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Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Anmahnungen Heinrich's doch wieder eine hölzerne war. Sein Verlust war ihm so reichlich und großmüthig vergütet worden, daß der alte Geldsammler sich oft fröhlich die Hände rieb und gern wieder einen abenteuerlichen Miethsmann ähnlicher Gesinnung in seine Wohnung genommen hätte. -- --

Nach drei Jahren empfing der alte Zusammengekrümmte mit vielen verlegnen Scharrfüßen und übertriebenen Verbeugungen eine vornehme Herrschaft, die in einer reichen Equipage ankam, und die er selber die neue Treppe in das kleine Quartier hinaufführte, das jetzt ein armer Buchbinder bewohnte. Clara's Vater war gestorben, sie war mit ihrem Gatten von den fernen Gütern hereingekommen, um den Verscheidenden noch einmal zu sehen und seinen Segen zu empfangen. Arm in Arm standen sie jetzt am kleinen Fenster, sahen wieder nach dem rothen und braunen Dache hinüber und beobachteten wieder jene traurigen Feuermauern, in denen der Sonnenschein wie damals spielte. Diese Scene ihres vormaligen Elends und zugleich unendlichen Glücks rührte sie innigst. -- Der Buchbinder war eben beschäftigt, die zweite Auflage jenes Werkes, das dem Verarmten gewissenlos war geraubt worden, für eine Lesebibliothek einzubinden. Das ist ein sehr beliebtes Buch, äußerte er bei seiner Arbeit, und wird noch mehr Editionen erleben.

Unser Freund Vandelmeer erwartet uns, sagte Heinrich und bestieg, nachdem er den Handwerker be-

Anmahnungen Heinrich's doch wieder eine hölzerne war. Sein Verlust war ihm so reichlich und großmüthig vergütet worden, daß der alte Geldsammler sich oft fröhlich die Hände rieb und gern wieder einen abenteuerlichen Miethsmann ähnlicher Gesinnung in seine Wohnung genommen hätte. — —

Nach drei Jahren empfing der alte Zusammengekrümmte mit vielen verlegnen Scharrfüßen und übertriebenen Verbeugungen eine vornehme Herrschaft, die in einer reichen Equipage ankam, und die er selber die neue Treppe in das kleine Quartier hinaufführte, das jetzt ein armer Buchbinder bewohnte. Clara's Vater war gestorben, sie war mit ihrem Gatten von den fernen Gütern hereingekommen, um den Verscheidenden noch einmal zu sehen und seinen Segen zu empfangen. Arm in Arm standen sie jetzt am kleinen Fenster, sahen wieder nach dem rothen und braunen Dache hinüber und beobachteten wieder jene traurigen Feuermauern, in denen der Sonnenschein wie damals spielte. Diese Scene ihres vormaligen Elends und zugleich unendlichen Glücks rührte sie innigst. — Der Buchbinder war eben beschäftigt, die zweite Auflage jenes Werkes, das dem Verarmten gewissenlos war geraubt worden, für eine Lesebibliothek einzubinden. Das ist ein sehr beliebtes Buch, äußerte er bei seiner Arbeit, und wird noch mehr Editionen erleben.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:30:27Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:30:27Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/87>, abgerufen am 28.03.2024.