachtung der Bildung ihrer Hand u&#x0364;berwunden wur-<lb/>
den. Der Naturfor&#x017F;cher, Zergliederer, Sternkundige<lb/>
und Kra&#x0364;uterkenner &#x017F;olten als Mißionarien unter die Frei-<lb/>
gei&#x017F;ter gehen.</p><lb/>
        <p>Man hat <hi rendition="#fr">Luthers</hi> Ausdruck: daß auch der Einfa&#x0364;l-<lb/>
tige hinter der Thu&#x0364;re die Predigt ver&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ehr be-<lb/>
quem gefunden, &#x017F;o &#x017F;chlecht als mo&#x0364;glich und doch erbaulich<lb/>
zu predigen. Aber die Herren, die &#x017F;ich darauf berufen,<lb/>
&#x017F;olten auch bedenken, daß er in eben den Ti&#x017F;chreden lange<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Pre-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[27/0034] zur erſten Auflage. haber gefunden? O! moͤgten doch von allen unſern Kanzeln die Religionswarheiten in mehrerer Verbindung mit der Geſchichte, Naturlehre und Kentniß des menſchli- chen Herzens erſchallen! Der Befehl Gottes dazu iſt da. Geſch. 14, 17. k. 17, 27. 1 Cor. 10, 31. vergl. mit Roͤm. 1, 20. Pſ. 148. Der gaͤhnenden Chriſten und witzelnden Spoͤt- ter wuͤrde weniger werden. In der Kirche will man er- bauet ſeyn, und dazu gehoͤren Warheiten, die nicht nur den Kopf erhellen, ſondern auch das Herz erwaͤrmen. Exegeſis und Polemik iſt hoͤchſt noͤthig: aber mehr auf Kathedern und in Schriften. Auf der Kanzel koͤnnen ſie ſich nie in ihrer ganzen Staͤrke zeigen, und das iſt die Ur- ſache, warum ſo wenig Zweifler und Gegner durch ſolche Predigten beſieget werden. Es hat Atheiſten gegeben, welche allen Demonſtrationen widerſtanden, und durch Betrachtung der Bildung ihrer Hand uͤberwunden wur- den. Der Naturforſcher, Zergliederer, Sternkundige und Kraͤuterkenner ſolten als Mißionarien unter die Frei- geiſter gehen. Man hat Luthers Ausdruck: daß auch der Einfaͤl- tige hinter der Thuͤre die Predigt verſtehen muͤſſe, ſehr be- quem gefunden, ſo ſchlecht als moͤglich und doch erbaulich zu predigen. Aber die Herren, die ſich darauf berufen, ſolten auch bedenken, daß er in eben den Tiſchreden lange Pre-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/34
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/34>, abgerufen am 20.05.2024.