Händen seines beleidigten Richtets überliefert! Nein! ich will niemals einschlafen, und in die Hand Gottes fallen, wenn ich mir ihn nicht durch herzliches Gebet zu meinem gnädigen Vater gemacht habe! Ohne Gebet einschlummern, heißt sich auf Gnade und Ungnade ergeben.
Da der Schlaf des Todes Bruder ist, so werden dermuth- lich beim natürlichen Tode die Ideen auch allgemach dunkler, und niemand kan sagen: in diesem Augenblicke sterbe ich. Aber eben diese Verdunkelung der Begriffe macht die Bekehrung in den letz- ten Stunden verdächtig. Es ist wie mit unsern Gedanken beim Einschlummern; wir denken, ja wir reden auch wol: aber ohne sonderliches Bewußtseyn, und am Morgen ist alles vergessen. Und wehe der Bekehrung, welcher sich die Seele in jener Welt nicht mehr bewußt ist!
Der Zeitpunkt, wo wir einschlafen und sterben, ist sich wahrscheinlich auch darin ähnlich, daß er uns nichts unangeneh- mes empfinden läßt. Die vorhergegangene Müdigkeit und Krankheit sind nun überstanden. Wir mögen Augen und Mund verdrehen, wie wir wollen: wir wissen von nichts, sondern fallen unvermerkt Gott anheim. Wie gräßlich ist der Schlaf mancher Menschen, welche schnarchen, winseln, mit den Zähnen knirschen, und dem ohnerachtet ruhig schlafen und angenehm träumen! So ist hoffentlich der Sterbende auch. Die Umstehenden sollen nach Gottes Absichten erschrecken und beten: der Kranke aber schlum- mert unter seinen Verzuckungen fort.
Hüter Israels! der du nicht einschläfst noch schlummerst! dessen allwissende Gedanken in Ewigkeit nicht verdunkelt werden! Ach! wie unmerklich und süß schlief mein Gewissen so oftmals ein. Wie leicht fallen mir die Augen bei deinen Gaben und Geboten zu! -- Vergib allen bisherigen Schlummer, und erhalt meine Seele wachsam zum Guten! Bald schliessen sich nun meine Au- genlieder, und ich weiß nichts von mir: o! dann bewach und bewahr du mich, mein Herr und mein Gott!
Der
Der 17te Februar.
Haͤnden ſeines beleidigten Richtets uͤberliefert! Nein! ich will niemals einſchlafen, und in die Hand Gottes fallen, wenn ich mir ihn nicht durch herzliches Gebet zu meinem gnaͤdigen Vater gemacht habe! Ohne Gebet einſchlummern, heißt ſich auf Gnade und Ungnade ergeben.
Da der Schlaf des Todes Bruder iſt, ſo werden dermuth- lich beim natuͤrlichen Tode die Ideen auch allgemach dunkler, und niemand kan ſagen: in dieſem Augenblicke ſterbe ich. Aber eben dieſe Verdunkelung der Begriffe macht die Bekehrung in den letz- ten Stunden verdaͤchtig. Es iſt wie mit unſern Gedanken beim Einſchlummern; wir denken, ja wir reden auch wol: aber ohne ſonderliches Bewußtſeyn, und am Morgen iſt alles vergeſſen. Und wehe der Bekehrung, welcher ſich die Seele in jener Welt nicht mehr bewußt iſt!
Der Zeitpunkt, wo wir einſchlafen und ſterben, iſt ſich wahrſcheinlich auch darin aͤhnlich, daß er uns nichts unangeneh- mes empfinden laͤßt. Die vorhergegangene Muͤdigkeit und Krankheit ſind nun uͤberſtanden. Wir moͤgen Augen und Mund verdrehen, wie wir wollen: wir wiſſen von nichts, ſondern fallen unvermerkt Gott anheim. Wie graͤßlich iſt der Schlaf mancher Menſchen, welche ſchnarchen, winſeln, mit den Zaͤhnen knirſchen, und dem ohnerachtet ruhig ſchlafen und angenehm traͤumen! So iſt hoffentlich der Sterbende auch. Die Umſtehenden ſollen nach Gottes Abſichten erſchrecken und beten: der Kranke aber ſchlum- mert unter ſeinen Verzuckungen fort.
Huͤter Iſraels! der du nicht einſchlaͤfſt noch ſchlummerſt! deſſen allwiſſende Gedanken in Ewigkeit nicht verdunkelt werden! Ach! wie unmerklich und ſuͤß ſchlief mein Gewiſſen ſo oftmals ein. Wie leicht fallen mir die Augen bei deinen Gaben und Geboten zu! — Vergib allen bisherigen Schlummer, und erhalt meine Seele wachſam zum Guten! Bald ſchlieſſen ſich nun meine Au- genlieder, und ich weiß nichts von mir: o! dann bewach und bewahr du mich, mein Herr und mein Gott!
Der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0137"n="100[130]"/><fwplace="top"type="header">Der 17<hirendition="#sup">te</hi> Februar.</fw><lb/>
Haͤnden ſeines beleidigten Richtets uͤberliefert! Nein! ich will<lb/>
niemals einſchlafen, und in die Hand Gottes fallen, wenn ich<lb/>
mir ihn nicht durch herzliches Gebet zu meinem gnaͤdigen Vater<lb/>
gemacht habe! Ohne Gebet einſchlummern, heißt ſich auf Gnade<lb/>
und Ungnade ergeben.</p><lb/><p>Da der Schlaf des Todes Bruder iſt, ſo werden dermuth-<lb/>
lich beim natuͤrlichen Tode die Ideen auch allgemach dunkler, und<lb/>
niemand kan ſagen: in dieſem Augenblicke ſterbe ich. Aber eben<lb/>
dieſe Verdunkelung der Begriffe macht die Bekehrung in den letz-<lb/>
ten Stunden verdaͤchtig. Es iſt wie mit unſern Gedanken beim<lb/>
Einſchlummern; wir denken, ja wir reden auch wol: aber ohne<lb/>ſonderliches Bewußtſeyn, und am Morgen iſt alles vergeſſen.<lb/>
Und wehe der Bekehrung, welcher ſich die Seele in jener Welt<lb/>
nicht mehr bewußt iſt!</p><lb/><p>Der Zeitpunkt, wo wir einſchlafen und ſterben, iſt ſich<lb/>
wahrſcheinlich auch darin aͤhnlich, daß er uns nichts unangeneh-<lb/>
mes empfinden laͤßt. Die vorhergegangene Muͤdigkeit und<lb/>
Krankheit ſind nun uͤberſtanden. Wir moͤgen Augen und Mund<lb/>
verdrehen, wie wir wollen: wir wiſſen von nichts, ſondern fallen<lb/>
unvermerkt Gott anheim. Wie graͤßlich iſt der Schlaf mancher<lb/>
Menſchen, welche ſchnarchen, winſeln, mit den Zaͤhnen knirſchen,<lb/>
und dem ohnerachtet ruhig ſchlafen und angenehm traͤumen! So<lb/>
iſt hoffentlich der Sterbende auch. Die Umſtehenden ſollen nach<lb/>
Gottes Abſichten erſchrecken und beten: der Kranke aber ſchlum-<lb/>
mert unter ſeinen Verzuckungen fort.</p><lb/><p>Huͤter Iſraels! der du nicht einſchlaͤfſt noch ſchlummerſt!<lb/>
deſſen allwiſſende Gedanken in Ewigkeit nicht verdunkelt werden!<lb/>
Ach! wie unmerklich und ſuͤß ſchlief mein Gewiſſen ſo oftmals ein.<lb/>
Wie leicht fallen mir die Augen bei deinen Gaben und Geboten<lb/>
zu! — Vergib allen bisherigen Schlummer, und erhalt meine<lb/>
Seele wachſam zum Guten! Bald ſchlieſſen ſich nun meine Au-<lb/>
genlieder, und ich weiß nichts von mir: o! dann bewach und<lb/>
bewahr du mich, mein Herr und mein Gott!</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Der</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[100[130]/0137]
Der 17te Februar.
Haͤnden ſeines beleidigten Richtets uͤberliefert! Nein! ich will
niemals einſchlafen, und in die Hand Gottes fallen, wenn ich
mir ihn nicht durch herzliches Gebet zu meinem gnaͤdigen Vater
gemacht habe! Ohne Gebet einſchlummern, heißt ſich auf Gnade
und Ungnade ergeben.
Da der Schlaf des Todes Bruder iſt, ſo werden dermuth-
lich beim natuͤrlichen Tode die Ideen auch allgemach dunkler, und
niemand kan ſagen: in dieſem Augenblicke ſterbe ich. Aber eben
dieſe Verdunkelung der Begriffe macht die Bekehrung in den letz-
ten Stunden verdaͤchtig. Es iſt wie mit unſern Gedanken beim
Einſchlummern; wir denken, ja wir reden auch wol: aber ohne
ſonderliches Bewußtſeyn, und am Morgen iſt alles vergeſſen.
Und wehe der Bekehrung, welcher ſich die Seele in jener Welt
nicht mehr bewußt iſt!
Der Zeitpunkt, wo wir einſchlafen und ſterben, iſt ſich
wahrſcheinlich auch darin aͤhnlich, daß er uns nichts unangeneh-
mes empfinden laͤßt. Die vorhergegangene Muͤdigkeit und
Krankheit ſind nun uͤberſtanden. Wir moͤgen Augen und Mund
verdrehen, wie wir wollen: wir wiſſen von nichts, ſondern fallen
unvermerkt Gott anheim. Wie graͤßlich iſt der Schlaf mancher
Menſchen, welche ſchnarchen, winſeln, mit den Zaͤhnen knirſchen,
und dem ohnerachtet ruhig ſchlafen und angenehm traͤumen! So
iſt hoffentlich der Sterbende auch. Die Umſtehenden ſollen nach
Gottes Abſichten erſchrecken und beten: der Kranke aber ſchlum-
mert unter ſeinen Verzuckungen fort.
Huͤter Iſraels! der du nicht einſchlaͤfſt noch ſchlummerſt!
deſſen allwiſſende Gedanken in Ewigkeit nicht verdunkelt werden!
Ach! wie unmerklich und ſuͤß ſchlief mein Gewiſſen ſo oftmals ein.
Wie leicht fallen mir die Augen bei deinen Gaben und Geboten
zu! — Vergib allen bisherigen Schlummer, und erhalt meine
Seele wachſam zum Guten! Bald ſchlieſſen ſich nun meine Au-
genlieder, und ich weiß nichts von mir: o! dann bewach und
bewahr du mich, mein Herr und mein Gott!
Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 100[130]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/137>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.