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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 10te Mai.
entworfen, Schönheiten der Natur entfaltet[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] der menschli[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Eigenliebe geschmeichelt, und den Pöbel in seinem Nichts gelas[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Aber Heil euch, ihr Armen! euch ward das Evangelium gepredi[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
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nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle; denn ihrer ist immer d[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
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ist vor der Welt, das nahm Jesus zu Jüngern an. Setzet da[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Gegentheil, so ist die ganze Menschwerdung Christi unglaublich.

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der Ungläubige ist, er nenne sich Deist, Freigeist, Naturalist, ode[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
er verstecke sich hinter den unschuldigen Namen eines Philosophen [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
er ist ein Leichtgläubiger. Er glaubt entweder eine Vernichtung
unsrer Seelen im Tode, und dawieder schreien alle unsre natürli-
chen Triebe; Vernunft und Eigenschaften Gottes widerlegen das.
Oder, er erwartet höchstens ein blindes Urtheil Gottes, der alle
Schalkheiten des Menschen vergessen, und nur gewisse Minuten,
sonderlich die letzten des Lebens richten soll. Es soll diesem heilig-
sten Richter sehr gleichgültig seyn, ob und wie man sich gegen ihn
und seine Geschöpfe betragen habe. -- Wie unglaublich ist das
alles! so unglaublich, als die Hofnung des Gottlosen, daß er
bei Ausschweifungen ein hohes Alter erreichen, bei brandmarken-
den Lastern ein ruhiges Gewissen, und bei Härte und Betrug
wahre Freunde haben werde.

Jch mag meine Religion untersuchen wie ich will, verkleiner-
lich ist sie dir, Allerhöchster! gewiß nicht, noch weniger dichtet
sie dir Laster und Unvollkommenheiten an, wie der Unglaube es
thut. Wäre irgend eine Religion in der Welt, welche dich mir
heiliger, gerechter und gnädiger schilderte, als die Lehre Jesu: ich
wolte, ich müßte sie heute noch annehmen. Aber ich darf mich
meines Glaubens nicht schämen. Wer kan sich seine Sünden,
und den allerheiligsten Richter denken, und dennoch ruhig ein-
schlafen? -- Das kan ich, Herr Jesu! wenn ich reuvoll zu dir
am Kreuz hinaufrufe: du bist mein!

Der

Der 10te Mai.
entworfen, Schoͤnheiten der Natur entfaltet[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] der menſchli[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Eigenliebe geſchmeichelt, und den Poͤbel in ſeinem Nichts gelaſ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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unſrer Seelen im Tode, und dawieder ſchreien alle unſre natuͤrli-
chen Triebe; Vernunft und Eigenſchaften Gottes widerlegen das.
Oder, er erwartet hoͤchſtens ein blindes Urtheil Gottes, der alle
Schalkheiten des Menſchen vergeſſen, und nur gewiſſe Minuten,
ſonderlich die letzten des Lebens richten ſoll. Es ſoll dieſem heilig-
ſten Richter ſehr gleichguͤltig ſeyn, ob und wie man ſich gegen ihn
und ſeine Geſchoͤpfe betragen habe. — Wie unglaublich iſt das
alles! ſo unglaublich, als die Hofnung des Gottloſen, daß er
bei Ausſchweifungen ein hohes Alter erreichen, bei brandmarken-
den Laſtern ein ruhiges Gewiſſen, und bei Haͤrte und Betrug
wahre Freunde haben werde.

Jch mag meine Religion unterſuchen wie ich will, verkleiner-
lich iſt ſie dir, Allerhoͤchſter! gewiß nicht, noch weniger dichtet
ſie dir Laſter und Unvollkommenheiten an, wie der Unglaube es
thut. Waͤre irgend eine Religion in der Welt, welche dich mir
heiliger, gerechter und gnaͤdiger ſchilderte, als die Lehre Jeſu: ich
wolte, ich muͤßte ſie heute noch annehmen. Aber ich darf mich
meines Glaubens nicht ſchaͤmen. Wer kan ſich ſeine Suͤnden,
und den allerheiligſten Richter denken, und dennoch ruhig ein-
ſchlafen? — Das kan ich, Herr Jeſu! wenn ich reuvoll zu dir
am Kreuz hinaufrufe: du biſt mein!

Der
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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 272[302]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/309>, abgerufen am 03.12.2024.