4) Der Nutzen -- denn ich besorge, daß einige mei- ner Leser auf diesen Punkt hauptsächlich warten -- ist gleich dem Nutzen aus Opern und Schauspielen. Doch nein! er ist grösser. Wir hätten noch keine Seide, wenn es nicht Beobachter der weissen Maulbeerraupe gegeben hätte. Die Spinnen haben wahrscheinlich den anfänglichen We- bern grosse Dienste gethan. Perlen und die köstliche Farbe der Kochenille haben wir Leuten zu verdanken, welche die Kreaturen weiter betrachteten, als aus der Hand in den Mund. Solte denn nun aller Nutzen von dieser kleinen Welt erschöpfet seyn? -- Dürfte ich prophezeien: so wolte ich sagen: daß nach tausend Jahren die Menschen hundert neue Bequemlichkeiten, Leckerbissen, Medikamente, Schönheiten und Instrumente, den Insekten werden zu verdanken haben. Nur noch zehn solche Männer, wie Rösel in Deutschland und Reaumur in Frankreich in diesem, und wie Swammerdamm in Holland im vorigen Jahrhundert waren: da soll man sich über die Schritte unsrer Naturkentniß wundern. Diese grosse Männer schienen die Bienen völlig ausstudiert zu haben, und nachdem sich jetzt in der Lausitz eine Gesellschaft gelehr- ter und nachforschender Männer zusammen thut, und fast alle europäische Nationen ihre Einsichten mit dazu hergeben: siehe! so sind wir in der Bienenkentniß bald bis -- aufs A. b. c. gekommen. Honig haben die Menschen lange ge- nug gegessen: aber sie solten mehr von den Bienen lernen; z. E. selbst Honig, wenigstens Wachs zu machen, die wunderbare Erzeugung der Bienenkonigin und kurz mehr Weisheit, als viele Bibliotheken enthalten. Nur geduld! die Reihe wird auch an andre Insetten kommen. Die weisse Maulbeerraupe hat den ansehnlichern Titel des Sei- denwurms erhalten; spanische Fliege, Regenwurm, Ameise, Asseln und Maykäfer bewohnen schon unsre Apotheken.
So
zur zweiten Auflage.
4) Der Nutzen — denn ich beſorge, daß einige mei- ner Leſer auf dieſen Punkt hauptſaͤchlich warten — iſt gleich dem Nutzen aus Opern und Schauſpielen. Doch nein! er iſt groͤſſer. Wir haͤtten noch keine Seide, wenn es nicht Beobachter der weiſſen Maulbeerraupe gegeben haͤtte. Die Spinnen haben wahrſcheinlich den anfaͤnglichen We- bern groſſe Dienſte gethan. Perlen und die koͤſtliche Farbe der Kochenille haben wir Leuten zu verdanken, welche die Kreaturen weiter betrachteten, als aus der Hand in den Mund. Solte denn nun aller Nutzen von dieſer kleinen Welt erſchoͤpfet ſeyn? — Duͤrfte ich prophezeien: ſo wolte ich ſagen: daß nach tauſend Jahren die Menſchen hundert neue Bequemlichkeiten, Leckerbiſſen, Medikamente, Schoͤnheiten und Inſtrumente, den Inſekten werden zu verdanken haben. Nur noch zehn ſolche Maͤnner, wie Roͤſel in Deutſchland und Reaumur in Frankreich in dieſem, und wie Swammerdamm in Holland im vorigen Jahrhundert waren: da ſoll man ſich uͤber die Schritte unſrer Naturkentniß wundern. Dieſe groſſe Maͤnner ſchienen die Bienen voͤllig ausſtudiert zu haben, und nachdem ſich jetzt in der Lauſitz eine Geſellſchaft gelehr- ter und nachforſchender Maͤnner zuſammen thut, und faſt alle europaͤiſche Nationen ihre Einſichten mit dazu hergeben: ſiehe! ſo ſind wir in der Bienenkentniß bald bis — aufs A. b. c. gekommen. Honig haben die Menſchen lange ge- nug gegeſſen: aber ſie ſolten mehr von den Bienen lernen; z. E. ſelbſt Honig, wenigſtens Wachs zu machen, die wunderbare Erzeugung der Bienenkonigin und kurz mehr Weisheit, als viele Bibliotheken enthalten. Nur geduld! die Reihe wird auch an andre Inſetten kommen. Die weiſſe Maulbeerraupe hat den anſehnlichern Titel des Sei- denwurms erhalten; ſpaniſche Fliege, Regenwurm, Ameiſe, Aſſeln und Maykaͤfer bewohnen ſchon unſre Apotheken.
So
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zur zweiten Auflage.
4) Der Nutzen — denn ich beſorge, daß einige mei-
ner Leſer auf dieſen Punkt hauptſaͤchlich warten — iſt gleich
dem Nutzen aus Opern und Schauſpielen. Doch nein!
er iſt groͤſſer. Wir haͤtten noch keine Seide, wenn es
nicht Beobachter der weiſſen Maulbeerraupe gegeben haͤtte.
Die Spinnen haben wahrſcheinlich den anfaͤnglichen We-
bern groſſe Dienſte gethan. Perlen und die koͤſtliche Farbe
der Kochenille haben wir Leuten zu verdanken, welche die
Kreaturen weiter betrachteten, als aus der Hand in den
Mund. Solte denn nun aller Nutzen von dieſer kleinen
Welt erſchoͤpfet ſeyn? — Duͤrfte ich prophezeien: ſo
wolte ich ſagen: daß nach tauſend Jahren die Menſchen
hundert neue Bequemlichkeiten, Leckerbiſſen, Medikamente,
Schoͤnheiten und Inſtrumente, den Inſekten werden zu
verdanken haben. Nur noch zehn ſolche Maͤnner, wie
Roͤſel in Deutſchland und Reaumur in Frankreich
in dieſem, und wie Swammerdamm in Holland im
vorigen Jahrhundert waren: da ſoll man ſich uͤber die
Schritte unſrer Naturkentniß wundern. Dieſe groſſe
Maͤnner ſchienen die Bienen voͤllig ausſtudiert zu haben,
und nachdem ſich jetzt in der Lauſitz eine Geſellſchaft gelehr-
ter und nachforſchender Maͤnner zuſammen thut, und faſt
alle europaͤiſche Nationen ihre Einſichten mit dazu hergeben:
ſiehe! ſo ſind wir in der Bienenkentniß bald bis — aufs
A. b. c. gekommen. Honig haben die Menſchen lange ge-
nug gegeſſen: aber ſie ſolten mehr von den Bienen lernen;
z. E. ſelbſt Honig, wenigſtens Wachs zu machen, die
wunderbare Erzeugung der Bienenkonigin und kurz mehr
Weisheit, als viele Bibliotheken enthalten. Nur geduld!
die Reihe wird auch an andre Inſetten kommen. Die
weiſſe Maulbeerraupe hat den anſehnlichern Titel des Sei-
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Aſſeln und Maykaͤfer bewohnen ſchon unſre Apotheken.
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/20>, abgerufen am 24.11.2024.
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