Herr deine Weisheit schmücket. Bereichert und erhält Und segnet und beglücket Die lebenvolle Welt; Sie rühme mein Gesang; Jch singe dir und preise Dich, Gott! denn du bist weise, O bringt ihm alle Dank!
Heute ist auf dem ganzen Erdboden Tag und Nacht gleich. Vor drei Monaten ward es im nordlichsten Europa gar nicht Tag, und im südlichen Amerika fast gar nicht Nacht. Nun aber sehen diese entfernte Brüder, was wir sehen, nemlich die Sonne um sechs Uhr auf-und untergehen. Für --eingebildete Kranken ist dieser Tag geheimnißvoll und fürchterlich, ohnerachtet er so unschuldig ist, als seine nächste Gefährten; und man nur überhaupt sagen kan: daß im Frühlinge und Herbste die meiste Krankheiten zu hausen pflegen. Das Aequinoctium soll uns, göttlicher Absicht nach, erbauen aber nicht krank machen. Gott fodert unsern Verstand auf, und wir greifen zur Arzenei!
Das Ab- und Zunehmen der Tage, welches alle Menschen sehen und die wenigsten bedenken, ist ein bündiger Be- weis göttlicher Liebe und Weisheit. Unter der Linie, oder in den- jenigen Ländern, wo die Sonne dem Menschen so senkrecht stehet, daß er gar keinen Schatten von sich wirft: da ist jahr aus jahr ein der Tag so lang wie die Nacht. Warum? Die Absicht Got- tes fällt leicht in die Augen: weil sonst diese Erdstriche nicht be- wohnbar wären. Die vielen Gewässer in dieser Weltgegend thun
etwas:
L 4
Der 21te Maͤrz.
Herr deine Weisheit ſchmuͤcket. Bereichert und erhaͤlt Und ſegnet und begluͤcket Die lebenvolle Welt; Sie ruͤhme mein Geſang; Jch ſinge dir und preiſe Dich, Gott! denn du biſt weiſe, O bringt ihm alle Dank!
Heute iſt auf dem ganzen Erdboden Tag und Nacht gleich. Vor drei Monaten ward es im nordlichſten Europa gar nicht Tag, und im ſuͤdlichen Amerika faſt gar nicht Nacht. Nun aber ſehen dieſe entfernte Bruͤder, was wir ſehen, nemlich die Sonne um ſechs Uhr auf-und untergehen. Fuͤr ︱eingebildete Kranken iſt dieſer Tag geheimnißvoll und fuͤrchterlich, ohnerachtet er ſo unſchuldig iſt, als ſeine naͤchſte Gefaͤhrten; und man nur uͤberhaupt ſagen kan: daß im Fruͤhlinge und Herbſte die meiſte Krankheiten zu hauſen pflegen. Das Aequinoctium ſoll uns, goͤttlicher Abſicht nach, erbauen aber nicht krank machen. Gott fodert unſern Verſtand auf, und wir greifen zur Arzenei!
Das Ab- und Zunehmen der Tage, welches alle Menſchen ſehen und die wenigſten bedenken, iſt ein buͤndiger Be- weis goͤttlicher Liebe und Weisheit. Unter der Linie, oder in den- jenigen Laͤndern, wo die Sonne dem Menſchen ſo ſenkrecht ſtehet, daß er gar keinen Schatten von ſich wirft: da iſt jahr aus jahr ein der Tag ſo lang wie die Nacht. Warum? Die Abſicht Got- tes faͤllt leicht in die Augen: weil ſonſt dieſe Erdſtriche nicht be- wohnbar waͤren. Die vielen Gewaͤſſer in dieſer Weltgegend thun
etwas:
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[167[197]/0204]
Der 21te Maͤrz.
Herr deine Weisheit ſchmuͤcket.
Bereichert und erhaͤlt
Und ſegnet und begluͤcket
Die lebenvolle Welt;
Sie ruͤhme mein Geſang;
Jch ſinge dir und preiſe
Dich, Gott! denn du biſt weiſe,
O bringt ihm alle Dank!
Heute iſt auf dem ganzen Erdboden Tag und Nacht gleich. Vor
drei Monaten ward es im nordlichſten Europa gar nicht
Tag, und im ſuͤdlichen Amerika faſt gar nicht Nacht. Nun
aber ſehen dieſe entfernte Bruͤder, was wir ſehen, nemlich die
Sonne um ſechs Uhr auf-und untergehen. Fuͤr ︱eingebildete
Kranken iſt dieſer Tag geheimnißvoll und fuͤrchterlich, ohnerachtet
er ſo unſchuldig iſt, als ſeine naͤchſte Gefaͤhrten; und man nur
uͤberhaupt ſagen kan: daß im Fruͤhlinge und Herbſte die meiſte
Krankheiten zu hauſen pflegen. Das Aequinoctium ſoll uns,
goͤttlicher Abſicht nach, erbauen aber nicht krank machen. Gott
fodert unſern Verſtand auf, und wir greifen zur Arzenei!
Das Ab- und Zunehmen der Tage, welches alle
Menſchen ſehen und die wenigſten bedenken, iſt ein buͤndiger Be-
weis goͤttlicher Liebe und Weisheit. Unter der Linie, oder in den-
jenigen Laͤndern, wo die Sonne dem Menſchen ſo ſenkrecht ſtehet,
daß er gar keinen Schatten von ſich wirft: da iſt jahr aus jahr
ein der Tag ſo lang wie die Nacht. Warum? Die Abſicht Got-
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 167[197]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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